Andengemeinschaft
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Die Andengemeinschaft (früher Andenpakt oder Andengruppe, span. Comunidad Andina de Naciones, Abkürzung: CAN) ist eine Internationale Organisation in Südamerika. Sie besteht aus den Mitgliedstaaten Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru und hat die wirtschaftliche und soziale Integration dieser Länder zum Ziel.
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[Bearbeiten] Geschichte
Der Integrationsprozess begann 1969 mit der Unterzeichnung des Abkommens von Cartagena (Andenpakt) und umfasste zunächst Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru. Venezuela schloss sich 1973 an, Chile trat 1976 aus dem Andenpakt aus. Das Abkommen von Cartagena wurde sukzessive modifiziert und erweitert und gipfelte im Jahr 1997 durch Inkrafttretens des Protokolls von Trujillo, einer Reform des 1969 unterzeichneten Cartagena Abkommens zur Gründung des Andenpakts, in der Gründung der Andengemeinschaft. Mit diesem Integrationssystem assoziiert sind die Staaten Mexiko, Panama und Chile, sowie die Mitgliedstaaten des Mercosur seit dem 7. Juli 2005. Venezuela trat am 22. April 2006 aus. Chile wurde am 20. September 2006 als assoziiertes Mitglied aufgenommen.
Seit 1994 besteht zwischen den Mitgliedsländern (mit Übergangs- und Ausnahmeregelungen) eine unvollkommene Zollunion. Die Mitglieder Ekuador und Kolumbien verfügen über einen gemeinsamen Zolltarif für Güter aus Drittstaaten und eine einheitliche Nomenklatur. Peru und Bolivien haben nicht die gleichen Außenzölle wie Kolumbien und Ekuador. Peru suspendierte seine Mitgliedschaft in der Zollunion Anfang der 90er Jahre aufgrund von Handelsstreitigkeiten mit Kolumbien und Venezuela (wegen angeblich unzulässiger Subventionierung der heimischen Exportindustrie) und gehört daher dieser Zollunion noch nicht an.
In Bezug auf die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit den USA gab es unter den Mitgliedsländern der Andengemeinschaft keine gemeinsame Position. Nur die drei Mitgliedsländer Kolumbien, Peru und Ekuador nahmen Verhandlungen mit den USA auf. Obwohl diese drei Länder ursprünglich vereinbart hatten, gemeinsam mit den USA zu verhandeln, waren die Regierungen nicht in der Lage, durch die Erarbeitung gemeinsamer Positionen ihre Verhandlungsposition zu stärken. Peru schloss am 8. Dezember 2005 die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA als erster Staat der Andenregion bilateral ab. Es folgte 2006 Kolumbien mit der Unterzeichnung eines bilateralen Freihandelsvertrages mit den USA. Ekuador setzte 2006 seine Verhandlungen mit den USA aus. Der im November 2006 gewählte Präsident von Ekuador Rafael Correa schloss für sein Land einen Freihandelsvertrag mit den USA aus.
[Bearbeiten] Andenpräsidentenrat
Der Andenpräsidentenrat ist höchstes und auch Leitungsorgan der CAN. Er besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, die in der Regel einmal im Jahr in demjenigen Staat zusammenkommen, der den Vorsitz innehat. An dessen Tagungen nehmen ebenfalls die Präsidenten derjenigen Staaten teil, denen aufgrund von Assoziierungsabkommen ein Beobachterstatus gewährt wurde. Der Andenpräsidentenrat legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für den Integrationsprozess fest und gibt die notwendigen Impulse in Bereichen, die von gemeinsamem Interesse sind. Angesprochen sind damit aber nicht nur die vergemeinschafteten Materien, sondern auch die Bereiche intergouvernementaler Zusammenarbeit, wie etwa die gemeinsame Außenpolitik der CAN. Des Weiteren sorgt er für die koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Organisationen und Institutionen des Integrationssystems zwecks Erreichung der gemeinsamen Ziele. Es obliegt ihm auch die Bewertung der Entwicklung und Ergebnisse des Integrationsprozesses. Vor dem Hintergrund der neuen, weltoffenen Ausrichtung des Integrationsprozesses muss der Andenpräsidentenrat sich mit den politischen Fragen der Außenbeziehungen der CAN befassen. Seine Lenkungsfunktion nimmt er dadurch wahr, dass er zu den Berichten, Initiativen und Empfehlungen der Organe und Institutionen Stellung nimmt („Pronunciamientos“) und Richtlinien („Directrices“) an sie erlässt, damit seine politischen Zielvorstellungen umgesetzt werden.
[Bearbeiten] Ziele
Die regionale Agenda der Andengemeinschaft wird im Wesentlichen von den Präsidenten der Andenländer bei ihren Gipfeltreffen festgelegt. Die Prioritäten und ihre Reihenfolge ändern sich je nach dem turnusmäßig wechselnden Vorsitz.
