Alte Nikolaikirche
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Die spätgotische Alte Nikolaikirche ist eine nach dem Schutzheiligen der Fischer, dem Heiligen Nikolaus, benannte evangelische Kirche in Frankfurt am Main. Sie liegt nahe dem Main am Römerberg und ist als Teil eines charakteristischen Ensembles auch über Frankfurt hinaus bekannt. Die in ihrer heutigen Erscheinung aus dem 15. Jahrhundert stammende Kirche ist eine der acht Dotatonskirchen Frankfurts und wird seit 1949 als Gotteshaus von der Evangelischen Paulsgemeinde genutzt.
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[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Die mittelalterliche Pfalzkapelle
Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche fällt in das Jahr 1264. Grabungen während der Renovierung 1989 ergaben jedoch, dass die Kirche wesentlich älter ist. Ihren Ursprung hat sie als Kapelle des seit dem 11. Jahrhundert an dieser Stelle stehenden Saalhofes, einer königlichen Pfalz. Die bei Ausgrabungen gefundenen Grundmauern der Kapelle sind heute noch im Fußboden der Kirche markiert. Sie entstand wohl in der Regierungszeit des ersten Stauferkaisers Konrad III. (1138-1152), der zwischen 1140 und 1149 vier Fürstenversammlungen nach Frankfurt einberief, und war möglicherweise seine Hofkirche. Sie wurde am 28. Mai 1142 erstmals geweiht. Von dieser Stelle rief Bernard von Clairvaux im Jahr 1147 zum Zweiten Kreuzzug auf. 1208 heiratete König Otto IV. hier die Tochter Philipps von Schwaben.
Anders als die übrigen Frankfurter Kirchen stand sie anfangs ausschließlich dem königlichen Hof und seiner Burgmannschaft, den milites, zur Verfügung, die auch während des Interregnums die königlichen Vorrechte wahrten. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstand der Turm, Ende des 13. Jahrhunderts wurden während der Regierungszeit Rudolf von Habsburgs Langhaus und Chor der Kapelle vergrößert. Die neue Kirche wurde um die alte Kapelle herum gebaut und deren Mauern dann nach Abschluss der Bauarbeiten eingerissen.
1292 übertrug Rudolfs Nachfolger Adolf von Nassau die Kirche dem Bartholomäusstift[1] mit dem Vorbehalt des Beneficium Collationis für sich und die seinigen. Von da an war immer ein Kaplan an die Kirche abgeordnet.
[Bearbeiten] Die Nikolaikirche als Ratskapelle
Anfang des 15. Jahrhunderts gewann der Rat der Stadt allmählich immer mehr Einfluss auf die Kirche, die nun hauptsächlich als Ratskapelle diente. 1408 ließ er den Turm erneuern und eine mit Ecktürmchen ausgestattete steinerne Maßwerkgalerie anlegen, auf der die Ratsherren mit ihren Familien die Turniere, Passionsspiele und andere Veranstaltungen bewundern konnten. 1450 gestaltete Eberhard von Friedberg die Ratskapelle im spätgotischen Stil um. Das Gebäude erhielt den heutigen hohen Turm und das Stufendach. 1467 stiftete der Schöffe Wicker Frosch die Ratsmessen. Von da an fanden sich zweimal in der Woche, jeweils dienstags und donnerstags, alle Ratsherren morgens um fünf Uhr in der Kirche zum Gottesdienst vor den Ratssitzungen zusammen.
Bereits seit 1428 bestand das Almosen zu St. Nikolai, eine Stiftung Frankfurter Bürger. Dadurch entwickelte sich die Kirche zu einer Art Sozialstation. Durch die Gelder der Stiftung wurde vor der Kirche Nahrung an bedürftige Frankfurter Einwohner verteilt. Wer das Frankfurter Bürgerrecht hatte, einen guten Leumund und seine Bedürftigkeit nachweisen konnte, erhielt pro Woche zwei Laib Brot.
