Rothirsch
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Rothirsch | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Cervus elaphus | ||||||||||||
Linnaeus, 1758 |
Der Rothirsch (Cervus elaphus) ist ein in Eurasien und Nordamerika weit verbreiteter Hirsch. Er ist wahrscheinlich der bekannteste Vertreter der Familie. Als Wapitis werden die nordamerikanischen und die nordostasiatischen Unterarten des Rothirsches bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis |
Merkmale
Der Rothirsch erreicht je nach Unterart eine Kopfrumpflänge von 1,6-2,6 Metern, eine Schulterhöhe von 0,75-1,50 Metern und ein Gewicht von 75-340 Kilogramm. Der Schwanz ist 10-27 Zentimeter lang. Die Unterarten aus Nordamerika und Nordostasien sind in der Regel deutlich größer als die westlichen Formen. Auch sind die Männchen stets größer als die weiblichen Tiere. Der Rothirsch ist schlank, doch kräftig gebaut, mit breiter Brust, ziemlich langem schlanken Hals und nach vorn stark verschmälerten Kopf. Er hat mittelgroße Augen, zugespitzte Ohren von halber Kopflänge und hohe schlanke Füße (Läufe). Die Afterklauen berühren bei normaler Fortbewegung den Boden nicht.
Die Voraugendrüsen (Tränengruben) sondern ein bräunliches Sekret ab, welches die Tiere durch Reiben an Bäumen oder Sträuchern zur Markierung abstreifen. Das nur von den männlichen Tieren entwickelte Geweih sitzt auf einem kurzen sogenannten Rosenstock. Das Geweih wird jährlich etwa im Februar bis April abgeworfen, eine Neubildung setzt kurzzeitig danach wieder ein und ist in 120 Tagen abgeschlossen.
Der Schwanz ist zur Spitze hin verschmälert, das Haar verlängert sich am Vorderhals bei Männchen oft auf bis zu 15 Zentimeter und bildet eine Halsmähne; auf der Oberlippe und über den Augen stehen dünne, lange Borsten.
Die Färbung variiert stark nach Jahreszeit, Geschlecht und Alter: im Winter braungrau, im Sommer mehr rötlichbraun, um die Schwanzgegend ein hell braungelblicher Spiegel. Der Fellwechsel bei Rothirschen geschieht (wie bei vielen Säugetieren in kühleren Regionen im allgemeinen) zweimal im Jahr. Das Fell (auch Haarkleid genannt) bekommt beim Übergang zum Winter, ein dichteres Unterhaar, welches der Hirsch zum Sommer hin wieder abwirft. Das Wachstum des Sommerfells (Sommerdecke) setzt bei Hirschen im Mai bis Juni ein. Es hat einen für den Rothirsch charakteristischen rot-braunen Haselnusston. Im Semptember bis Oktober wechselt es dann zu einem grau-gelben bis grau-braunen Winterfell (Winterdecke). Es ist nun struppiger und besitzt das dichtere Unterhaar, was den Hirsch vor der Kälte schützt. Bei älteren Hirschen kann der Fellwechsel auch schon im August einsetzen.
Weiße Tiere kommen in freier Wildbahn nur selten vor, und ebenso selten sind solche, die von der Stirn bis zum Maul einen weißlichen Streifen sowie hellere Beine haben (in der Jägersprache Blesswild genannt). Letztere werden mitunter in Parks gehalten.
Verbreitung
Der Rothirsch bewohnt Eurasien von der Iberischen Halbinsel bis in die Mandschurei, außerdem kommt er natürlicherweise im Süden Kanadas sowie in weiten Teilen der USA vor. Durch den Menschen wurden Rothirsche auch in Länder eingeführt, in denen sie ursprünglich nicht heimisch waren, so in Argentinien, Australien und Neuseeland.
In Europa dringt er im Norden bis zum 65. und Asien bis zum 55. nördlichen Breitengrad vor. Die Südgrenze reicht von Nordafrika über Kleinasien, den Kaukasus, Vorderasien, Kaschmir und Teile des Himalaya bis China. Näheres zur Verbreitung findet sich im Abschnitt Unterarten.
Lebensraum
Rothirsche bevorzugen Lebensräume mit einer engen Verzahnung aus strukturreichen Wäldern, Dickungen, Lichtungen und Feldern, wie sie der Mensch durch Land-und Forstwirtschaft künstlich geschaffen hat. Sie können aber auch in urwaldartigen geschlossenen nahrungsarmen Waldgebieten oder nahezu baumfreier Landschaft gut überleben (Schottland). Da der Rothirsch in den kalten Hochlagen der Alpen, in den feuchten Flussauen Südosteuropas und in den flimmernd heißen und trockenen Verebnungen Spaniens lebt, kann er, was seine Lebensraumansprüche betrifft als ausgesprochen anspruchslose Art gelten. Beleg dafür ist auch die nach den Rind-und Schweinefleischskandalen der letzten Jahre bei Landwirten in Mode gekommene kommerzielle Rotwildzucht bei der sich, entsprechende Fütterung vorausgesetzt, in wenige Hektar großen Gattern problemlos mehrere Hundert Stück Rotwild halten lassen. Verbreitung und Bestandesdichte des Rothirsches werden in Mitteleuropa heute ausschließlich durch den jagenden und fütternden Menschen bestimmt. Bei einem Gesamtabschuss von etwa 50.000 Stück pro Jahr und einer abschöpfbaren Zuwachsrate von 34 Prozent lässt sich für Deutschland ein Gesamtbestand von mindestens 150.000 Stück Rotwild in freier Wildbahn hochrechnen.
