Lenin
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wladimir Iljitsch Uljanow (russisch Владимир Ильич Ульянов, wiss. Transliteration Vladimir Il'ič Ul'janov, genannt Lenin, russisch Ленин anhören ?/i; * 10. April / 22. April 1870 in Simbirsk; † 21. Januar 1924 in Gorki bei Moskau), war führender Kopf der Oktoberrevolution 1917 in Russland, Vorsitzender des Rates der Volkskommissare, Autor zahlreicher theoretischer und philosophischer Schriften. Er gilt neben Karl Marx und Friedrich Engels als einer der Schöpfer des wissenschaftlichen Sozialismus.
Lenins Ziel als eines Marxisten war die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Wichtig dabei war Lenin die unbestrittene Führungsrolle einer kommunistischen Partei, welche die Vorhut des Proletariats (Arbeiterklasse) darstelle und die von ihm ausgearbeitete Organisationsform des Demokratischen Zentralismus. Die deutsche Sozialdemokratie lehnte er wegen ihrer Burgfriedenspolitik von 1914 als reformistisch und opportunistisch ab.
Inhaltsverzeichnis |
Leben
Familie
Lenin stammte aus einer Familie des niederen Adels, die sich sozial und kulturell liberal engagierte. Der Großvater mütterlicherseits, Dr. Alexander Dimitrijewitsch Blank (* 1799 in Staro Konstantinowa (Wolhynien) als Srul Blank; † 17. Juli 1870 in Kokuschkino), war seiner Herkunft nach Jude, der während seines Medizinstudiums zum orthodoxen Glauben bekehrter Christ wurde. Dessen Ehefrau Anna (* 1799 in Sankt Petersburg; † 1838) war deutschbaltischer Herkunft und lutherischer Konfession, deren familiäre Ursprünge sich nach Lübeck zurückverfolgen lassen. Beide heirateten etwa 1828 in Sankt Petersburg. Die Erziehung der Kinder übernahm nach dem Tod der Mutter deren Schwester Katharina Eleonore Grosschopff, verwitwete Katharina von Essen (* 3. April 1801 in Sankt Petersburg; † 1863). [1]
Lenins deutsch erzogene Mutter, Maria Alexandrowna Blank (* 22. Februar 1835 in Sankt Petersburg; † 1916), heiratete 1863 den kalmückischen Mathematik- und Physiklehrer Ilja Nikolajewitsch Uljanow (* 19. Juli 1831 in Astrachan; † 12. Januar 1886), welcher als Inspektor von Volksschuleinrichtungen tätig war. Die Eltern lebten in Simbirsk.
1887 wurde Lenins älterer Bruder Alexander, der damals Student in Sankt Petersburg war, wegen Verschwörung und versuchten Mordes an Zar Alexander III. hingerichtet. Dies hatte großen Einfluss auf Lenin, der nun stärker politisch engagiert war.
Im selben Jahr wurde Lenin von der Universität Kasan verwiesen, nachdem er an einem Studentenprotest teilgenommen und die Polizei die Verbindung zu seinem Bruder aufgedeckt hatte. Nach einem Gnadenerweis konnte Lenin 1891 sein Jurastudium beenden. Seine Arbeit als Rechtsanwalt beschränkte sich auf einige wenige Fälle.
Beginn der politischen Tätigkeit
Lenins politische Überzeugungen sind in der Anfangszeit noch nicht gefestigt. Theoretisch setzte er sich einerseits kritisch mit den russischen Volkstümlern (den Narodniki), welche eine eigene Variante des Sozialismus propagierten, und andererseits mit den Thesen von Karl Marx, die er bereits theoretisch interpretierte, auseinander. 1893 zog er nach Sankt Petersburg. Dort studierte er die Theorien von G. W. Plechanow, dem er später in der Schweiz auch selber begegnete. Nach einer mehrmonatigen Europareise durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz gründete er den „Bund für die Befreiung der Arbeiterklasse“ ("союз борьбы за освобождение рабочего класса"). Sobald er im Herbst nach Russland zurückgekommen war, nahm er seine agitatorische Tätigkeit wieder auf.
