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Verband (Mathematik) - Wikipedia

Verband (Mathematik)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

In der Mathematik ist ein Verband eine bestimmte algebraische Struktur mit zwei Verknüpfungen bzw. eine halbgeordnete Menge mit bestimmten Eigenschaften.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Definition

Ein (algebraischer) Verband (V, \cap, \cup) ist eine nichtleere Menge V mit zwei inneren binären Verknüpfungen \cap (Durchschnitt, engl. meet, Infimum) und \cup (Vereinigung, engl. join, Supremum), die folgenden Bedingungen für alle u, v, w aus V genügen:

Kommutativität:

  • u \cap v = v \cap u, und
  • u \cup v = v \cup u;

Assoziativität:

  • u \cap ( v \cap w ) = ( u \cap v ) \cap w, und
  • u \cup ( v \cup w ) = ( u \cup v ) \cup w;

Absorptionsgesetze:

  • u \cap ( u \cup v ) = u, und
  • u \cup ( u \cap v ) = u.

Aus diesen Bedingungen folgt die Idempotenz beider Verknüpfungen:

  • u \cap u = u, und
  • u \cup u = u.

V ist also bezüglich jeder einzelnen Verknüpfung eine kommutative Halbgruppe, in der jedes Element idempotent ist. Die Verknüpfungen treten bei den Absorptionsgesetzen in Wechselwirkung.

Vertauscht man die beiden Verknüpfungen, erhält man den zu V dualen Verband.

[Bearbeiten] Ordnungsstruktur

Mit dem Absorptionsgesetz erkennt man die Gültigkeit der Äquivalenz

v\cap w=v\quad\iff\quad v\cup w=w.

Man kann nach einer Idee von Leibniz auf V eine partielle Ordnung definieren durch:

vw, falls v \cap w = v.

Bezüglich dieser Halbordnung hat jede zweielementige Teilmenge {v, w} ein Supremum s = v \cup w und ein Infimum i = v \cap w. Dabei ist ein Element s ein Supremum von {v, w}, wenn gilt

  • vs und ws (d.h. s ist obere Schranke)
  • aus vt und wt folgt st (d.h. s ist die kleinste obere Schranke).

Analoges gilt für das Infimum i. Man kann per Induktion zeigen, dass jede nichtleere endliche Teilmenge ein Supremum und ein Infimum hat. Man schreibt das Supremum einer (endlichen) Teilmenge M als \bigcupM, und das Infimum von M als \bigcapM.

Umgekehrt kann man für eine halbgeordnete Menge, bei der jede zweielementige Teilmenge ein Infimum und ein Supremum hat, zwei Verknüpfungen definieren, die die Verbandsaxiome erfüllen.

Die Ordnung des dualen Verbandes ist die umgekehrte Ordnung (aus kleinergleich wird größergleich).

[Bearbeiten] Hasse-Diagramme

Eine endliche halbgeordnete Menge (M, ≤) kann man durch einen gerichteten Graphen darstellen, den man Hasse-Diagramm nennt. Dieser Graph enthält alle Elemente von M als Knoten. Die Kanten werden nach folgender Regel eingefügt:

Sind a und b Elemente von M, so dass a < b ist und es kein Element zwischen a und b gibt (d.h. kein c mit a < c < b), dann geht von a nach b eine Kante.

Solch ein Graph ist zyklenfrei und man kann seine Knoten so anordnen, dass alle Kanten "von unten nach oben" gerichtet sind. Ist also a < b, dann ist a unterhalb von b und durch eine Kante mit b verbunden. Einige solcher Diagramme sind weiter unten angegeben.

Vom Aussehen dieser Diagramme leitet sich der englische Name lattice (Gitter) für Verband ab.

[Bearbeiten] Spezielle Verbände

Im folgenden meinen wir mit dem "Verband V" stets den Verband (V, \cap, \cup).

Ein Verband V heißt vollständig, wenn jede (auch unendliche und die leere) Teilmenge ein Supremum und ein Infimum hat.

Es genügt, für jede Teilmenge die Existenz des Supremums zu verlangen, denn es ist

\bigcap M = \bigcup \{ x \in V : (\forall\,y\in M: x \le y) \}.

