Verbotsgesetz 1947
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Das Verbotsgesetz 1947, in der Kurzform als VerbotsG bezeichnet, ist ein österreichisches Verfassungsgesetz, mit dem die NSDAP verboten und die Entnazifizierung in Österreich gesetzlich geregelt wurde. Das Gesetz wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg am 8. Mai 1945 beschlossen, jedoch 1947 wieder neu verlautbart. Seitdem führt der Gesetzesname die Jahreszahl der Verlautbarung. Unter anderem ist jede Betätigung im Sinne des Nationalsozialismus verboten und unter Strafe gestellt. Die Straftatbestände des Verbotsgesetzes fallen in die ausdrückliche Zuständigkeit des Geschworenengerichtes.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhalt
Mit dem Beschluss des Verbotsgesetzes wurden die NSDAP, ihre Wehrverbände, sowie sämtliche Organisationen, die mit ihr zusammenhängen, offiziell aufgelöst und verboten. Ihr Eigentum fiel an die Republik Österreich. Eine Neugründung ist ebenfalls verboten. Auf gleiche Weise erloschen alle Mandate, die in dieser Zeit auf Vorschlag der NSDAP in irgendeiner Körperschaft oder Berufsvertretung erlangt wurden. Auch die einzelnen Arten der NS-Wiederbetätigung sind in den §§ 3 bis 3i verboten und stehen unter Strafe.
Die Artikel 2 bis 7 regeln die Entnazifizierung in Österreich. Diese Bestimmungen sind aber aufgrund einer Amnestie seit 1957 außer Kraft gesetzt und deshalb nicht mehr anzuwenden.
Das Verbotsgesetz sah für Personen, die zwischen 1933 und 1945 ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich hatten und Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Organisationen, wie SS oder SA waren, eine Registrierungspflicht vor. Diese Personen mussten Sühnebeiträge zahlen und Arbeit (meist beim Wiederaufbau) leisten. Registrierungspflichtige Personen waren von öffentlich-rechtlichen oder sonstigen Dienstverhältnissen zum Bund, zu den Ländern (zu der Stadt Wien), zu den Gemeinden, zu sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften ausgeschlossen. Für sie galten ebenso Berufsverbote für die Privatwirtschaft (leitender Posten in der Wirtschaft, Prokurator, Unternehmensführung, Rechtsanwalt, Notar, etc.). Außerdem waren sie bei der Nationalratswahl 1945 von der Wahl ausgeschlossen.
[Bearbeiten] Aktualität
Das Verbotsgesetz ist heute zum Teil totes Recht, da durch die NS-Amnestie 1957 Teile des Verfassungsgesetzes außer Kraft gesetzt wurden. Lediglich der Artikel 1 mit den §§ 1 bis 3j stellt lebendes Recht dar und bildet heute noch immer Grundlage für strafrechtliche Verhandlungen und Verurteilungen.
Die §§ 3 bis 3j wurden im Laufe der Zeit mehrfach novelliert. 1950 wurde die Todesstrafe durch lebenslangen schweren Kerker ersetzt, 1965 bzw. 1968 wurden die Verjährungsfristen verlängert. Die letzte Novelle stammt aus dem Jahr 1992 (BGBl 148/1992); damals wurden die Mindeststrafen reduziert und als § 3h die Leugnung, Verharmlosung, Gutheißung und Rechtfertigung des nationalsozialistischen Völkermordes oder anderer nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit verboten, wenn dies in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder [...] sonst öffentlich auf eine Weise, daß es vielen Menschen zugänglich wird, geschieht. Das Strafmaß dafür beträg 1–10 Jahre Freihheitsstrafe, bei besonderer Gefährlichkeit bis zu 20 Jahre.
1999–2005 ergingen insgesamt 191 Schuldsprüche gemäß den Bestimmungen des Verbotsgesetzes. Der bekannteste Fall jüngeren Datums ist die rechtskräftige Verurteilung von David Irving 2006.