[Bearbeiten] Reformation und Neuzeit
Die Reformation bedeutete einen Einschnitt in der Geschichte der Nikolaikirche. 1530 wurde die katholische Messe und damit die Ratsgottesdienste in Frankfurt abgeschafft. Die Kirche wurde geschlossen, ihre Altäre 1543 abgebrochen. Auch nach dem Augsburger Interim 1548, das die Rückgabe des Domes und der Stiftskirchen an die Katholiken bedeutete, wurde die kleine Nikolaikirche nicht mehr für den lutherischen Gottesdienst der Bürgergemeinde benötigt. Für über 150 Jahre wurde sie verpachtet und als Archiv des städtischen Schöffengerichts sowie zu Messezeiten zeitweise als Warenlager genutzt. Auf dem Turm war ein Trompeter stationiert, der ankommende Kähne auf dem Main durch Hornstöße ankündigte. Vor der Abfahrt des Mainzer Marktschiffes hatte er den Choral In Gottes Namen fahren wir zu blasen.
1719 wurde der Pachtvertrag gekündigt und die Kirche nach einer Restauration 1721 erneut eingeweiht. Seither wird sie als evangelische Kirche genutzt, zunächst als Garnisonkirche für das Militär und für ein Waisenhaus. Nachdem 1786 die alte gotische Barfüßerkirche am Paulsplatz abgerissen worden war, diente die Nikolaikirche bis zur Einweihung der neuen Paulskirche als Ausweichquartier. 1805 plante der Frankfurter Stadtbaumeister Johann Georg Christian Hess bereits ihren Abriss, um sie durch ein klassizistisches Messehaus zu ersetzen, doch unterblieb dieser Neubau aus Geldmangel. Allerdings war auch für die dringend notwendige Restaurierung der baufälligen Kirche kein Geld vorhanden.
Erst 1838 wurde die Kirche gründlich erneuert. Das bislang geschlossene, zum Samstagsberg weisende Nordportal wurde geöffnet, Dach, Galerie und Ecktürmchen erneuert. Die Turmspitze wurde abgetragen und durch einen achteckigen, durchbrochenen Maßwerkhelm aus Gusseisen nach dem Vorbild des Freiburger Münsters ersetzt.[2]
1840 wurde die Nikolaikirche im Tausch gegen die abgerissene Heiliggeistkirche in die Dotation aufgenommen. Bis heute steht sie deshalb im Eigentum der Stadt Frankfurt, die für ihre Erhaltung verantwortlich ist.
Von März 1848 bis Juni 1852 musste die Nikolaikirche wiederum aushelfen, während die Paulskirche Sitz der Frankfurter Nationalversammlung war und anschließend eine umfassende Renovierung benötigte.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war der gusseiserne Turmhelm so beschädigt, dass er 1904 abgerissen und durch das noch heute bestehende spitze Kupferdach ersetzt wurde.
[Bearbeiten] Die Nikolaikirche als Gemeindekirche
Am 27. September 1899 wurde die Kirchengemeinde- und Synodalordnung für Frankfurt am Main erlassen, in der die Vereinigung des bis dahin getrennten lutherischen und reformierten Konsistoriums und die Aufteilung des Stadtgebiets in sechs lutherische Gemeinden und zwei reformierte Gemeinden festgelegt wurde. Bislang hatten die evangelischen Frankfurter Familien selbst zu wählen, zu welcher Kirche oder zu welchem Prediger sie sich halten wollten; nunmehr wurden auch in Frankfurt Parochien eingeführt.
Zu den neu gegründeten Gemeinden zählte auch die Nicolaigemeinde. Sie erhielt zunächst die Nikolaikirche als Gottesdienststätte, obwohl sich ihr Gemeindegebiet weit entfernt im dichtbesiedelten Ostend befand. Zudem erwies sich die Nikolaikirche bald als zu klein, so dass die Nicolaigemeinde 1909 einen Neubau in der Waldschmidtstraße am Frankfurter Zoo bezog, die Neue St. Nicolaikirche.