Während der Vorbereitung einer illegalen Zeitung Die Sache der Arbeiter wurde er im Dezember 1895 verhaftet (Anklage: Agitation). Im Untersuchungsgefängnis richtete er sich eine Bibliothek in seinem „Studierzimmer“ ein und verbrachte dort 14 Monate. 1897 wurde er im Februar für drei Jahre nach Schuschenskoje in Südsibirien verbannt, wo er unter Polizeiaufsicht leben musste. In Ufa traf er auch wieder Nadeschda Krupskaja, die er 1898 in der Verbannung heiratete.
Sofort nach der Rückkehr aus der Verbannung im Februar 1900 suchte Lenin nach einer Möglichkeit, eine von der Zensur unabhängige Zeitung herauszubringen. In Russland war das nicht möglich, und so verließ er es am 29. Juli 1900 für über fünf Jahre. Nach einem kürzeren Aufenthalt in Genf, wo er sich mit Plechanow über die Herausgabe der Zeitung Iskra ("Der Funke") einigte, ließ sich Lenin unter dem Namen Meyer bei dem sozialdemokratischen Gastwirt Rittmeyer in der Kaiserstraße 53 in München illegal nieder. Im Jahr 1901 erschien die von ihm mit herausgegebene Zeitung Sarja („Morgenröte“). 1902 verfasste er in der bayerischen Landeshauptstadt die programmatische Schrift Was tun?, in der er die These verwarf, dass die Arbeiter von sich aus ein Klassenbewusstsein entwickeln würden (zur „Klasse für sich“ werden könnten). Nach Lenins Ansicht bräuchten sie stattdessen die Führung durch eine gut organisierte Partei (Avantgarde-Theorie). Das entsprechende Organisationsmodell stellte der Demokratische Zentralismus dar.
Siehe auch: Leninismus.
Der Deckname
Ab Dezember 1900 verwendete er den Decknamen beziehungsweise das Pseudonym „Lenin“. Eine Erklärung besagt, dass er sich dabei auf den sibirischen Strom Lena bezog (Lenin bedeutet russisch: „Der vom Fluss Lena Stammende“) – nach Sibirien verbannt zu werden, bedeutete damals praktisch, dass man im zaristischen Russland als anerkannter Oppositioneller galt. Eine andere plausible Erklärung besagt, dass er mehr an sein Kindermädchen Lena dachte, und dass er bereits als kleiner Junge auf die Frage, „wessen [Kind] er sei“ zu antworten pflegte: „Lenin!“ (russisch: „Lenas!“).
Aufbau der Partei
Lenin betrieb den Aufbau einer streng organisierten Kaderpartei aus „Berufsrevolutionären“ und wurde wegen seiner – von der Illegalität erzwungenen, aber auch vom russischen revolutionären Terrorismus inspirierten – Rigorosität und wegen seiner radikalen theoretischen Positionen der am meisten beachtete linke Sozialdemokrat.
Die Ansichten und Absichten von Lenin führten 1903 auf dem zweiten Parteitag (in London) zur faktischen Spaltung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) in die Fraktionen der zahlreicheren, eher reformorientierten Menschewiki einerseits und in der von Lenin angeführten, revolutionsorientierte Bolschewiki andererseits.
Im Unterschied zu den theoretischen „legalen Marxisten“ und den politisch gemäßigten sozialreformistischen Menschewiki (russisch: „Minderheitler“), die auf eine längere kapitalistische Evolution Russlands setzten, sah Lenin das Land als das rückständigste Land im modernen Kapitalismus und die proletarische Revolution als nahe bevorstehend. Das untersetzte er durch politökonomische, politische und philosophische Studien.
In der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1905 bis 1907 vertraten die Bolschewiki die Position einer Radikalisierung der Umwälzung, hin zur Machtübernahme durch Sowjets (Räte) der Arbeiter und Bauern. Im Januar 1907 floh Lenin aus Sicherheitsgründen ins Großherzogtum Finnland, ein Jahr später zog er nach Genf.
Bis 1912 wurden die Unterschiede zwischen den beiden Fraktionen immer größer, weswegen bei der sechsten Gesamtrussischen Parteikonferenz in Prag die Menschewiki ausgeschlossen wurden. Sie bildeten daraufhin eine eigene Partei, während die SDAPR nun die Erweiterung (Bolschewiki) trug.
Im April 1912 veröffentlichte Lenin zum ersten Mal die Prawda. In der Folgezeit widmete sich Lenin im Schweizer Exil wieder marxistischen Studien, es entstand vor allem seine bekannte Schrift Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (Januar bis Juni 1916), die die Grundlage der marxistischen Theorie des Imperialismus sowie der darauf basierenden Stamokap-Theorie bildete.
