Waldgesellschaften Mitteleuropas
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Waldgesellschaft ist ein Begriff der Biologie, vornehmlich der Geobotanik, Forstwirtschaft und Pflanzensoziologie. Waldgesellschaften sind charakterisierbare und abgrenzbare Artenzusammensetzungen (Pflanzengesellschaften). Die Kenntnisse über die natürlichen Waldgesellschaften sind hauptsächlich in der Forstwirtschaft und im Naturschutz und Bodenschutz sowie für deren Fachplanungen Waldmehrung und Landschaftsplanung von großem Wert und Untersuchungsgegenstand der Botanik, Pflanzensoziologie und Ökologie.
Eine (potentiell) natürliche Waldgesellschaft ist eine spezifische Artenzusammensetzung, die sich je nach Standortfaktoren auf natürliche Weise (ohne Einwirkung des Menschen) im Verlaufe der Sukzession einstellen würde. Während der Sukzession (Entwicklung) zur Klimaxvegetation durchläuft ein Wald mehrere ökologische Stadien, deren typischer Bewuchs auch Waldgesellschaften zugeordnet werden kann (z. B. Vorwälder). Die Pflanzengesellschaften der verschiedenen Entwicklungsstadien sind von der theoretischen Klimaxvegetation abhängig. Die möglichen Stadien der natürlichen Waldentwicklung sind im Mosaik-Zyklus-Konzept beschrieben.
Störungen von außen, allen voran die menschliche Nutzung, hatten und haben zu Folge, dass der Anteil naturnaher Waldgesellschaften auf teilweise unter 10 % der verbliebenen Waldfläche in Mitteleuropa geschrumpft ist. Viele der natürlichen Waldgesellschaften stehen daher unter Naturschutz. Zur geschichtlichen Entwicklung der Waldgesellschaften bis zu ihrem heutigen Erscheinungsbild siehe Geschichte des Waldes in Mitteleuropa.
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[Bearbeiten] Geobotanische Einteilung der Waldgesellschaften
Zum überwiegenden Teil würde sich der Wald in Mitteleuropa heute, in der Nachwärmezeit, ohne störende Einflüsse zu den zonalen Gesellschaften der Buchenmischwälder (Fagetalia) in ozeanisch geprägten Bereichen, im Übergang zu subozeanischen zu Eichenmischwäldern (Quercetalia) entwickeln. Die Ausprägung der zonalen Waldgesellschaften ist hauptsächlich vom Großklima beeinflusst. Innerhalb der zonal geprägten Wälder gibt es eine Vielzahl kleinerer Gebiete mit stärker überlagernden Standortfaktoren, die die Ausprägung von azonalen Waldgesellschaften begünstigen. Extrazonale Waldgesellschaften schließlich sind Waldgesellschaften, an denen die Standortfaktoren so stark von der Zonierung abweichen, dass sie größere Ähnlichkeiten mit anderen Vegetationsräumen aufweisen.
[Bearbeiten] Zonierung
Man unterscheidet zwischen
- zonalen Waldgesellschaften, die hauptsächlich durch das Großklima beeinflusst werden und sich nur durch die Bodenverhältnisse (Bodenart, Nährstoffangebot, Säure) unterscheiden und Varianten bilden. Beispielsweise ist die Rotbuche in ozeanischen Klimaten konkurrenzstark und bildet auf kalkreichen Böden guter Wasserführung den Kalk-Buchenwald, auf weniger kalkreichen Sandböden wegen schlechter Wasserführung einen Buchen-Stieleichen- oder Buchen-Traubeneichenwald. Im kontinentaleren Klimaten gehen die Buchenmischwälder zunehmend in Eichenmischwälder über, da die Stieleiche stärkere Temperatur- und Feuchteschwankungen als die Rotbuche verträgt.
- Azonale Waldgesellschaften sind an einem bestimmten ökologischen Faktor gebunden, wie zum Beispiel Nässe, Trockenheit. Bei Vorhandensein dieser Verhältnisse wird die zonale Gesellschaft verdrängt. Typisch sind azonale Waldgesellschaften entlang von Fließgewässern: beispielsweise geht ein zonaler Buchenmischwald bei periodischer seltener Überflutung in Hartholzauen (Stieleichen-Ulmen-Wald), bei häufigerer Überflutung in Weichholzauen (Auwälder) über. Bei dauerhafter Staunässe geht die zonale Waldgesellschaft in Sumpf- bzw. Bruchwälder (z. B. Erlenbruch), in klimatisch besonderen Lagen wie Schluchten in Schluchtwälder über.