Ein Verband V heißt distributiv, wenn jede Verknüpfung distributiv über der anderen ist, d.h.

u \cap (v \cup w) = (u \cap v) \cup (u \cap w)
u \cup (v \cap w) = (u \cup v) \cap (u \cup w)

Auch diese beiden Aussagen sind äquivalent zueinander, so dass es genügt, die Gültigkeit von einer der beiden zu verlangen.

Falls die Verknüpfung \cap ein neutrales Element 1 hat,

a \cap 1 = a,

dann nennt man es das Einselement des Verbandes. Es ist eindeutig bestimmt und bzgl. der Ordnung das größte Element. Außerdem gilt

a \cup 1 = 1.

Man nennt den Verband dann nach oben beschränkt.

Falls die Verknüpfung \cup ein neutrales Element 0 hat,

a \cup 0 = a,

dann nennt man es das Nullelement des Verbandes. Es ist eindeutig bestimmt und bzgl. der Ordnung das kleinste Element. Außerdem gilt

a \cap 0 = 0.

Man nennt den Verband dann nach unten beschränkt.

Das neutrale Element der einen Verknüpfung ist also ein absorbierendes Element der anderen Verknüpfung. Ein Verband heißt beschränkt, wenn er nach oben und nach unten beschränkt ist, also für beide Verknüpfungen ein neutrales Element hat.

Für ein gegebenes Element a eines beschränkten Verbandes nennt man ein Element b mit der Eigenschaft

a \cap b = 0 und a \cup b = 1

ein Komplement von a. Ein beschränkter Verband, in dem jedes Element ein Komplement hat, heißt komplementär.

Ein distributiver komplementärer Verband heißt Boolesche Algebra oder Boolescher Verband.

[Bearbeiten] Eigenschaften

Jeder vollständige Verband V ist beschränkt mit

1 := \bigcap \emptyset = \bigcup V

als Einselement und

0 := \bigcup \emptyset = \bigcap V

als Nullelement.

Jeder endliche Verband V ist vollständig und beschränkt mit 1 und 0 wie eben.

In einem distributiven beschränkten Verband ist das Komplement eines Elements a im Falle seiner Existenz eindeutig bestimmt, man schreibt es oft als ac (vor allem bei Teilmengenverbänden) oder ¬a (vor allem bei Anwendungen in der Logik).

Beweis: Seien b und c Komplemente von a, dann wollen wir b = c zeigen. Nun ist b = b \cap 1 = b \cap (a \cupc) = (b \cap a ) \cup (b \cap c) = b \cap c. Ähnlich zeigt man c = b \cap c, somit b=c.

Ist der Verband jedoch nicht distributiv, kann es mehrere Komplemente geben, ein Beispiel wird unten gegeben.

In einem distributiven beschränkten Verband gilt

¬0 = 1, ¬1 = 0.

Falls a ein Komplement ¬a hat, dann hat auch ¬a ein Komplement, nämlich:

¬(¬a) = a.

Für weitere Eigenschaften Boolescher Verbände siehe dort.

[Bearbeiten] Homomorphismen und Unterverbände

Sind (V, ^, v) und (W, \cap, \cup) zwei Verbände und f: V -> W eine Funktion, so dass für alle a, b aus V gilt

f(a ^ b) = f(a) \cap f(b)
f(a v b) = f(a) \cup f(b)

dann heißt f Verbands-Homomorphismus. Ist f zusätzlich bijektiv, dann heißt f Isomorphismus und die Verbände V und W sind isomorph.

Die Klasse aller Verbände bildet mit diesem Homomorphismusbegriff eine Kategorie.

Ein Verbandshomomorphismus ist gleichzeitig ein Ordnungshomomorphismus, d.h. eine monotone Abbildung:

aus ab folgt f(a) ≤ f(b).

Jedoch ist nicht jede monotone Abbildung zwischen Verbänden ein Verbandshomomorphismus.

Ein Unterverband von V ist eine Teilmenge W, die mit den eingeschränkten Verknüpfungen von V ein Verband ist, d.h. es liegen

a \cap b und a \cup b in W

für alle a, b aus W.