1914 begann der Erste Weltkrieg. Die Bolschewiki waren international die einzige sozialdemokratische Parteiorganisation, die von Anfang an gegen die Kriegspolitik der eigenen Regierung - die unbedingte Unterstützung Serbiens gegen Österreich-Ungarn - mobilisierte. Dennoch gelang es der Partei nicht, sich einen nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung zu verschaffen. Ihre Mitgliederzahl, ihre Akzeptanz und ihr Einfluss blieben gering.
Im weiteren Verlauf der Geschichte nach der Oktoberrevolution benannten sich die Bolschewiki 1918 in Kommunistische Partei Russlands (B) um. 1922 folgte die Umbenennung in Kommunistische Partei der Sowjetunion (B). (Später, 1952 fiel der Zusatz (B) weg, KPdSU.)
1917 bis 1918
Nach der Februarrevolution 1917 kehrten Lenin und andere prominente Kommunisten mit Unterstützung der deutschen Obersten Heeresleitung aus der Schweiz über das Gebiet des Kriegsgegners Deutschland, Schwedens und Finnlands nach Russland zurück. Sie fuhren in einem versiegelten Zug, der zu exterritorialem Gebiet erklärt worden war. Es gibt Thesen, denen zufolge der Zug in Berlin gehalten hat, wo er mit 40 Millionen Goldmark beladen worden sei. Das Geld habe aus der Kasse des Deutschen Reiches gestammt und habe die bolschewistische Revolution vorantreiben sollen. Man habe sich erhofft, nach dem Umsturz in Russland einen Separatfrieden schließen zu können. Unzweifelhaft ist allerdings, dass Lenins Rückkehr ohne die Unterstützung des Deutschen Reichs in dieser Form nicht hätte stattfinden können. Im April 1917 erreichte Lenin mit einigen seiner Genossen Petrograd und verkündete die Möglichkeit und Notwendigkeit, die Revolution zur Machtergreifung der Arbeiter, Bauern und Soldaten zuzuspitzen (Aprilthesen).
Nach weiteren militärischen Fehlschlägen der gemäßigt sozialistisch-liberalen „Provisorischen revolutionären Regierung“ gelang es den Bolschewiki und den neu gegründeten Sowjets im November 1917 (nach dem in Russland noch geltenden julianischen Kalender im Oktober) die bürgerliche Regierung zu stürzen (Oktoberrevolution). Der sofortige Friedensschluss, die Verteilung des Bodens an die Bauern und die Übernahme der Fabriken durch die Arbeiter waren die unmittelbar wirkenden Losungen. Bei der letzten freien Wahl zur Konstituierenden Versammlung im November 1917 erlitten die Bolschewiki eine schwere Niederlage. Als sich die gewählte Versammlung im Januar 1918 konstituieren wollte, ließ Lenin dies mit Gewalt verhindern und zahlreiche Abgeordnete verhaften. Die Partei etablierte unter Lenins Vorsitz die bolschewistische Regierung (Rat der Volkskommissare). Im Februar 1918 entstand auf ihre Veranlassung die Rote Armee unter der Leitung von Leo Trotzki. Am 5. März 1918 beendete das Abkommen von Brest-Litowsk den Krieg mit Deutschland.
Attentat
Am 30. August 1918 wurde Lenin bei einem Attentat durch zwei Schüsse verletzt. Die Projektile trafen ihn in der Schulter und im Hals. Die Kugel im Hals konnte nie entfernt werden. Als Attentäterin verhaftete man kurz darauf Fanny Kaplan, eine Anhängerin der Sozialrevolutionäre. Einige westliche Historiker hegen jedoch Zweifel an der Täterschaft Kaplans. Von den Folgen des Attentats erholte sich Lenin Zeit seines Lebens nicht mehr.
1918 bis 1922
Lenin war trotz vieler offen ausgetragener Meinungsunterschiede die unumstrittene Führungspersönlichkeit der Regierung und wurde als die höchste Autorität der 1919 entstehenden dritten „Kommunistischen Internationale“ (Komintern) angesehen.