- extrazonale Waldgesellschaften: lokale Faktoren (v.a. Relief) wandeln das Großklima ab. Es kann z.B. zu verminderter Sonneneinstrahlung und mehr Nässe kommen (Nordhang). Die Schlussgesellschaften, die sich hier einstellen würden, sind als zonale Gesellschaft weiter nördlich bzw. südlich zu finden. Zum Beispiel bilden sich thermophile Eichenwälder (Traubeneichen- und Stieleichenwälder) an südexponierten felsigen Steilhängen als Spezialisten des problematischen Standortes, die südeuropäischen Standorten ähnlicher als mitteleuropäischen sind.
[Bearbeiten] Höhenstufungen
Diese Einteilungen überlagern sich dabei mit der Einteilung nach ihrer Höhenlage, die wiederum die Standortfaktoren mit beeinflusst und damit die obigen Waldgesellschaften nicht nur in weiteren Ausprägungen erscheinen lassen, sondern beispielsweise im subalpinen Bereich in eine andere zonale Waldgesellschaft übergehen lassen.
So geht im ozeanischen Klima der planare oder colline Buchen-Eichenwald mit zunehmender Höhe in den hoch-collinen bzw. submontanen Buchen-Tannen-(Fichten)-Wald über. Mit steigender Höhe nimmt der Anteil der Rotbuche schnell ab, der von Tanne, Fichte und ggf. Lärche nimmt zu. Es bildet sich der subalpine Fichtenwald, der wegen des Klimas in Höhenlagen dem borealen Fichtenwald sehr ähnlich ist (siehe: Borealer Wald). Vegetationsgeschichtlich werden subalpine Fichtenwälder als Relikte der frühen Baumbesiedelung Mitteleuropas nach Rückzug der eiszeitlichen Gletscher gewertet.
Die Höhenstufungen sind:
- planare Stufe (Flachland)
- colline Stufe (Hügelland, Mittelgebirge)
- subcollin (Höhe bis ca. 200 - 400 m)
- (meso)collin (400 - 600 m)
- hoch collin (submontan) (500 bis 800 m)
- montane Stufe (Mittelgebirge und Hochgebirge)
- submontan (700 bis 1000 m)
- (meso) montan (800 bis 1500 m)
- subalpin (nördlich der Alpen ab ca. 1500 m bis 3000 m)
- alpin (Alpen ab ca. 3000 m)
[Bearbeiten] Übersicht über die Waldgesellschaften
[Bearbeiten] Waldnahe Staudenfluren und Gebüsche
- Staudensäume an Gehölzen: (Sonnen- und wärmeliebende) Saumgesellschaften, Staudenhalden, Laubwiesen), Trifolio-Geranietea (sanguinei)
- Waldlichtungsfluren: Schlagfluren und Vorwald-Gehölze (Stauden-Gebüsch)) Epilobietea (angustifolii)
- Hochstaudenfluren und Hochstaudengebüsche
[Bearbeiten] Nadelwälder und verwandte Heiden
- Kalk-Kiefernwälder, Erico-Pinetea
- Kiefern-Steppenwälder, Pulsatillo-Pinetea
- Saure Nadelwälder, Vaccinio-Piceetea
- Rauschbeer-Waldkiefern-Moorwald Vaccinio uliginosi-Pinetum sylvestris, Waldkiefern-Moorwald auf oligotrophen Torfen im Ufersaum dystropher Gewässer und auf Hochmooren
[Bearbeiten] Laubwälder und verwandte Gebüsche (Querco-Fagetea)
[Bearbeiten] Auwälder und Bruchwälder
- Hartholzauenwälder i.e.S. Alno-Ulmion
- Winkelseggen-Erlen-Eschenwald Carici remotae-Fraxinetum, Eschenwald an Fließgewässern auf nassen Kalkböden
- Traubenkirschen-Erlen-Eschenwald Pruno-Fraxinetum, Sumpfwald der Niederungen und Auen auf Anmoorgley und Nassgley
- Hainmieren-Erlen-Auenwald Stellario-Alnetum glutinosae, Schwarzerlen-Auenwald der häufig überfluteten Schwemmböden im Sommerhochwasserbereich von kalkarmen Bächen und kleineren Flüssen
- Uferweidengebüsche und Weidenwälder, Salicetea purpureae
