SERO
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Die Abkürzung SERO stand in der DDR für das Rücknahmesystems für Altstoffe (im DDR-Sprachgebrauch - „Altstoffannahmestelle“; neudeutsch - Recyclinghof), wo die Bevölkerung „Altstoffe“ (DDR-Sprachgebrauch; neudeutsch - recycelbaren Wertstoffe) abgeben konnte. SERO war die offizielle Abkürzung für das VEB Kombinat Sekundär-Rohstofferfassung, das die Annahmestellen und die weitere Verteilung betrieb.
Die Buchstaben SERO stehen für SEkundär-ROhstoff. Im allgemeinen Sprachgebrauch war mit SERO aber nur das das System von Annahmestellen gemeint, das in der DDR ein dichtes Netz bildete - schließlich gab es nicht so viele Autos und es waren immerhin einige Lasten zu tragen. Die Sekundärrohstofferfassung erfolgte in der DDR auf der untersten Ebenen (in den sehr zahlreiche Aufkaufstellen) erstaunlicherweise oft nicht zentralisiert über einen sozialistischen Betrieb, sondern durch privat geführten Annahmestelle - von Kleinunternehmer, die relativ gut daran verdienten und oft wohlhabend waren.
Die SERO-Annahmestellen arbeiteten unter einem einheitlichen SERO-Logo.
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[Bearbeiten] Geschichte
Im Vergleich zum Erfassungssystem für recycelbare Wertstoffe in der alten Bundesrepublik hatte das DDR SERO-System einen wesentlich höheren Rückführungsgrad für diese Stoffe in den Wirtschaftskreislauf realisiert.
Das SERO-System existierte bereits seit den 1960er Jahren. Die Motive dafür waren wirtschaftlicher und politischer Natur.
[Bearbeiten] Devisenmangel
Die zentralen Planwirtschaft der DDR befand sich immer in einer mehr oder weniger angespannten finanziellen Situation. Hinzu kam besonders eine Devisenknappheit. Gegen diese Devisenknappheit wurde auf verschiedenste Weise angekämpft:
- Substitution ausländischer Rohstoffe durch einheimische Rohstoffe (z.B. 20% Apfel im Tomatenketchup) - Die Tomaten kamen zwar aus Bulgarien, aber dafür wollten die Bulgaren Industrienähmaschinen von der DDR, die dann nicht für den Export in das westliche Devisenausland zur Verfügung standen.
- Begrenzung des Benzinverbrauches für Autos, indem weniger Autos produziert werden
- Großbetriebe hatten die Anweisung jeden Auftrag aus dem westlichen Devisenausland anzunehmen, egal ob er sich wirtschaftlich rechnete, Hauptsache er brachte Devisen.
- Außenhandelsgeschäfte wurden von der DDR meist nur als Tauschhandel (Barter-Handel) akzeptiert. Als Reaktion darauf entstanden in der Bundesrepublik spezialisierte Handelsfirmen, die den Weiterverkauf dieser Tauschwaren organisierten.
- Die DDR verkaufte ihre Waren, die auf dem westlichen Markt oft nicht konkurrieren konnten, zu Schleuderpreisen in das westliche Devisenausland. Am ehesten waren noch die Konsumgüter der Leichtindustrie abzusetzen. Das führte zur Knappheit von guten Waren in den DDR-Geschäften. Die DDR-Bürger stellten dann auf der Leipziger Messe erstaunt fest, dass auch in der DDR schöne und gute Waren produziert wurden, auch wenn diese nur selten in den Geschäften auftauchten.
- Abschöpfung von Devisen aus der Bevölkerung (Genex, Intershop, später zusätzlich Forumschecks)
- Diebstahl von Devisen aus Westpaketen (durch eine Stasizweigstelle im Hauptpostamt Berlin)
- Beschaffung von Devisen durch den Bereich Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Außenhandel der DDR
- Und eben auch die Einsparung von Rohstoffimporten durch eine weitgehende Rückgewinnung („Rohstofferfassung“ - DDR-Sprachgebrauch) der eigenen Sekundärrohstoffe über die SERO-Aufkaufstellen.
[Bearbeiten] Politische Motive
Das Sammeln von Altstoffen wurde besonders in den Schulen von den Pionierorganisationen als politisches Medium und Erziehungsinstrument eingesetzt. Es stand jahrzehntelang unter dem Motto „Solidarität mit den Völkern der Welt“, „Solidarität mit Vietnam“, „Hilfe für den Wiederaufbau in Vietnam“, Hilfe für Mosambik, Angola. Es gab ständige Wettbewerbe, wer mehr Geld für Solidaritätsaktionen durch SERO-Sammlungen sammelt. In den Klassenzimmern der unteren Klassenstufen hingen Balkendiagramme, wer wieviel geammelt hatte, im Schulflug hingen Diagramme, welche Klasse wieviel gesammelt hatte. Zum wöchentlichen Pioniernachmittag war es eine beliebt und verbreitete Aktivität, mit zur Altstoffsammlung auszurücken - falls vorhanden mit Handwagen. Es wurde dann von Tür zu Tür gezogen und geklingelt - und es galt fast schon als unanständig nichts zu geben und wenn es nur eine Zeitung vom Vortag war. Manchmal hatten bereits mehrer andere Sammelkolonnen kurz vorher das Gebiet abgesammelt. Selbstverständlich sammelt das Kind auch alle Sekundärrohstoffe im Haushalt der Familie und bei den Verwandten. Geldspenden der Eltern (Solidaritätsbeitrag), um die Platzierung ihrer Kinder bei den Altstoffsammlungen zu verbessern, wurden nicht gern gesehen.
