Roter Terror
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Der Rote Terror war – in verbaler Anknüpfung an die Phase des terreurs der Französischen Revolution – die von Lenin und den Kommunisten in der Oktoberrevolution begonnene Phase, für ihre in der Minderheit befindliche bolschewistische Partei, deren Macht mit Erfolg oder Scheitern der Revolution gleich gesetzt wurde, die Herrschaft zu erringen und zu erhalten, um ihre ideologischen Ziele durchzusetzen. Der Begriff wurde von ihnen selbst geprägt, zur öffentlichen Drohung benutzt und blutig umgesetzt. Er stand zudem im Zusammenhang mit dem Weißen Terror, der bis zur Niederringung der Weißgardisten gleichfalls wütete - ein "Wechselspiel" gewissermaßen. Im Unterschied zur Französischen Revolution, deren Terrorphase einige Monate dauerte und sich überwiegend gegen die Repräsentanten der Aristokratie sowie Revolutionsgegner wandte, stand beim roten Terror Lenins als Leitmotiv der Satz des Tschekisten Latsis [1] im Vordergrund: "Wir führen nicht Krieg gegen bestimmte Personen. Wir löschen die Bourgeoisie als Klasse aus."
Heute wird der Begriff "Roter Terror" im westlichen Sprachgebrauch generell für die kommunistischen Schreckensherrschaften des 20. Jahrhunderts verwendet, so z.B. für die Stalin-Ära von Jörg Baberowski: Der rote Terror. Die Geschichte des Stalinismus (ISBN 3-421-05486-x) oder von Bernd Pieper: 'Roter Terror' in Cottbus. (ISBN: 3925434917) oder Martin Pabst : Roter Terror. Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Lenin bis Pol Pot (ISBN: 3-7020-0972-8).
[Bearbeiten] Geschichte
Auslöser für Lenins Phase des roten Terrors waren die Attentate auf den Vorsitzenden der Petrograder Tscheka, Urizki, sowie den Vorsitzenden der Sowjetregierung, Lenin, am 30. August 1918.
Der Beginn des Roten Terrors datiert mit dem Dekret des Sowjetregierung "Über den roten Terror" vom 5. September 1918: „In der augenblicklichen Situation ist es absolut lebensnotwendig, die Tscheka zu verstärken …, die Klassenfeinde der Sowjetrepublik in Konzentrationslagern zu isolieren und so die Republik gegen sie zu schützen, jeden, der in weißgardistische Organisationen, in Verschwörungen, Aufstände und Erhebungen verwickelt ist, auf der Stelle zu erschießen, die Namen der Erschossenen mit Angabe des Erschießungsgrundes zu veröffentlichen.“
Die Zeit bis März 1921 (Beginn der Neuen Ökonomischen Politik) wird als Roter Terror und Ära der Politik des Kriegskommunismus bezeichnet. Auch danach gingen jedoch die Erschießungen Oppositioneller, Deportationen in Zwangsarbeitslager und Repressionsmaßnahmen gegen dissidente Völker weiter. R. Stettner schreibt, dass "in den Zeiten von Kriegskommunismus, NÖP und den Übergangsjahren bis 1928/29 ein... Geflecht an Konzentrationslagern, Zwangsarbeitslagern und "Lagern zur besonderen Verwendung" existierte. Es sei "falsch, das Lagersystem ausschließlich der Stalinzeit zuzuordnen", wenngleich die Lager der Leninzeit im Vergleich zur späteren Ära des Stalinismus auch "im Ausmaß weniger bedeutend" waren. [2]. Das sowjetische Lagersystem stand bei Lenin erst am Anfang, und die stetige Weiterentwicklung der Kapazitäten unter Stalin nahm naturgemäß viele Jahre in Anspruch.
Das als "Roter Terror" bezeichnete Terrorregime der Geheimpolizei Tscheka, erhielt ab Mai 1922 einen gesetzlichen Rahmen: Lenin entwickelte den Strafgesetzbuch-Paragraphen 58, der Zwangsarbeit und Todesstrafe für "politische Delikte" vorsah. So schreibt Lenin am 17.Mai 1922 über seinen Rohentwurf des §58: "...der Grundgedanke...ist klar:offen eine prinzipielle und politisch wahrheitsgetreue...These aufstellen, die das Wesen und die Rechtfertigung des Terrors, seine Notwendigkeit und seine Grenzen motiviert. Das Gericht soll den Terror nicht beseitigen - das zu versprechen wäre Selbstbetrug oder Betrug - , sondern ihn prinzipiell, klar, ohne Falsch und ohne Schminke begründen und gesetzlich verankern." [3]
Als Roter Terror im engeren Sinne wird das gewaltsame Vorgehen der Tscheka in den Städten - eigentliches Machtzentrum der Bolschewiki - betrachtet. Im gleichen Zusammenhang ereigneten sich auch die Auseinandersetzungen zwischen Staatsmacht und Bauernschaft, insbesondere mit den wohlhabenderen Bauern (Kulaken), deren physische Vernichtung Lenin mit der Politik der Getreiderequidierung betrieb (Seine Forderung "Tod den Kulaken!" ist enthalten in Band 28 seiner Schriften - Lenin : Werke - ) [4]. Bereits im August 1918 hatte Lenin verfügt: "Schonungsloser Massenterror gegen Kulaken...", "Übermitteln Sie allen Mitgliedern des Exekutivkomitees und allen Kommunisten, dass es ihre Pflicht ist, die Kulaken schonungslos niederzuschlagen und bei den Aufständischen das gesamte Getreide zu konfiszieren" [5].
Der Rote Terror richtete sich gegen Bürgertum, zaristische Offiziere, nichtbolschewistische Sozialisten (v. a. Menschewiki, rechte Sozialrevolutionäre), Geistliche, sowie oppositionelle Teile der Arbeiterschaft. Die Durchsetzung der Terrormaßnahmen - wie Erschießungen, Folterungen und Einweisung in Lager (Gulag) - erfolgte durch die Geheimpolizei Tscheka, die ab 1922 in die GPU umgewandelt wurde.
Sonja Margolina beschreibt in ihrem Buch "Das Ende der Lügen" das Wirken des Roten Terrors: "Die brutalen Erschiessungen und Folterungen Tausender russischer Offiziere und Priester, die Geiselnahmen, die Vergewaltigungen adliger und bürgerlicher Frauen, die Gewalt gegen Kinder und Alte hatten keine Grenzen."
[Bearbeiten] Literatur
- Peter Scheibert : Lenin an der Macht, Acta humaniora, Weinheim 1984, ISBN 3527175032
- Alexander Jakowlew : Ein Jahrhundert der Gewalt in Sowjetrußland, Berlin-Verlag, 2004, ISBN 3827005477, (A Century of Violence in Soviet Russia, Yale University Press, New Haven/London 2002
- Dimitri Wolkogonow : Lenin. Utopie und Terror, Econ 1996, ISBN 3430198283
- Ralf Stettner: "Der Besserungsarbeitsgedanke und die Strafvollzugssysteme der zwanziger Jahre" in Archipel GULag Stalins Zwangslager, Schöningh 1996 ISBN 3506787543
- Michael S. Voslensky: Das Geheime wird offenbar, Langen Müller 1995, ISBN 3-7844-2536-4