Im Zweiten Weltkrieg gehörte die Alte Nikolaikirche zu den ganz wenigen historischen Gebäuden in der Frankfurter Innenstadt, die im Bombenkrieg verschont blieben. Durch die Zerstörungen war die Wohnbevölkerung der Altstadt stark zurückgegangen. Die ausgebrannte Paulskirche wurde daher nicht mehr als Kirche benötigt. Als Nationaldenkmal dient sie seit ihrem Wiederaufbau 1948 vornehmenlich für Ausstellungen und staatliche oder städtische Veranstaltungen. Die Paulsgemeinde erhielt 1949 die Alte Nikolaikirche als Gemeindekirche zugewiesen. Bei der feierlichen Übergabe und Einweihung 1949 predigte der Kirchenpräsident Martin Niemöller.
1989 bis 1992 fand die bislang letzte umfassende Renovierung der Kirche statt, bei der erstmals die mittelalterliche Baugeschichte im Rahmen der Ausgrabungen dokumentiert werden konnte.
[Bearbeiten] Heutiges Gemeindeleben
Die Kirche versteht sich wegen ihrer zentralen Lage als „Besucherkirche“ und ist zur Erbauung der Besucher, die aus aller Welt hier vorbeikommen, ganztägig geöffnet. Sie hat ein reges Gemeindeleben mit vielfältiger Kirchenmusik und anderen wechselnden Angeboten auch für den eiligen Touristen. Personell ist die Pfarrei auf englischsprachiges, internationales Publikum optimal eingestellt; es werden öfters zweisprachige, englisch-deutsche Gottesdienste, Andachten und Vespern gehalten. Mit der indonesischen Christengemeinde Frankfurts besteht eine enge Beziehung, die sich auch im teilweise gemeinsam gestalteten Gemeindeleben niederschlägt.
[Bearbeiten] Architektur
Die Nikolaikirche ist eine doppelschiffige Hallenkirche der Frühgotik, mit einem schmalen nördlichen Seitenschiff und einem breiten Hauptschiff sowie einem hochgotischen Chorgewölbe. An ihrer Außenseite befinden sich in einer Nische eine steinerne Nikolausfigur sowie Portalplastiken des 13. Jahrhunderts. Im Innern sind die Steinplastik eines Schmerzensmanns von 1370 (Original im Historischen Museum) sowie zwei farblich gefasste Grabplatten für den 1386 verstorbenen Schultheißen Siegfried von Marburg zum Paradies und seine 1378 verstorbene Ehefrau Katharina von Wedel besonders erwähnenswert. Die Epitaphien werden Madern Gerthener zugeschrieben, der sich in Frankfurt u.a. als Dombaumeister und Architekt der Leonhardskirche und des Eschenheimer Turms hervortat. Unter den floral gestalteten Konsol- und Schlusssteinen des Kreuzrippengewölbes ragt der Schlussstein des Hauptschiffjoches mit dem auf einer Wolke schwebenden Hl. Nikolaus im wahrsten Sinn des Wortes besonders hervor.
[Bearbeiten] Orgel
Die Orgel ist als sogenannte Schwalbennestorgel an der Rückwand des Kirchenschiffes installiert. Das 1992 erbaute zweimanualige Werk des 'Orgelbauers Gebrüder Oberlinger verfügt über 23 Register.