Teilweise wurden die gebündelten Zeitungen, die die Kinder von zu Hause mit in die Schule nahmen im Klassenraum gestapelt. Die Hauptmenge bei den Sammlungen machte Zeitungspapier aus. Ihre Gläser brachten die Leute oft selber zur SERO-Sammelstelle.
Da die Müllgebühren in der DDR verschwindend gering waren, fehlte dieser finanzielle Anreiz zum Sammeln der Altstoffe. Eher wirkten die Aufkaufpreise als Anreiz auf die Kinder sich ein kleines Taschengeld dazuzuverdienen.
[Bearbeiten] Umweltschutz
Argumente für den Umweltschutz spielten bei der Propagierung der Altstoffrückgewinnung in der DDR fast keine Rolle. Weder wurde von den wachsenden Müllbergen, noch von Problemen bei der Müllverbrennung gesprochen. Immer wurde der Nutzen für die Volkswirtschaft der DDR in den Vordergrund gestellt.
DDR-Bürger erhielten für Flaschen, Gläser, Zeitungen oder Lumpen einen kleinen Geldbetrag, der, je nach Rohstoff, um die 30 Pfennig lag. Haushalte warfen ihre noch verwertbaren Rohstoffe nicht weg, sondern brachten sie zu den in der DDR flächendeckend vertretenen SERO-Annahmestellen. Viele Kinder verdienten sich so ein Taschengeld, und die Pionierorganisation Ernst Thälmann organisierte große Sammelaktionen, um Gelder für Hilfsaktionen zu sammeln. Der Begriff Sero war das Kürzel für den Begriff Sekundärrohstoff. Diese Bezeichnung rührt daher, dass viele Rohstoffe in der damaligen DDR Mangelware waren und das Sammeln daher volkswirtschaftlich wichtig war. Besonders Metalle waren, für damalige Verhältnisse, mit hohen Aufkaufpreisen notiert, z.B. Aluminium 1,80 M/kg, Zink 1,60 M/kg und besonders wertvoll Kupfer für beachtliche 2,50 M/kg. Das Maskottchen von Sero war der rosefarbende Elefant Emmy.
[Bearbeiten] Aufkaufpreise
„SERO-Aufkaufpreise für die Bevölkerung“ (SERO-Werbung auf der Rückseite eines Kalenders - ca. 1985):
- Zeitungen/Zeitschriften/Wellpappe 0,30 M/kg
- gemischte Papier- und Pappabfälle; Bücher 0,20 M/kg
- Schulhefte ohne Umschlag 0,50 M/kg
- Alttextilien 0,50 M/kg
- Flaschen 0,05 M/Stck.
- Flaschen - ausgewiesene Sorten 0,20 M/Stck.
- Gläser 0,05 M/Stck.
- Gläser - ausgewiesene Sorten 0,30 M/Stck.
- Thermoplastabfall aus Haushalten 0,03 M/Fl.
- Thermoplastabfall aus Haushalten 1,00 M/kg
- Stahlschrott 0,12 M/kg
- Gußbruch 0,23 M/kg
- Aluminiumschrott 1,80 M/kg
- Zink 1,60 M/kg
- Kupferschrott 2,50 M/kg
- Bleischrott 1,80 M/kg
- Sprayflaschen 0,10 M/Stck.
- Fotofilme 0,05 M/Stck.
- Fixierlösung 0,40 M/Liter, Gramm
[Bearbeiten] SERO-Werbung in der DDR
Das Sammeln von Sekundärrohstoffen wurde in der DDR stark beworben. Werbespruch von SERO: "Rohstoffe - von uns - für sie. Unsere Annahmestellen erwarten Sie."
In den Tausend Tele-Tips - der Fernsehwerbesendung, mit Comics in den Zeitschriften FRÖSI und Atze. In diesen Zeitschriften gehörte das Altpapiersammeln zum Heile-Welt-Bild des biederen DDR-Pioniers.
[Bearbeiten] Nach der Wiedervereinigung
Ein Unternehmen, das aus dem staatlichen Sammelsystem der DDR hervorgegangen ist, war die börsennotierte Sero AG mit Sitz in Berlin. Die SERO Entsorgung AG hat am 2. Juli 2001 beim zuständigen Amtsgericht in Berlin-Charlottenburg Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt.
[Bearbeiten] Heutige Begriffsnutzung
In der Entsorgungsbranche gibt es ähnlich klingende Firmen, die aber mit dem eigentlichen SERO-System wirtschaftlich und gesellschaftlich nichts zu tun haben. So besitzt z. B. der Entsorgungs- und Recyclingskonzern ALBA mit der Sero-Leipzig GmbH eine Gesellschaft, deren Name den Begriff enthält.