Lebensweise
Die Weibchen leben in größeren oder kleineren Rudeln, die einem meist älteren, aber noch gebärfähigen Tier folgen. Oft schließen sich diesen Rudeln schwächere und jüngere Männchen an. Diese Rudel sind größtenteils standorttreu, die einzige Ausnahme kann starke Beunruhigung sein, die die Rudel veranlasst, weiter zu ziehen. In der der Brunft vorausgehenden Zeit leben die meisten Hirsche in großen Rudeln zusammen, ältere Hirsche ziehen oft mit einem jüngeren Hirsch einzelgängerisch. Hirsche halten in dieser Zeit meist an ihrem Standort fest.
Nahrung
Anders als das Rehwild (Konzentratselektierer), ist das Rotwild nicht auf hochwertige Nahrung angewiesen und wird daher als Nahrungsgeneralist (Intermediärtyp) bezeichnet. Der im Verhältnis zur Körpergröße relativ große Pansen ermöglicht es ihm, auch zellulosereiche und nährstoffarme Baumrinde und Gras, etc. zu verdauen. Gras, Kräuter, Feldfrüchte aller Art, Rüben, Kartoffeln, die mit den Beinen ausgegraben werden, Eicheln, Bucheckern, Kastanien, wildes Obst, verschiedene Pilze, Rinde von 10-40jährigen Bäumen (Schälung), Moos, Flechten, Heidekraut, Knospen und junge Zweige von Bäumen und Sträuchern bilden die Nahrung. Im Winterhalbjahr wird Rotwild vielerorts intensiv mit Heu, Silage, Zuckerrüben, Trester, Kraftfutter und Brot etc. gefüttert. Ob dies tatsächlich Schälung und Verbissschäden an Waldbäumen verhindert oder zumindest vermindert, ist höchst umstritten.
Fortpflanzung
Die Paarungszeit beginnt Anfang September und dauert fünf bis sechs Wochen. Schon gegen Ende August suchen die männlichen Hirsche die Rudel der Weibchen auf, dabei können große Strecken zurückgelegt werden. Ein Hirsch der ein Rudel begleitet wird Platzhirsch genannt, er duldet keine anderen Hirsche in der Nähe des Rudels. Es kommt zu Kämpfen um das Rudel und damit die Möglichkeit zur Begattung. Kann der Platzhirsch einen Rivalen nicht mit Drohgebärden vertreiben, gehen die Tiere mit gesenktem Geweih aufeinander los. Meist ist ein Kampf innerhalb einer Minute entschieden und der Unterlegene flüchtet. Es kann aber auch vorkommen, dass die Kontrahenten über Stunden immer wieder gegeneinander anrennen. Dabei kann es zu Verletzungen wie abgebrochene Geweihstangen aber auch Fleischwunden kommen. Kämpfe mit tödlichem Ausgang sind allerdings sehr selten.
Die Tragzeit beträgt zwischen 230 (Europa) und 260 (Nordamerika) Tagen, Setzzeit ist im Europa Mitte Mai bis Anfang Juni. Das einzige Kalb (Zwillinge sind sehr selten und überleben meistens nicht) wiegt bei der Geburt etwa 15 Kilogramm und ist zunächst gefleckt. Diese Flecken verschwinden nach etwa drei Monaten. Ein halbes Jahr wird das Kalb vom Muttertier gesäugt. Die durchschnittliche Vermehrungsrate von 34 Prozent jährlich ermöglicht bei entsprechender jagdlicher Zurückhaltung und intensiver Winterfütterung innerhalb von 12 Jahren (Mindestjagdpachtdauer für Hochwildreviere in Deutschland) rechnerisch annähernd eine Verfünfundzwanzigfachung (25) einer Rotwildpopulation.
Die Lebensdauer beträgt in Gefangenschaft 25 Jahre, in der Wildnis aber sterben Rothirsche meistens vor dem fünfzehnten Lebensjahr. Vor allem die Männchen haben eine hohe Sterblichkeit wegen der Heftigkeit ihrer Kämpfe und wegen intensiver Bejagung.
Unterarten
Man unterscheidet eine große Zahl von Unterarten, die sich in drei Gruppen einteilen lassen: die Gruppe der westlichen Rothirsche, die der Hangule und die der Wapitis und sibirischen Marale.
Westliche Rothirsche
Zu dieser Unterartengruppe gehören die europäischen Rothirsche, sowie die Rothirsche Nordafrikas und Kleinasiens.