Bereits kurz nach der Oktoberrevolution versuchte Lenin die russische Wirtschaft per Dekret in eine zentrale Planwirtschaft umzuwandeln. Als erstes wurden bis Anfang 1918 die Banken verstaatlicht. Gemäß des Parteiprogramms der Bolschewiki sollte das Geld als Zahlungsmittel komplett abgeschafft werden. Da das Geld nicht per Dekret abgeschafft werden konnte, ließ die Regierung durch zusätzliches Gelddrucken bis 1922 eine Hyperinflation herbeiführen, die alle umlaufenden Geldmittel entwertete. Lenin beauftragte 1918 den Journalisten Jurij Larin damit, eine zentrale Planungsinstanz für die Verstaatlichung der Industrie zu schaffen. Hieraus ging der Oberste Wirtschaftsrat hervor, der die Enteignung der privaten Unternehmen umsetzte, deren Eigentümer in der Regel ihre Betriebe entschädigunglos abtreten mussten. Das Firmenvermögen wurde vom Staat eingezogen.
Gegen die bolschewistische Regierung formierte sich in vielen Landesteilen Widerstand. Um ihre Macht zu sichern und den Widerstand zu brechen, setzte die Regierung die vom Volkskommissar für Kriegswesen Leo Trotzki im Jahre 1918 gegründete Rote Armee ein. So entwickelte sich ein Bürgerkrieg, in den sich die USA, Großbritannien und zahlreiche andere Staaten durch die Unterstützung der weißen Truppen einmischten. Dieser Bürgerkrieg war durch große militärische Härte geprägt und dauerte bis zur Niederlage der weißen Truppen Ende 1921 an. Für die Bolschewiki war es zudem ein Grund, in den eigenen Reihen gegen potentielle Kollaborateure vorzugehen, speziell nach dem Anschlag von Kaplan auf Lenin.
Im Sommer 1920 unternahm Lenin nach innerparteilichen Auseinandersetzungen den Versuch, den Kommunismus im Ausland zu etablieren. Nachdem im April polnische Einheiten und ukrainische Nationalisten vergeblich versucht hatten die Ukraine zu besetzen und aus dem sowjet. Staatenbund zu lösen, ließ die Partei die Rote Armee in Polen einmarschieren (Polnisch-Sowjetischer Krieg). Die Hoffnung auf eine einsetzende Revolution dort erfüllten sich indes nicht. Die Polen kämpften, unabhängig von ihrer Klassenzugehörigkeit, gegen den russischen Einmarsch. Die Rote Armee wurde von polnischen Truppen unter Marschall Pilsudski mit französischer Unterstützung vernichtend geschlagen.
Auf dem 8. Gesamtrussischen Sowjetkongress, der vom 22. - 29. Dezember 1920 stattfand, gab Lenin die berühmte Losung aus: Kommunismus - das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes. (Werke, Bd. 31, S. 513). Damit wollte er erreichen, dass Russland von einem kleinbäuerlich geprägten Land zu einer großindustriellen Macht wird.
Aufgrund des Bürgerkrieges kam es zu einer Versorgungskrise. Einen Anteil an dieser Krise hatte teilweise auch die Agrarpolitik der Bolschewiki. Für sie als Marxisten gehörten die selbstständigen Bauern zur kleinbürgerlichen Klasse und waren somit ein zu überwindendes Subjekt. Im Zuge der Zentralisierung der Landwirtschaft sollten die Bauern ihre Erträge zu niedrigen Festpreisen an die staatlichen Behörden abgeben. Als die Bauern dies verweigerten, ließ Lenin die Erträge durch bewaffnete Kommandos aus den Städten einsammeln. Dieser Konflikt wurde ebenfalls mit großer Härte ausgetragen und forderte zahlreiche Menschenleben. Die Bauern reagierten auf die Zwangsmaßnahmen mit der Verkleinerung der Anbauflächen, was wiederum zu noch geringeren Erträgen und vor allem in den Städten zu Hungersnöten führte. Verschärft wurde die Ernährungslage noch durch den andauernden Bürgerkrieg. Aufgrund der schlechten Versorgungslage kam es zum Aufstand der (teilweise anarchistischen) Matrosen von Kronstadt („Für Sowjets ohne Kommunisten!“). Der politische Zündstoff der Zwangrequirierungen ist vor dem Hintergrund zu betrachten, dass derlei Maßnahmen auch durch die antirevolutionären Weißgardisten durchgeführt wurden und die Bevölkerung somit an zwei Seiten abgeben musste. Unter den Bolschewiki kam es zur Einrichtung von Zwangs-Arbeitslagern für vorgebliche oder echte Regimegegner, die sein Nachfolger Stalin ausweitete, auch als Gulag bezeichnet.
