Çatal Hüyük
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Çatal Hüyük, korrekt Çatal Höyük (türk.: çatal = Gabel, Gabelung; höyük = Hügel), ist eine in der Türkei ausgegrabene Siedlung aus der Jungsteinzeit. Sie liegt knapp 40 km südöstlich der Stadt Konya auf der Hochebene Anatoliens und hatte etwa 5.000 bis 6.000 Einwohner.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Forschungsgeschichte
Entdeckt wurde die Siedlung in den späten 1950er Jahren. Zwischen 1961 und 1965 wurde von dem britischen Archäologen James Mellaart eine Fläche im Südwesten des Hügels ausgegraben. Er legte die Reste von über 160 Häusern frei. Seit 1993 finden unter Leitung von Ian Hodder, Stanford, Surveys, 1995-1999 Ausgrabungen statt. Hodder arbeitete in dem alten Schnitt Mellaarts, einem neuen Schnitt im Norden des Hügels, auf dem chalkolithischen Westhügel und einem Schnitt an der Nordkante des Hügels (KOPAL, „Konya-Plain palaeoenvironmental project“). Wegen seines außerordentlichen Alters, seiner Größe, der Wandmalereien und sonstiger Kunst innerhalb der Häuser wurde Çatal Höyük schnell weltweit berühmt.
[Bearbeiten] Datierung
Mellaart definierte 14 Schichten, 0-XII (VI in A und B unterteilt). Nach 14C-Daten bestand die Siedlung von 7400/7100 bis 6500/6300 cal BC. Es existieren auch Dendrodaten, die aber bisher nicht in eine durchgehende Kurve eingepasst werden konnten.
Mellaart versuchte die Dauer der Schichten auch durch die Zahl der Putzschichten in den Häusern zu ergründen. Er nahm an, dass der Putz jährlich erneuert wurde.
Schicht | Zahl der Putzschichten |
---|---|
II | 50-60 |
III | 40 |
IV | 40 oder weniger |
V | 50 |
VI A | 60 und mehr |
VI B | 100-120 |
VII | 120 |
Nach neueren 14C-Daten scheint dieser Zeitrahmen aber zu lang zu sein.
[Bearbeiten] Bedeutung
Erste Besiedlungsanzeichen von Çatal Höyük deuten auf 7400 v. Chr.. Nach jetzigem Forschungsstand war sie vor 8.000 Jahren die größte Siedlung der Welt. Das Besondere an dieser Siedlung sind nicht die Bildnisse; Darstellungen einer weiblichen Göttin, manchmal als Magna Mater (lat. „große Mutter“) bezeichnet, sind aus dieser Zeit auch an anderen Orten ausgegraben worden. Der Grundriss der Siedlung ist das Außergewöhnliche. Die Häuser standen alle wie Bienenwaben dicht an dicht (vergl. Pueblos in Nordamerika). Gassen, Durchgänge, Straßen und Plätze fehlten ganz. Es gab auch keine Türen und Fenster an den Häusern. Man stieg über eine Leiter aufs Dach und von dort durch eine Luke ins Haus.
Durch die Bauweise und ohne effiziente Belagerungstechnik erübrigte sich auch eine „Stadtmauer“. Allerdings waren die bewaffneten Männer der Stadt, die auf einigen Bildern als Jäger mit Speeren abgebildet sind, schon aufgrund ihrer Zahl für umherziehende Sammler- und Jägergruppen selbst im Stammesverband unangreifbar. Konkurrierende Siedlungen, die eine vergleichbare Kriegerzahl hätten aufbieten können, sind nicht bekannt. In Çatal Höyük wurden Kugeln aus Ton gefunden, die wahrscheinlich Schleudergeschosse sind, sowie Darstellungen von Menschen mit Schleudern[1].