Jeder Unterverband ist wieder eine halbgeordnete Menge mit Supremum und Infimum für endliche Teilmengen, aber nicht jede halbgeordnete Teilmenge mit Supremum und Infimum für endliche Teilmengen ist auch ein Unterverband, das gilt erst, wenn es dieselben Infima und Suprema wie im großen Verband sind.

Zum Beispiel ist die rechts dargestellte monotone Abbildung f zwischen den Verbänden V und W kein Homomorphismus, da f(b \cup c) = n, aber f(b) \cup f(c) = m. Außerdem ist aus demselben Grund das Bild f(V) = {j,k,l,n} zwar ein Verband (mit k \cup l = n), aber kein Unterverband von W.

Die Funktion f ist monoton aber kein Homomorphismus

[Bearbeiten] Beispiele für Verbände

Hier folgen Beispiele für bestimmte Situationen, in denen auf natürliche Weise Verbände auftreten, und weiter unten grafische Darstellungen einzelner Verbände und halbgeordneter Mengen die keinen Verband darstellen.

[Bearbeiten] Total geordnete Menge

Jede total geordnete Menge M ist ein distributiver Verband mit den Verknüpfungen Minimum und Maximum. Insbesondere gilt für alle a,b,c aus M:

min(a, max(b, c)) = max(min(a,b), min(a,c)),
max(a, min(b, c)) = min(max(a,b), max(a,c)).

Nur im Fall einer einelementigen Menge M ist der Verband komplementär.

Beispiele für die übrigen Eigenschaften:

  • Das abgeschlossene reelle Intervall [0, 1] und die erweiterte reelle Gerade (R mit ∞ und -∞) sind jeweils vollständige distributive Verbände (und damit beschränkt).
  • Das offene reelle Intervall (0, 1), die Mengen R, Q und Z sind jeweils unvollständige unbeschränkte distributive Verbände.
  • Das rationale Intervall [0, 1] \cap Q ist ein unvollständiger beschränkter distributiver Verband.
  • Die Menge N0 ist ein unvollständiger distributiver Verband mit Nullelement 0.

[Bearbeiten] Teilerverband

Betrachtet man für eine natürliche Zahl n die Menge T aller Teiler von n, dann ist (T, ggT, kgV) ein vollständiger distributiver Verband mit Einselement n (neutralem Element für ggT) und Nullelement 1 (neutralem Element für kgV). Er heißt Teilerverband von n. Die Absorptionsgesetze und Distributivgesetze für ggT und kgV folgen dabei z.B. mit der Primfaktorzerlegung aus den Eigenschaften von min und max, man kann sie aber auch durch Teilbarkeitsbetrachtungen herleiten. Der Verband ist genau dann komplementär (und damit boolesch), wenn n quadratfrei ist, d.h. wenn n keine Quadratzahl als Teiler hat. Die Halbordnung auf T ist die Teiler-Relation:

ab genau dann, wenn a|b (genau dann, wenn ggT(a,b) = a).

Die Menge N0 aller natürlichen Zahlen mit 0 bildet mit ggT und kgV einen vollständigen distributiven beschränkten Verband mit Nullelement 1 und Einselement 0.

[Bearbeiten] Teilmengenverband

Für eine Menge M bildet die Potenzmenge P(M) mit den Verknüpfungen Durchschnitt \cap und Vereinigung \cup einen vollständigen booleschen Verband mit Einselement M (neutralem Element für \cap) und Nullelement {} (neutralem Element für \cup) sowie Komplement Ac = M\A für A. Er heißt Teilmengenverband von M. Die Halbordnung auf T ist die Mengeninklusion:

AB, falls AB (oder äquivalent dazu A \cap B = A).

Unterverbände von P(M) (das heißt: Teilmengen von P(M), die unter den beiden Verbandsoperationen abgeschlossen sind), heißen Mengenverbände. Mengeverbände sind immer distributiv, müssen jedoch weder vollständig sein, noch neutrale Elemente oder Komplemente haben. (Ein Beispiel dafür ist der Verband der rechts-unendlichen reellen Intervalle [a, ∞] mit a aus R, der isomorph zum Verband der reellen Zahlen ist.)

Umgekehrt gilt nach dem Darstellungssatz von Stone:

Jeder distributive Verband ist isomorph zu einem Mengenverband.