Zudem benutzten die Bolschewiki die durch den Bürgerkrieg und die Agrarpolitik entstandene Hungersnot dazu, gegen die russisch-orthodoxe Kirche vorzugehen. Unter dem Vorwand die Wertgegenstände zur Linderung der Not einzusetzen, wurde im Februar 1922 ein Dekret erlassen, welches die Beschlagnahme des kirchlichen Inventars regelte. Die Erlöse daraus kamen aber nicht den Hungernden zu Gute, sondern allein dem Staatshaushalt. Bereits im Januar 1918 hatten die Bolschewiken per Dekret die Trennung von Staat und Kirche durchgesetzt und den Religionsunterricht aus der Schule verbannt.
NÖP und Gründung der UdSSR
Um die Versorgungslage nach dem gewonnenen Bürgerkrieg zu verbessern, wurde 1921 die „Neue Ökonomische Politik“ eingeführt, welche die Zwangsrequirierungen stoppte und den Bauern kleinkapitalistischen Handel erlaubte - laut Lenin ein „taktischer Schritt zurück“.
Im Mai 1922 erlitt Lenin seinen ersten Schlaganfall, im Dezember des selben Jahres den zweiten. Daraufhin wurde Lenin vom Politbüro von der Außenwelt abgeschirmt, um seine Genesung zu begünstigen. Am 30. Dezember 1922 wurde die UdSSR gegründet. Im März 1923 traf Lenin sein dritter Schlaganfall, er verstarb am 21. Januar 1924 gegen 4:23 Uhr im Alter von 53 Jahren. Die genaue Todesursache blieb der Öffentlichkeit jahrzehntelang verborgen. Während die von der KPdSU „kanonisierte“ Biographie sowie das auch im Westen allgemein anerkannte Werk Dmitri Wolkogonows von massiven Durchblutungsstörungen oder von einem weiteren Schlaganfall sprechen, vermuten andere Quellen einen letalen Status epilepticus infolge einer fortschreitenden Syphilis-Erkrankung (Neurolues). Nach Lenins Tod entbrannte ein Machtkampf in der KPdSU zwischen Anhängern des Lagers um Josef Stalin und der Linken Opposition um Leo Trotzki.
Politisches Testament und die letzten Ideen
In einem als politisches Testament angesehenen Brief an den Parteitag der KPdSU, den er zwischen Dezember 1922 und Januar 1923 diktierte, hatte er deutliche Kritik an seinen potentiellen Nachfolgern geübt. Zu Stalin heißt es:
- Gen. Stalin hat, nachdem er Generalsekretär geworden ist, eine unermessliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt, dass er es immer verstehen wird, von dieser Macht vorsichtig genug Gebrauch zu machen. [...] Stalin ist zu grob, und dieser Mangel, der in unserer Mitte und im Verkehr zwischen uns Kommunisten durchaus erträglich ist, kann in der Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet werden. [...] Deshalb schlage ich den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen könnte, und jemand anderen an diese Stelle zu setzen, der sich in jeder Hinsicht von Gen. Stalin nur durch einen Vorzug unterscheidet, nämlich dadurch, dass er toleranter, loyaler, höflicher und den Genossen gegenüber aufmerksamer, weniger launenhaft usw. ist.
Über Trotzki urteilte Lenin: Persönlich ist er wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK, aber auch ein Mensch, der ein Übermaß von Selbstbewusstsein und eine übermäßige Vorliebe für rein administrative Maßnahmen hat. (Werke, Band 36, S. 579 f.)
Lenins Wirken in der Kritik
Lenin hat in knapp 7 Jahren das große Experiment des Kommunismus in Russland mit Revolution, Rotem Terror und Staatsgründung eingeleitet, das von Stalin teilweise weitergeführt wurde. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Lenin jemals die Opfer des Roten Terrors bedauerte. [2] Wichtig hierzu ist allerdings zu erwähnen, dass Lenin in seinem Testament die Ablösung Stalins forderte und Leo Trotzki als seinen Nachfolger deklarierte, was diesem Stalins dauerhafte Feindschaft eintrug. Auch die Säuberungswellen der 1930er Jahre zeigen, dass Stalin eindeutig mit Lenin brach, indem er die gesamte revolutionäre Garde von 1917 wie z.B. Bucharin, Kamenew und Sinowjew demütigen und hinrichten ließ.