- Europäischer Rothirsch Cervus elaphus elaphus. Europa, während die Unterart in Deutschland, Österreich und großen Teilen Osteuropa recht häufig ist, sind die Bestände in den Mittelmeerländern stark zurückgegangen. In Großbritannien sind Rothirsche zwar recht häufig, hier hat aber die Einführung von nordamerikanischen Wapitis und japanischen Sikahirschen zu einer Vermischung geführt, so dass es dort kaum noch reine europäische Rothirsche gibt. Insgesamt zählt die Population dieser Unterart etwa eine Million Tiere.
- Korsischer oder Tyrrhenischer Rothirsch (Cervus elaphus corsicanus): Korsika und Sardinien. Es ist allerdings nicht geklärt, ob dies tatsächlich eine natürlich entstandene Unterart ist oder von schon in der Antike eingeführten Rothirschen des Festlands abstammt. Auf Sardinien leben noch etwa 200 Tiere, die durch Habitatzerstörung und Jagd bedroht sind. Auf Korsika war diese Unterart ganz ausgestorben, inzwischen wurden allerdings Hirsche von Sardinien aus eingeführt. Die IUCN führt die Unterart als bedroht.
- Berberhirsch (Cervus elaphus barbarus): Nordafrika, schon zu römischen Zeiten bejagt, waren zuletzt nur noch versprengte Tiere im Atlas übrig. In letzter Zeit haben sich die Bestände in Algerien, Marokko und Tunesien wieder auf 5000 vergrößert, so dass die IUCN den Berberhirsch jetzt als nicht gefährdet ("lower risk") führt.
- Kaukasushirsch oder Kaukasusmaral (Cervus elaphus maral) lebt im Kaukasus sowie in Anatolien und südlich des Kaspischen Meeres.
Hangule
Sechs Unterarten, auch Hangule genannt, leben in Zentral- und Ostasien. Dies sind:
- Bucharahirsch (Cervus elaphus bactrianus): Afghanistan, Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan; gefährdet.
- Kaschmirhirsch oder Echter Hangul (Cervus elaphus hanglu): Kaschmir; bedroht; nur etwa 500 Tiere sind übrig.
- Tibetischer Rothirsch oder Shou (Cervus elaphus wallichi): Himalaya (südliches Tibet und Bhutan); bereits für ausgestorben gehalten, aber 1988 wieder entdeckt.
- Jarkandhirsch (Cervus elaphus yarkandensis): Xinjiang; war ebenfalls bereits für ausgestorben erklärt, inzwischen weiß man aber um etwa 5.000 lebende Tiere im Tarimbecken.
- MacNeill-Hirsch Cervus elaphus macneilli: Im östlichen Tibet, sowie in der Qinghai-Provinz
- Gansuhirsch (Cervus elaphus kansuensis): In den chinesischen Regionen Gansu, Sichuan, Ningxia und Shaanxi.
Sibirische Marale und Wapitis
Als Wapitis werden die Unterarten des Rothirsches in Nordamerika und einige in Nordost-Asien bezeichnet. Sie werden in einem eigenen Artikel beschrieben.
- Östlicher Wapiti (Cervus elaphus canadensis): Ausgestorben.
- Merriam-Wapiti (Cervus elaphus merriami): Ausgestorben.
- Rocky-Mountain-Wapiti (Cervus elaphus nelsoni): Nordwestliche USA, Kanada.
- Olympic-Wapiti (Cervus elaphus roosevelti): Kalifornien, Oregon, Washington, British Columbia.
- Manitoba-Wapiti (Cervus elaphus manatobensis): Manitoba, Saskatchewan, Süddakota.
- Tule-Wapiti (Cervus elaphus nannodes): Zentralkalifornien.
- Altai-Maral oder Altai-Wapiti (Cervus elaphus sibiricus): Altai- und Sajangebirge, die nordwestliche Mongolei sowie das Baikalgebiet.
- Tien-Shan-Maral oder Tien-Shan-Wapiti (Cervus elaphus songaricus): Tienschan- und Alatau-Gebiet
- Isubrahirsch (Cervus elaphus xantopygus): Amurregion, Ostmongolei, Nordkorea und Nordchina
Literatur
- Egon Wagenknecht: Der Rothirsch. Westarp 1996, ISBN 3-89432500-3
- ders.: Rotwild. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. Nimrod, Suderburg 2000, ISBN 3-927848-24-7
- Ferdinand von Raesfeld: Das Rotwild. Paul Parey, Hamburg und Berlin, 8. Auflage, 1978, ISBN 3-440-08724-7
- Robert & Angelika Riemelmoser: Dam- & Rotwild im Gehege - Anlage, Haltung, Vermarktung. Leopold Stocker Verlag 2006, ISBN 3-7020-1118-8
Weblinks
Commons: Rothirsch – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Seiten der Deutschen Wildtier Stiftung zum Rothirsch
- Seiten der Deutschen Wildtier Stiftung
- Cervus elaphus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: Deer Specialist Group, 1996. Version vom 12. Mai 2006
Kategorien: Wild | Paarhufer | Jagd | Waldschutz