[Bearbeiten] Untergruppenverband

Für eine Gruppe (G, *) bildet die Menge A aller Untergruppen von G einen beschränkten (im Allgemeinen nicht distributiven) Verband mit den Verknüpfungen "Durchschnitt" und "Erzeugnis der Vereinigung". Er heißt Untergruppenverband von G.

Beispielsweise hat der Untergruppenverband der kleinschen Vierergruppe {e,a,b,c} (mit neutralem Element e) folgende Struktur:

     {e,a,b,c}
     /   |   \
 {e,a} {e,b} {e,c}
     \   |   /
        {e}

Dieser Verband ist nicht distributiv, denn z.B. die Untergruppe {e,a} hat die zwei Komplemente {e,b} und {e,c}.

Ebenso bilden

  • die Unterringe eines Ringes,
  • die Unterkörper eines Körpers,
  • die Untermoduln eines Moduls,
  • die Ideale eines Ringes
  • die Unterverbände eines Verbands

mit analogen Verknüpfungen einen Verband.

Schränkt man die Menge der Untergruppen auf Obergruppen einer festen Untergruppe U ein, so bilden alle diese Zwischengruppen {V : UVG} auch einen beschränkten Verband. Analog dazu gibt es Verbände von Zwischenringen, Zwischenkörpern, Zwischenmoduln, Zwischenidealen.

Besonderes Interesse hat man am Untergruppenverband der Galoisgruppe einer galoisschen Körpererweiterung L/K, denn er ist isomorph zum dualen Zwischenkörperverband von L/K.

[Bearbeiten] Diagramme einiger Verbände und Nicht-Verbände

Beispiele für Teilerverbände und dazu isomorphe Mengenverbände:

Teilerverband von 3
Teilmengenverband von {1}

 3
 |
 1
 {1}
  |
 { }

Teilerverband von 6 = 2·3
Teilmengenverband von {1,2}

   6
  / \
 2   3
  \ /
   1
  {1,2}
   / \
 {1} {2}
   \ /
   { }

Teilerverband von 30 = 2·3·5
(Teilmengenverband von {1,2,3})

Bild:Verband_Teiler30.png

Teilerverband von 12 = 22·3
Mengenverband { {}, {1}, {2}, {1,2}, {1,3}, {1,2,3} }
- distributiv mit neutralen Elementen,
- nicht komplementär

  12
  / \
 4   6
 | / |
 2   3
  \ /
   1
   {1,2,3}
    /   \
 {1,3} {1,2}
    | / |
  {1}   {2}
    \   /
     { }

Andere Beispiele für Verbände sind:

Verband (N0, min, max):
- distributiv,
- Nullelement 0,
- kein Einselement,
- Ordnung ist die gewöhnliche Anordnung

 :
 :
 |
 2
 |
 1
 |
 0

Der Verband (N, ggT, kgV):
- distributiv,
- Nullelement 0,
- Einselement 1,
- nicht komplementär,
- enthält jeden Teilerverband als Teilverband

Bild:Verband_TeilerN.png

Untergruppenverband der Kleinschen Vierergruppe {a,b,c,d}:
- nicht distributiv,
- Nullelement {e,a,b,c},
- Einselement {e},
- nicht komplementär: die Komplemente von {e,a} sind {e,b} und {e,c}.

     {e,a,b,c}
     /   |   \
 {e,a} {e,b} {e,c}
     \   |   /
        {e}

Weitere Beispiele:

 a    b
 | \/ |
 | /\ |
 c    d

Kein Verband, da {a, b} keine obere Schranke hat.

   e
  /  \
 a    b
 | \/ |
 | /\ |
 c    d
  \  /
   f

Kein Verband, da {c, d} zwar obere Schranken a, b, e hat, aber keine kleinste obere Schranke, weil a und b nicht vergleichbar sind.

[Bearbeiten] Begriffe im Zusammenhang mit Verbänden

Siehe auch Hierarchie mathematischer Strukturen

Verbände spielen eine fundamentale Rolle in (zumindest einem möglichen Aufbau) der universellen Algebra.

Auf der englischen Seite steht noch einiges zu Idealen und Filtern.

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