Dennoch können Leninismus und Stalinismus einander nicht ohneweiters gleichgesetzt werden. Unter Stalin wurden kommunistische Regierungen in vielen Ländern Osteuropas und der DDR eingeführt. Auch mehrere Staaten in Asien, Afrika und Mittelamerika schlossen sich den Ideen des Marxismus-Leninismus per Revolution, zumindest zeitweise, an. Hiermit wurde das Ziel der Weltrevolution in Schritten zumindest teilweise erreicht. In der Sowjetunion forderte unter Lenins Führung der gewaltsame Umsturz, die Errichtung der kommunistischen Ordnung und die Erhaltung des Systems nach Studien verschiedener Historiker einige Millionen Opfer unter der Zivilbevölkerung. Voslensky nennt mindestens 13 Millionen [3]. Wenngleich Lenin von seinen Anhängern überwiegend große Verehrung zuteil wird, reihen ihn eine Zahl Historiker unter die großen kommunistischen Staatsverbrecher des letzten Jahrhunderts ein, zusammen mit Stalin, Mao, Pol Pot und anderen. Gunnar Heinsohn macht Lenin für vier Millionen Opfer verantwortlich. Die Opfer der Enteignungspolitik und der dadurch verschärften Hungersnöte von 1920/21 sind darin noch nicht enthalten und liegen bei neun Millionen.[4]
Mausoleum in Moskau
Lenin wurde auf Anweisung Stalins nicht beerdigt, sondern liegt bis heute in einem Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau. Sein Leichnam ist präpariert worden und im Lenin-Mausoleum der Öffentlichkeit zugänglich. Heute noch stehen regelmäßig lange Schlangen von Menschen vor dem Mausoleum, um Lenin zu betrachten. Sein Gehirn wurde von Forschern untersucht, da man meinte, dass Lenin ein besonderes Genie gewesen sei und etwaige Anzeichen dafür sich an oder in seinem Gehirn finden lassen könnten. Im Juni/Juli 1941 wurde Lenins Mumie mit einem Sonderzug in einer Geheimaktion nach Tjumen ausgelagert. Der Wachwechsel an dem leeren Moskauer Mausoleum wurde unverändert weiter durchgeführt, der sogenannte Wachposten Nr. 1 existierte bis zum Frühjahr 1945 zweimal, in Tjumen und in Moskau. Das Mausoleum in Moskau wurde in dieser Zeit für Besucher gesperrt. Lenin wurde zunächst in Uniform einbalsamiert, später hat man ihm jedoch einen Anzug angezogen. Wegen aggressiver Chemikalien muss der Anzug etwa alle zehn Jahre ausgetauscht werden.
Schriften
- Was sind die "Volksfreunde" und Wie kämpfen sie gegen die Sozialdemokraten? (Antwort auf die gegen die Marxisten gerichteten Artikel des "Russkoje Bogatstwo"), Frühjahr- Sommer 1894
- Der ökonomische Inhalt der Volkstümlerrichtung und die Kritik an ihr in dem Buch des Herrn Struve (Die Widerspiegelung des Marxismus in der bürgerlichen Literatur) Zu dem Buch von P. Struve: Kritische Bemerkung zur ökonomischen Entwicklung Russlands von 1894, Ende 1894 - Anfang 1895
- Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung, März 1902 (Kaderpartei als Avantgarde der Arbeiterbewegung, Demokratischer Zentralismus)
- Die Aufgaben der revolutionären Jugend, veröffentlich in der Zeitung Student Nr. 2/3, September 1903
- Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück, 1904
- Marxismus und Revisionismus, geschrieben nicht nach dem 3.(16.) April 1908
- Materialismus und Empiriokritizismus. Kritische Bemerkungen über eine reaktionäre Philosophie, 1909
- Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus, März 1913
- Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Januar- Februar 1916
- Über die Junius-Broschüre, Oktober 1916
- Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus, Oktober 1916
- Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Mitte 1917
- Staat und Revolution, August- September 1917
- Eine der Kernfragen der Revolution, September 1917
- Der "Linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, 27. April 1920
Literatur
- Literatur von und über Lenin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- In der Datenbank RussGUS werden weit über 1000 Publikationen mit Bezug auf Lenin nachgewiesen.