Diese gravierenden Unterschiede zum urbanen Bild des allerdings viel späteren Uruk etc. machen deutlich, dass die Siedlung eine ganz andere Sozialstruktur als die späteren Städte hatte. Allem Anschein nach gab es in Çatal Höyük keine für Städte kennzeichnenden zentralen Einrichtungen wie Palast und Tempel in einem Regierungsviertel. Daher gibt es Theorien, wonach die Menschen in einer Art von Anarchie lebten, jedenfalls aber ohne große Klassenunterschiede. Alles deutet bis jetzt auf die Abwesenheit von großen Eigentums- oder Machtunterschieden hin. Die Abwesenheit nicht nur von Palästen und Herrschaftshäusern, sondern auch von Villen, also besonders großen Häusern, lässt einige Autoren annehmen, dass hier eine Urform des Kommunismus geherrscht habe. Möglich ist aber auch, dass jede Familie Eigentum am Familienhaus (Familienpueblo) und einem Stück Land besaß und die Stadt genossenschaftlich organisiert war. Alle Aussagen über die soziale Struktur der Gesellschaft von Çatal Höyük enthalten aber wegen des Alters der Fundstelle und des Mangels an schriftlichen Quellen einen hohen Anteil an Spekulation.
[Bearbeiten] Funde
Hier wurde im Jahre 1963 auch die bisher älteste kartographische Darstellung in der Menschheitsgeschichte gefunden; selbst die inneren Strukturen der Gebäude, die sich ohne jeden Zwischenraum aneinander fügen, sind mit Haupt- und Nebenräumen angedeutet. Die Wandmalerei zeigt die Siedlung um 6200 v. Chr. mit ihren Häusern und dem Doppelgipfel des Vulkans Hasan Dağı.
[Bearbeiten] Matriarchat
In der Matriarchatsforschung ist Çatal Höyük ein viel zitiertes Beispiel für eine matriarchale Kultur, in der die Geschlechter gleichberechtigt waren.
Siehe auch Geschichte der Türkei
[Bearbeiten] Literatur
- Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Die ältesten Monumente der Menschheit. Vor 12.000 Jahren in Anatolien, Begleitbuch zur Ausstellung im Badischen Landesmuseum vom 20. Januar bis zum 17. Juni 2007. Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-2072-8.
- MediaCultura (Hrsg.): Die ältesten Monumente der Menschheit. Vor 12.000 Jahren in Anatolien. DVD-ROM. Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-2090-2.
- James Mellaart: Çatal Hüyük - Stadt aus der Steinzeit. Bergisch Gladbach 1967.
- Heinrich Klotz: Die Entdeckung von Çatal Höyük - Der archäologische Jahrhundertfund. München 1997. ISBN 3406432093
- Klaus-Dieter Linsmeier, Klaus Schmidt: Ein anatolisches Stonehenge. in: Spektrum der Wissenschaft - Spezial. Spektrumverlag, Heidelberg 2003,2, S.10-15. ISSN 0943-7996 ISBN 3936278350
- Ian Hodder: Excavating Çatalhöyük: South, North and Kopal area reports from the 1995-1999 seasons. McDonald Institute for Archaeological Research, 2006, Çatalhöyük Research Project 3.
- Ian Hodder: Çatalhöyük: the leopard's tale : revealing the mysteries of Turkey's ancient 'town'. London : Thames & Hudson, 2006.
- Ian Hodder: Inhabiting Çatalhöyük: reports from the 1995-99 seasons. (Cambridge: McDonald Institute for Archaeological Research ; London: British Institute of Archaeology at Ankara 2005), BIAA monograph 38.
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Çatal Hüyük – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Irene Fleiss: Unsere Welt – Çatal Hüyük (matriarchat.net, mit Karte)
- Distelfliege: Catal Hüyük (Zusammenfassung)
- Gabriele Uhlmann: Kennst Du Çatal Höyük? (openbook, umfassende Arbeit)
- ZDF: Totenkult in Çatal Hüyük – Metropole der Jungsteinzeit (TV-Doku 2004, Programmtext)
- Bernhard Brosius: Von Cayönü nach Catal Hüyük – Entstehung und Entfaltung einer egalitären Gesellschaft (München 2004, archäologische Belege)
- Çatalhöyük Homepage (engl., offizielle Website des Grabungsteams)
Koordinaten: 37° 39' 36" n. B., 32° 45' 12" ö. L.