[Bearbeiten] Einschränkung der Meinungsfreiheit
Das Verbotsgesetz sieht in Bezug auf die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes weitreichende verfassungsrechtliche Einschränkungen der freien Meinungsäußerung vor und steht in einem vermeintlichen Spannungsverhältniss zum Artikel 10 der Europäische Menschenrechtskonvention über die Freiheit der Meinungsäußerung. Das Verbotsgesetz 1947 stellt einen Gesetzesvorbehalt der Meinungsfreiheit dar, der jedoch durch den Artikel 10 Abs. 2 EMRK ermöglicht wird. Die Meinungsfreiheit kann demnach unter anderem, wie es beim Verbotsgesetz 1947 geregelt ist, Einschränkungen und Strafdrohungen unterworfen werden, wenn dies zum Beispiel in einer demokratischen Gesellschaft oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung notwendig ist.
In einem VfGH-Urteil vom 29. November 1985 (GZ: G175/84) stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass dieses Verfassungsgesetz nicht nur für Strafverfahren gilt, sondern auch von jedem Gericht beziehungsweise jeder Verwaltungsbehörde innerhalb der jeweiligen Zuständigkeiten zu berücksichtigen und vollstrecken ist. Folglich gelten alle Rechtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar auf die Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankengutes abzielen, als nichtig.[1]
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Beschwerden gegen Urteile aufgrund des Verbotsgesetzes stets abgewiesen, wenn die Beschwerde mit dem Argument einer unzulässigen Einschränkung der Meinungsfreiheit im Sinne des Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) begründet ist. In diesem Zusammenhang beruft sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf Artikel 17 EMRK, wonach der Missbrauch der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten durch Feinde einer freien und demokratischen Ordnung verboten ist.[1]
[Bearbeiten] Kritik
Die wissenschaftliche Leiterin des DÖW, Brigitte Bailer-Galanda, ist der Meinung, dass anstatt der Geschworenengerichte schon in erster Instanz nur Berufsrichter über Straftaten nach dem Verbotsgesetz entscheiden sollten, da die Geschworenen oft Antisemitismus oder NS-Verbrechen nicht als solche erkennen würden. Deshalb sei es für die Staatsanwaltschaft oft schwierig, im Rahmen eines Geschworenenverfahrens eine Verurteilung zu erreichen.[2]
In einem Gastkommentar in der Wiener Zeitung schreibt der Rechtsanwalt Herbert Schaller, der regelmäßig Rechtsextreme wie David Irving vor Strafgerichten vertritt[3], dass man „sachliche Meinungsäußerungen zwar bekämpfen, aber nicht strafrechtlich verbieten“ dürfe. Er kritisiert weiters den § 3g Verbotsgesetz als „inhaltlich völlig unbestimmt“ und wirft dem Obersten Gerichtshof vor, sich mit der Bestätigung des Schuldspruchs gegen Irving im September 2006 „politisch erwünscht verhalten“ zu haben.[4]
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ a b Florence Benoît-Rohmer et al. (2005). The requirements of fundamental rights in the framework of the measures of prevention of violent radicalisation and recruitment of potential terrorists – Opinion n° 3-2005, S. 29. Internet: http://ec.europa.eu/justice_home/cfr_cdf/doc/avis/2005_3_fr.pdf (05. Mai 2006)
- ↑ Ö1: Dokumentationsarchiv – Keine Geschworenengerichte bei Wiederbetätigung, 23. Dezember 2006
- ↑ DÖW: Neues von ganz rechts - Jänner 2007
- ↑ Herbert Schaller: Das Irving-Urteil und die politische Macht. In: Wiener Zeitung. 17. Jänner 2007
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.ris.bka.gv.at/bundesrecht/
- http://fmueller.net/diss-zsfg_de.html
- http://www.antifa.co.at/antifa/nsverbot.PDF
- http://www.nachkriegsjustiz.at/service/gesetze/gs_vg_3_index.php
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