- Silberweidenwald Salicetum albae, Silberweiden-Bruchweiden-Hohe Weiden-Schwarzpappel-Korbweide-Bestand, der häufig und auch länger überfluteten Bereiche der Flüsse und Ströme (unterhalb des Sommerhochwassers), auf Kiesen und Sanden (Rohböden)
- Erlenbrüche Alnion glutinosae, z. B.:
- Walzenseggen-Erlenbruchwald Carici elongatae-Alnetum, Erlenbruchwald auf intakten Niedermoorböden mit hohem Grundwasserstand, unterschiedliche Trophiestufen, (nährstoffreich)
- Moorseggen-Erlenwald Carici laevigatae-Alnetum, Erlensumpfwald auf Niedermoorböden
- Birken-Bruchwälder, Betulion pubescentis, z. B.:
- Karpatenbirken-Bruchwald, Betuletum carpaticae, lichter Birken-Moorwald an den Rändern quelliger Hoch- und Zwischenmoore in den montanen Lagen der Mittelgebirge
- Birkenbruchwald, Betuletum pubescentis, lichter Birkenbruchwald, Birken-Moorwald auf nährstoffarmen Torfböden am Rande von Hoch- und Zwischenmooren sowie dystrophen Gewässern im nass-oligotrophen Bereich
[Bearbeiten] Eichenmischwälder, Quercetalia
Beispiele:
- Stieleichen-Ulmenwald Querco-Ulmetum minoris, Hartholzaue periodisch überfluteter, sandiger Auenlehme
- Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald Stellario-Carpinetum, Hainbuchen-Stieleichen-Vogelkirschen-Winterlinden-Mischwald auf frischen bis feuchten, kalkarmen, nährstoffreichen Gleyen
- Birken-Eichenwald, Betulo-Quercetum, trockene bis frische nährstoffarme Sandböden
- Elsbeeren-Eichen-Hainbuchenwald, Galio-carpinetum, flachgründige, wechseltrockene Böden mit unausgeglichenem Lufthaushalt
- Habichtskraut-Traubeneichenwald Hieracio-Quercetum petraeae, Eichen-Trockenwald auf trockenen, flachgründigen, nährstoff- und basenarme Böden (Ranker) auf Felszersatz und Felsen sowie an südexponierten Steilhängen
[Bearbeiten] Buchenmischwälder, Fagetalia
Beispiele:
- Eichen-Buchenwald Lonicero periclymeni-Fagetum, Rotbuchen-Traubeneichen-Stieleichen-Mischwald auf frischen bis trockenen, basenarmen und mäßig nährstoffreichen, schwach anlehmigen Sandböden
- Bärlapp-Hainsimsen-Buchenwald, Luzulo-Fagetum lycopodietosum, Buchen-Tannen (Fichten)-Mischwald auf sauren Silikatböden (Sand, verwitterter Granit) montaner Lagen
- Seggen-Buchenwald Carici fagetum, auf flachgründigen Kalkböden (Rendzina) und Klippenstandorte; häufig südexponiert
- Flattergras-Buchenwald Milio-Fagetum, bodensaurer Buchen-Stieleichen-Eschen-Mischwald der planaren Stufe, Lössböden, Sandlössböden und sandige Lehmböden der Grundmoräne, mesotrophe, zum Teil pseudovergleyte Parabraunerden und Braunerden
- Eschen-Bergahorn-Schluchtwald Fraxino-Aceretum pseudoplatani, edellaubholzreiche Block-, Schutt- und Hangwälder auf meist tiefgründigen Braunerden oder Rendzinen im Bereich luftfeuchter, kühler Hanglagen; auch auf alluvialen Bach- und Flusssedimenten sowie auf feinerdereichen Blockschuttfeldern
- Kalkbuchenwald: Waldgersten-Buchenwald, Hordelymo-Fagetum, Buchenwald basenreicher Böden über Kalkgestein, Rendzina, Braunerde-Rendzina, Braunerden, Löß sowie Parabraunerden
- Spitzahorn-Lindenwald, Aceri-Tilietum platyphylli, Blockschutthalden-Wald der montanen Stufe
[Bearbeiten] Wissenschaftliche Klassifikationen
[Bearbeiten] Literatur
- Heinz Ellenberg: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. 5. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1996. ISBN 3825281043.
- Hans-Jürgen Otto: Waldökologie. UTB, Stuttgart 1994, ISBN 3825280772.