[Bearbeiten] Glocken
Anstelle der im zweiten Weltkrieg verloren gegangenen Glocken erhielt die Nikolaikirche 1956 ein neues Geläut aus vier Glocken. Bedingt durch den schlanken Turm sind sie relativ klein und klingen in ein- bis zweigestrichener Tonlage. Sie wurden von der Gießerei Rincker in Sinn gegossen und haben diese Inschriften:
- Versöhnungsglocke - gis′, 584 kg, Ø 100,6 cm
- Lasset euch versöhnen mit Gott (2 Kor. 5, 20)
- Christusglocke - h′, 351 kg, Ø 84,7 cm
- Einer ist euer Meister, Christus (Mt. 23,10)
- Dankesglocke - cis′′, 238 kg, Ø 75,2 cm
- Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster (Ps. 92, 2)
- Gebetsglocke - e′′, 145,5 kg, Ø 63,4 cm
- Wenn ich dich anrufe, erhörst du mich und gibst meiner Seele große Kraft (Ps. 138, 3)
Die Glocken der Alten Nikolaikirche wiegen zusammen etwa 1,3 t und sind mit ihrem Vierklang auf das Frankfurter Stadtgeläute abgestimmt. Die nächstliegenden, im Zusammenspiel am besten vernehmbaren Glocken läuten im Dom (9), in der Paulskirche (6) und in der Leonhardskirche (6).
Außerdem besitzt diese Kirche seit 1939 ein harmonisches Glockenspiel. Das heutige Glockenspiel wurde 1957 gegossen und 1959 und 1994 auf insgesamt 47 Glocken erweitert. Es deckt den Tonumfang von g1 bis c5 ab (davon c2 bis c5 chromatisch) ab. Die Glocken wiegen zusammen 3.500 Kilogramm, wobei die größte von ihnen allein 560 Kilogramm schwer ist. Es ist täglich dreimal um fünf Minuten nach der vollen Stunde um 9:05, 12:05 und 17:05 Uhr zu hören. Dabei werden programmgesteuert zwei Melodien abgespielt, ein Kirchen- und ein Volkslied.
Auf dem Glockenspiel kann man aber auch über eine Klaviatur und Pedale wie auf einer Orgel andere Melodien spielen. Solche Konzerte finden im allgemeinen nur zu besonderen Anlässen statt.
[Bearbeiten] Erwähnenswertes
Nachts sind Kirche und Turm angestrahlt, so dass sich für den ganzen Platz des Römerbergs ein harmonisches Bild zusammen mit dem Römer und der historischen Häuserzeile auf der anderen Seite ergibt.
Von der Dachgalerie ertönen zur Adventszeit, wenn der Weihnachtsmarkt sich über den darunterliegenden Römerberg ausbreitet, öfter Konzerte eines Posaunenchors.
[Bearbeiten] Literatur
- Werner Becher: Alte Nikolaikirche Frankfurt, Regensburg, 2. Aufl. 2000, Schnell & Steiner Kunstführer Nr. 2197, ISBN 3-7954-5946-X
- Werner Becher, Roman Fischer: Die Alte Nikolaikirche am Römerberg. Studien zur Stadt- und Kirchengeschichte; Frankfurt am Main: Kramer 1992; (Studien zur Frankfurter Geschichte, Band 32); ISBN 3-7829-0419-2
- Konrad Bund (Hrg.): Frankfurter Glockenbuch. Frankfurt 1986. Verlag Waldemar Kramer, ISBN 3-7829-0211-0 (mit formal falscher ISBN ausgeliefert und katalogisiert, Suche über KVK möglich)
- Wolf-Christian Setzepfandt: Architekturführer Frankfurt am Main. 3. Auflage. Dietrich Reimer Verlag, Berlin August 2002, S. 2, ISBN 3496012366.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Elsbeth Orth, Frankfurt am Main im Hochmittelalter, in: Frankfurter Historische Kommission (Hrg.), Frankfurt am Main - Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen. Sigmaringen 1991. Jan Thorbecke Verlag, ISBN 3-7995-4158-6
- ↑ Hans Lohne: Frankfurt um 1850. Nach Aquarellen und Beschreibungen von Carl Theodor Reiffenstein und dem Malerischen Plan von Friedrich Wilhelm Delkeskamp. Blatt J11/12, Frankfurt am Main, Verlag Waldemar Kramer, 1967
[Bearbeiten] Weblink
- Homepage der Kirchengemeinde u.a. mit Baugeschichte und Führung
- Beschreibung der Oberlinger-Orgel mit Klangbeispielen
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Koordinaten: 50º 06' 35" N, 8º 40' 56" O