Scham- und Schuldkultur
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Die Begriffe Schamkultur, die dem Nahen und Fernen Osten zugeschrieben wird, und Schuldkultur, die dem westlichen Abendland zugeschrieben wird, wurden im Jahr 1951 von dem Oxforder Altphilologen Eric Robertson Dodds als Gegensätze eingeführt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Schamkultur
In einer Schamkultur muss sich der Geschädigte selber um Wiedergutmachung kümmern - Scham hat zu empfinden, wem Unrecht zugefügt wurde.
In einer schamorientierten Kultur gilt nicht ein ruhiges Gewissen, sondern die öffentliche Wertschätzung als höchstes Gut, demzufolge sind Vergehen, die niemand bemerkt, kein Grund sich zu schämen. Bereits im China des 13. Jahrhunderts soll laut dem Asienreisenden Marco Polo eine öffentlichen Beleidigung den Betroffenen dazu gebracht haben, sich der Scham wegen vor dem Haus seines Gegners zu erhängen. Damit wolle er seine Verachtung diesem gegenüber ausdrücken und seinen eigenen Gesichtsverlust in der Gesellschaft verhindern. Im Jenseits würde ihm Gerechtigkeit widerfahren.
[Bearbeiten] Beispiel
Japanische Eltern erziehen ihre Kinder dahingehend, Auffallen zu vermeiden. Wer auffällt, isoliert sich. Die Ermahnung lautet deshalb oft: „Tu das nicht, sonst lachen dich die anderen aus!“
Ein Beispiel für diese Einstellung ist der Aufwand, der um einen japanischen Touristen betrieben wurde, der in Rothenburg ob der Tauber ein Graffiti hinterließ. Da er seinen Namen und seine Adresse aufgeschrieben hatte, war er von anderen japanischen Touristen leicht zu identifizieren und wurde in den japanischen Medien massiv gedrängt, sich bei Rothenburgs Bürgermeister zu entschuldigen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als auf eigene Kosten noch einmal nach Deutschland zu fliegen und sich bei dem (verwunderten) Bürgermeister zu entschuldigen.
Nach den Mechanismen von Scham-Kulturen funktionierte auch der Nationalsozialismus, wie im Forschungsprojekt Geschichte und Erinnerung durch die Analyse von Interviews mit NS-Anhängern deutlich wurde.
[Bearbeiten] Schuldkultur
In einer Schuldkultur sollte Schuld empfinden, wer Unrecht begangen hat. Das eigene Verhalten wird durch das Gewissen als moralischem Korrektiv kontrolliert, dabei ist es nicht von Belang, ob Andere das eigene Vergehen bemerkt haben oder nicht. Als höchstes Gut wird das ruhige Gewissen betrachtet.
[Bearbeiten] Scham- und Schuldkultur
nach Schirrmacher herrscht folgendes Grundprinzip:
- In der Schamkultur gilt die öffentliche Wertschätzung als höchstes Gut
- In der Schuldkultur gilt die Sorge des Menschen der Sühnung seiner Schuld
Schuld- und Schamorientierung nach Klaus W. Müller
schuldorientiert | schamorientiert | |
---|---|---|
Ausgangspunkt der Prägung | ||
Kleine Zahl von prägenden Personen, genau definiert: Eltern (Basisfamilie) | Große Zahl von prägenden Personen (Großfamilie), ungenau definiert: Eltern, Verwandte, Fremde, Geistwesen | |
Strukturbildung der Verhaltensmaßstäbe | ||
Verhaltensmaßstäbe werden von den prägenden Personen übernommen, das Gewissen bildet sich heraus | Verhaltensmaßstäbe werden von den prägenden Personen übernommen, das Gewissen bildet sich heraus | |
Manifestierung der Normenvorstellungen | ||
In sich selbst, das eigene Gewissen ist (intrinsische) Normüberwachung | Andere Personen oder Geister/Götter sind Autoritäten zur (Fremd-) Überwachung der Normen | |
Reaktion bei geplanter Normverletzung | ||
Signal des Gewissens, dass die geplante Tat eine Normverletzung darstellen wird, worauf ein Abwehrmechanismus aktiviert wird | Signal des Gewissens, dass die geplante Tat eine Normverletzung darstellen wird, worauf ein Abwehrmechanismus aktiviert wird | |
Reaktion bei tatsächlicher Normverletzung | ||
Störung des inneren Gleichgewichtes von innen heraus, es wird sofort ein Schuldgefühl erlebt, das zugleich als Bestrafung empfunden wird. Im Bewusstsein dessen wird ein Entlastungsmechanismus gestartet. | Störung des inneren Gleichgewichtes von außen im Falle, dass die Tat anderen (als nicht normativ richtig) bewusst wird, es wird sofort nach Bewusstwerden dieses externen Bewusstwerdens der Normverletzung ein Schamgefühl erlebt, das als Bestrafung empfunden wird. Das wiederum aktiviert einen Abwehrmechanismus, der sich hauptsächlich gegen die externe Wertung richtet, worauf ein Entlastungsmechanismus folgt. | |
Ergebnis der Schuld- und Schamerlebnisse | ||
Ein funktionsfähiges Gewissen (Superego) führt zum inneren Gleichgewicht zurück. | Ein funktionsfähiges Gewissen (Superego) führt zum inneren Gleichgewicht zurück. |
Schuld- und Schamorientierung, modifiziert nach Müller
[Bearbeiten] Literatur
- T. P. Schirrmacher, Kolumne: Scham- und Schuldkultur, Professorenforum – Journal 2002, Vol. 3, No. 3
- Marks, Stephan (2006). Zur Funktion von Scham und Schamabwehr im Nationalsozialismus. In: Georg Schönbächler (Hg.): Die Scham in Philosophie, Kulturanthropologie und Psychoanalyse. Zürich: Collegium Helveticum Heft 2, S. 51-56.
[Bearbeiten] Weblinks
Zeit-Essay des niederländischen Schriftstellers Leon de Winter zum Thema Schamkultur und Islamismus