- Willi Dickhut: Lenin, der geniale Führer des Proletariats, Verlag Neuer Weg Essen
- Alexander Jakowlew. Die Abgründe meines Jahrhunderts. Leipzig: Faber und Faber 2003, ISBN 3-936618-12-7.
- Zdeněk Nejedlý: Lenin, 1937–38
- Anton Pannekoek (1938), Lenin als Philosoph in: Anton Pannekoek, Paul Mattick u.a., Marxistischer Antileninismus, Freiburg: ça ira 1991, ISBN 3-924627-22-3
- Richard Pipes: Die Russische Revolution, Band 2, dt. Ausgabe Rowohlt Berlin 1992, ISBN: 3 87134 025 1
- Peter Scheibert : Lenin an der Macht, Acta humaniora Weinheim, 1984, ISBN 3527175032
Die seit 1961 im Dietz-Verlag Berlin erschienene Werkausgabe Lenins umfasst 40 Bände plus sieben Ergänzungs- und Registerbände. Daneben veröffentlichte der gleiche Verlag „Ausgewählte Werke“ in 6 Bänden.
- David Shub: Lenin. Die Geburt des Bolschewismus. Lenin-Biographie von 1947
- Hermann Weber: Lenin mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek: Rowohlt, 18. Aufl. 2004. ISBN 3-499-50168-6
- Dmitri Wolkogonow: Lenin Econ, ISBN: 34301982830
- Ilya Zbarski: Lenin und andere Leichen Klett-Cotta, Stuttgart 1999 ISBN 3-608-91960-0
- Slavoj Zizek: Die Revolution steht bevor. Dreizehn Versuche nach Lenin. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2002. ISBN 3-518-12298-3.
Filme über Lenin
- Lenin in Paris
- Lenin in Zürich
- Lenin - Dokumentarische Einzelbilder
Weblinks
Commons: Lenin – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
- Reden, Schriften, Briefe und wissenschaftliche Studien Lenins
- Deutschsprachiges Archiv mit Texten und Büchern von Lenin
- www.marxistische-bibliothek.de
- Lenin-Archiv @ vulture-bookz.de (mit zahlreichen Fotodokumenten)
- Auszug aus: Slavoj Zizek, 2002: Revolution at the Gates. Selected Writings of Lenin from 1917. London/NewYork
- Franz M. Wimmer, Marxistisch-leninistische Philosophiehistorie
- Slavoj Zizek, Repeating Lenin (Siehe auch: Slavoj Žižek, Jacques Lacan)
- The enigma of Lenin’s malady. European Journal of Neurology, Vol 11, Issue 6: 371-376 (Artikel zur fraglichen Syphilis-Erkrankung und zu Lenins Tod)
- Lenins so genanntes Testament (Brief an den Parteitag, diktiert von Dezember 1922 bis Januar 1923)
- Leo Trotzki: Der junge Lenin (Zeittafel)
Einzelnachweise
- ↑ Günter Kruse: Die Sankt Petersburger Familie Grosschopff und ihre deutschbaltischen Angehörigen und Verwandten. In: Ostdeutsche Familienkunde. Band 57 Heft 1/2004 S. 1-32
- ↑ Wolkogonow, Lenin; Martin Amis, Koba the Dread. Laughter and the Twenty Million, 2002
- ↑ Michael Voslensky Sterbliche Götter, Ullstein 1991, ISBN 3548348076
- ↑ Gunnar Heinsohn Lexikon der Völkermorde, Rowohlt rororo, 1998, ISBN 3499223384
Dieser Artikel als Audiodatei: Speichern | Anhören | Informationen | |
Mehr Informationen zur Gesprochenen Wikipedia |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Lenin |
ALTERNATIVNAMEN | Uljanow, Wladimir Iljitsch, Владимир Ильич Ульянов (Ленин) (russisch),Vladimir Ilyich Ulyanov (Lenin) (englisch) |
KURZBESCHREIBUNG | Russischer Politiker, Kopf der Oktoberrevolution |
GEBURTSDATUM | 22. April 1870 |
GEBURTSORT | Simbirsk |
STERBEDATUM | 21. Januar 1924 |
STERBEORT | Gorki bei Moskau |