Sammelklage
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Eine Sammelklage ist eine Klage, bei der eine Vielzahl von Klägern gegen einen oder mehrere Beklagte klagen. Die Sammel- oder auch Gruppenklage ist in den USA verbreitet und heißt dort class action Verfahren (Rule 23 der Federal Rules of Civil Procedure, Title 28 United States Code Appendix Rule 23). In Deutschland gibt es sie nicht (siehe unten).
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[Bearbeiten] Class Action
Das Besondere ist, dass bei einer Class Action Rechts- und Tatsachenfragen, die für eine Vielzahl von Geschädigten von Bedeutung sein können, insgesamt und für alle einheitlich geklärt werden können. Der Einzelne ist also nicht mehr auf den (vollständigen) Nachweis seiner individuellen Betroffenheit angewiesen, sondern muss nur nachweisen, dass er zu der betroffenen Gruppe (Class) gehört.
Die Rechts- und Tatfragen werden bindend für alle Gruppenmitglieder geklärt, selbst wenn sie nicht am Prozess beteiligt waren. Im Extremfall müssen sie nicht einmal Kenntnis vom Prozess gehabt haben. (Allerdings erlaubt das US-Recht den Austritt von Betroffenen aus der Gruppe für diesen Prozess, sodass die Ausgetretenen unabhängig vom Prozess vorgehen können (sogenanntes Opting Out). Häufig enden Sammelklagen mit einem Vergleich, da insbesondere in den USA das Risiko eines negativen Prozessausganges für die Betroffenen kaum vorhersagbar und finanziell gravierend ist.
[Bearbeiten] Beispiele
Beispiele für Sammelklagen sind u.a.: Die Klage der NS-Zwangsarbeiter, mehrere Klagen gegen Microsoft wegen der Verknüpfung von MS Office mit dem Internet Explorer, die Klage der US-Musikindustrie gegen Bertelsmann wegen der Urheberrechtsverletzungen durch Napster und die Klage der Opfer des Flugzeugabsturzes von Lockerbie gegen Libyen. Von großer Bedeutung sind daneben Wertpapier-Sammelklagen (securities class actions) von Anlegern gegen Beteiligungsunternehmen, ihre Führungskräfte und Berater wegen Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Vorschriften (siehe z.B. die Fälle Worldcom und Enron).
[Bearbeiten] Situation in Deutschland
In Deutschland sind Sammelklagen in der Form der Class action nicht zulässig. Zum anderen ist dem deutschen Recht eine Gruppenbetroffenheit fremd. Jeder Kläger muss seine individuelle Betroffenheit, seinen individuellen Schaden und die Kausalität zwischen beidem darlegen und nachweisen.
Gemeinsame Prozessführung gibt es in Deutschland daher nur bei der so genannten Streitgenossenschaft, wenn die Kläger hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus dem selben tatsächlichen oder rechtlichen Grund berechtigt sind. Dies sind sie im typischen Fall der Class action nicht, da jeder wegen der ihm individuell zugefügten Schäden berechtigt ist, also nicht aus dem selben Grund.
Eine andere Möglichkeit ist die Prozessverbindung nach § 147 ZPO. Dabei kann der Richter mehrere getrennte Prozesse zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden, wenn es in allen Prozessen um dieselben Rechts- und Tatfragen geht.
Ähnlich der Sammelklage ist im deutschen Recht die Verbandsklage. Diese gibt Verbänden in bestimmten Ausnahmefällen das Recht, eine Rechtsverletzung für mehrere oder die Allgemeinheit geltend zu machen. Die Verbandsklage hat im Umweltrecht eine gewisse Bedeutung.
Sammelklagen können aber auch von Deutschen für Ereignisse in Deutschland in den USA erhoben werden, wenn der Sachverhalt Bezug zu den USA aufweist. So z.B. im Fall Eschede, der zugelassen war, weil mehrere Geschädigte aus den USA kamen und die Bahnkarten in den USA gekauft haben. Im Falle einer Sammelklage der Überlebenden des Hereroaufstandes in Namibia wurde hingegen der Bezug zu den USA abgelehnt, das Gericht hat die Klage nicht zugestellt.
Mit Sammelklagen kann die deutsche Justiz insofern befasst werden, als es darum geht, ob eine in den USA erhobene Klage gegen eine in Deutschland ansässige Partei in Deutschland im Wege der zwischenstaatlichen Rechtshilfe nach dem "Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handessachen (HZÜ)" zugestellt wird. Nach Art 13 Abs. 1 HZÜ kann ein Zustellungsersuchen abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat die Zustellung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Wird die Zustellung durch die zuständige Justizbehörde angeordnet, kann gegen diesen Justizverwaltungsakt der Rechtsweg nach § 23 EGGVG beschritten werden. Mit der Frage, ob eine Sammelklage, insbesondere wenn sie mit einem, dem deutschen Recht fremden Strafschadensersatz (punitive or exemplary damages) verbunden ist, in Deutschland zugestellt werden darf, hat sich das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 25. Juli 2003 - 2 BvR 1198/03 - befasst. Dabei wurde die Zustellung im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren untersagt. Zu einer Entscheidung in der Hauptsache wird es nicht mehr kommen, da die Verfassungsbeschwerde zurückgenommen wurde.
[Bearbeiten] Vor- und Nachteile
Als ein Vorteil der Sammelklage wird die Erleichterung der Beweislast angesehen, die bei komplizierten Sachverhalten nicht vom einzelnen zu tragen ist, zum anderen soll sie eine Verfahrensbeschleunigung und somit größere Rechtssicherheit bewirken. Zum Teil wird auch angeführt, dass erst die Sammelklage bestimmte Rechtsstreitigkeiten, bei denen es für den Einzelnen nicht um hohe Geldbeträge geht, für Rechtsanwälte interessant macht, so dass diese und auch die Gerichte sich intensiver mit den Sachen auseinander setzen können.
Gegen die Sammelklage wird vorgebracht, dass sie das Recht des Einzelnen zu stark einschränkt und das individuelle Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Darüber hinaus kann von Sammelklagen, insbesondere auch durch entsprechenden Medienrummel und exorbitant hohe Forderungen ein starker Druck gegenüber dem Beklagten ausgehen, sich mit der Class zu vergleichen (Class Action Settlement). Insbesondere darin sieht das Bundesverfassungsgericht einen möglichen Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Art. 13 HZÜ. Dass ansonsten Schadensersatzklagen (auch mit Strafschadensersatzforderungen) zugestellt werden können und offensichtlich keinen Verstoß gegen deutsche Grundrechte (und insbesondere den ordre public) darstellen, hat das Bundesverfassungsgericht am 24. Januar 2007, 2 BvR 1133/04 [1] festgehalten.
[Bearbeiten] Weblinks
Liste kürzlich abgeschlossener Securities Class Action-Verfahren, Kanzlei SBTK
Die Top50 der US Securities Class Action Law Firms, Anbieter ISS
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