Sprachpolitik
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Die Sprachpolitik bezeichnet alle Maßnahmen und Regeln, mit denen der Gebrauch von bestimmten Sprachen (Sprachstatusplanung) oder ein bestimmter Gebrauch von Sprache (Sprachpflege) vorgeschrieben wird. Während Sprachstatusplanung in Staaten und Organisationen stattfinden kann, findet Sprachpflege in der Praxis nur innerhalb von Staaten statt. Sprachstatusplanug wird vornehmlich auf politischer Ebene betrieben, Sprachpflege Rahmen von Linguisten.
Sprachpolitik ist in modernen Staaten unvermeidlich, da wichtige Funktionen des Staatssystems (wie Justiz und Bildungswesen) auf Sprache zurückgreifen. In mehrsprachigen Staaten und auch angesichts des wachsenden anderssprachigen Bevölkerungsanteils in vielen Ländern birgt sie aber auch Probleme. Deren Gründe sind die enge Bindung jedes Menschen und Kulturkreises an seine Sprache; eine Einmischung von außen in diese Beziehung kann sich negativ für das Individuum, aber auch für die gesamte Gruppe von Sprechern einer untergeordneten Sprache auswirken.
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[Bearbeiten] Bestimmter Gebrauch von Sprache
Die Sprachpolitik kann alle Aspekte einer Sprache (Wortschatz, Rechtschreibung und Grammatik) beeinflussen. Sie legt zum Beispiel die Regeln für die Verschriftlichung fest (Rechtschreibreform). Auch Vorgaben zu einer verständlichen und freundlichen Kommunikation (höfliche Sprache), wie sie zum Teil von Verwaltung oder Arbeitgeber vorgegeben wird, können als Sprachpolitik betrachtet werden, wenngleich derartige Vorgabe eher aus der Öffentlichkeitsarbeit resultieren. So gab das Bayerische Innenministerium einen eigenen „Sprachführer“ heraus unter der Bezeichnung „Bürgernahe Sprache in der Verwaltung“. In Deutschland sind Wörter, die strafbare Beleidigungen darstellen, nicht von der Empfindsamkeit des Beleidigten abhängig, sondern von der Aufnahme in einen bestimmten Katalog. (siehe auch politisch korrekt)
In vielen Ländern sind Sprachverwendung und Sprachgebrauch gesetzlich geregelt, so in Frankreich: „Frankreich leitet seinen Rang in Europa und der Welt auch aus den Eigenheiten seiner Kultur ab, die sich insbesondere über die Sprache definiert (Sprachschutz- und -pflegegesetzgebung).“ In einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion spielte die Identitätswirkung der Nationalsprache eine Schlüsselrolle für die Erlangung der Unabhängigkeit. Dort, z.B. in Lettland, ist heute der Gebrauch des Russischen in der Kommunikation mit öffentlichen Einrichtungen gesetzlich untersagt.
[Bearbeiten] Sprachverbote
Da Muttersprache eines der wichtigsten Elemente von Identitätsstiftung ist, individuell und kulturell, kann Sprachpolitik einen unmittelbaren Einfluss auf die Psyche des Einzelnen (Minderwertigkeitskomplex einnehmen (wenn die eigene Sprache nicht akzeptiert wird).
Wenn ganze Kulturkreise in ihrer Sprache bevorzugt oder benachteiligt werden, drohen reale Konflikte oder Kriege, so die Autonomiebestrebungen im Spanien der 70er Jahre der nicht-spanischsprachigen Gebiete. Während die Sowjetunion Russisch als dominierende Sprache den Randvölkern oktroyierte, kehren viele Nachfolgestaaten wie Estland oder Lettland diese Entwicklung um, indem sie den Gebrauch von Russisch stigmatisieren.
[Bearbeiten] EU-Sprachpolitik
Die Europäische Union trägt der Bedeutung von Sprache für Politik und Öffentlichkeit formal Rechnung, indem sämtliche Amtssprachen der Mitgliedsländer auch Amtssprachen der EU sind. Zu unterscheiden ist hier zwischen der internen und externen Sprachpolitik der EU. Interne Sprachpolitik bedeutet in diesem Zusammmenhang die Sprachregelung für die EU-Organe und Behörden. Die meisten EU-Organe verwenden als so genannte Arbeitssprachen Französisch oder Deutsch neben dem dominierenden Englisch. Trotz der ideologisch begründeten Kritik an dieser Situation konnten sich Vorschläge, eine Plansprache wie Esperanto als Amtssprache für die EU einzuführen, nicht durchsetzen. Dem gegenüber steht die externe Sprachpolitik, die das Recht der EU-Bürger verbürgt, auf schriftliche Anfragen eine Antwort in derjenigen Amtssprache zu erhalten, in der auch die Anfrage verfasst ist. Eine Ausnahme bildet hier das Luxemburgische, das die Regierung des Landes freiwillig auf dieses Recht verzichtet hat. Keinen offiziellen Status im EU-Recht besitzen dagegen die Sprachen von Minderheiten, sofern sie nicht Amtssprache in einem der Staaten der EU sind, sowie die Sprachen von Migrantengruppen. Folglich können die entsprechenden Sprachen erstens nicht in der Kommunikation mit EU-Organen verwendet werden. Hinzu kommt, dass das EU-Recht auch keine Grundlage für den Schutz sprachlicher Minderheiten bietet.
[Bearbeiten] Literatur
- Siegfried Piotrowski und Helmar G. Frank: Europas Sprachlosigkeit. Vom blinden Fleck der European Studies und seiner eurologischen Behebung. München, KoPaed Verlag 2002, ISBN 3-935686-25-0
- Coulmas, Florian: Sprache und Staat. Studien zur Sprachplanung und Sprachpolitik. Berlin, Walter de Gruyter 1985.
- Schreiner, Patrick: Staat und Sprache in Europa. Nationalstaatliche Einsprachigkeit und die Mehrsprachenpolitik der Europäischen Union. Frankfurt am Main, Peter Lang Verlag 2006, ISBN 3-631-54693-9.