[Bearbeiten] Politische Ziele
Hauptziel der politischen Agenda ist die Festlegung einer gemeinsamen Außenpolitik. Auf dieses Konzept verständigten sich die Länder 1998. Auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene bemüht sich die CAN um eine Annäherung der Positionen der einzelnen Länder, um gemeinsame Standpunkte anzunehmen.
Eine wichtige Rolle spielt auch die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Ein gemeinsamer Standpunkt im Bereich der Drogenbekämpfung führte im Jahr 2001 zur Annahme des andinen Kooperationsplans zur Bekämpfung illegaler Drogen und der damit verbundenen Straftaten.
[Bearbeiten] Wirtschaftliche Ziele
Es wird ein gemeinsamer Binnenmarkt angestrebt. Ziel ist die Einführung eines gemeinsamen Außenzolls, der bislang nur in Ansätzen vorhanden ist, die Schaffung einer gemeinsamen Agrarpolitik, die Angleichung bestimmter Rechtsvorschriften (Wettbewerb, Investitionsschutz, Doppelbesteuerung), die Harmonisierung bestimmter Daten wie der Statistiken sowie die Einhaltung bestimmter Konvergenzkriterien bei den makroökonomischen Politiken (ähnlich dem Stabilitäts- und Wachstumspakt in der EU). Nicht nur die Waren, sondern auch die Personen sollen frei verkehren können.
Wenn auch vom Abkommen von Cartagena nicht ausdrücklich erwähnt, geht aus der in Art. 51 lit. d geplanten Harmonisierung der Wechsel-, Währungs-, Finanz- und Steuerpolitiken der Andenstaaten mittelbar hervor, dass die CAN langfristig ebenfalls die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion anstrebt. Die Wirtschafts- und Währungsunion wird als die vollkommenste Integrationsform angesehen, da sie quasi die schrittweise Verschmelzung der mitgliedstaatlichen Volkswirtschaften impliziert. Bei einer Wirtschafts- und Währungsunion betreiben die Mitgliedstaaten nämlich zusätzlich eine einheitliche Wirtschaftspolitik, vor allem in den Bereichen Finanz- und Währungspolitik, und verfügen über eine einheitliche Währung.
Was die Außenbeziehungen anbelangt, so stehen im Terminkalender der Agenda zahlreiche internationale Handelsverhandlungen. Es besteht der Anspruch, in verschiedenen Gremien mit einer Stimme zu sprechen: in den meisten internationalen Foren, bei den Handelsverhandlungen mit dem Mercosur, bei den Verhandlungen über die Verlängerung der von den Vereinigten Staaten und der EU gewährten Handelspräferenzen. Außerdem äußerte die CAN den Wunsch, mit der EU Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen aufzunehmen, das in erster Linie ein Gegengewicht zur FTAA darstellen soll. Wie Mexiko, der Mercosur und Chile wollen die Andenländer durch Freihandelsvereinbarungen ihre Handelsbeziehungen auf Dauer ausbauen.
[Bearbeiten] Bedeutung
Gemeinsame Sprache der Mitgliedsländer ist Spanisch. Die CAN ist hauptsächlich ein Verbund der ärmsten südamerikanischen Staaten.
Die Andengemeinschaft ist der drittgrößte Integrationsraum Amerikas nach der NAFTA und dem Mercosur. Allerdings ist die CAN bedeutend kleiner als der Mercosur. Nach dem Austritt Venezuelas aus der CAN hat sie noch weiter an Bedeutung verloren. Venezuelas Präsident Chávez begründete den Austritt seines Landes mit der durch Kolumbien und Peru getätigten Unterzeichnung von bilateralen Handelsabkommen mit den USA.
Die vergleichsweise geringe Bedeutung der Andengemeinschaft zeigt sich auch in der Tatsache, dass das vergleichsweise reiche Chile eine Assoziierung mit dem Mercosur einer Mitgliedschaft in der CAN vorgezogen hat.
Die Exporte der Andenländer sind wenig diversifiziert und bestehen größtenteils aus Rohstoffen und Erzeugnissen der ersten Verarbeitungsstufe. Kolumbien exportiert Kohle, Mineralien, Kaffee und Schnittblumen. Bolivien exportiert vor allem Mineralien, verzeichnet aber auch zunehmende Gasexporte. Ecuador exportiert hauptsächlich Bananen, Erdöl und Garnelen.
[Bearbeiten] Geografie und Ressourcen
Die südamerikanische Andenregion umfasst eine Vielzahl verschiedener klimatischer und geografischer Dimensionen. Alle vier Länder haben jedoch Zugang zur Gebirgskette der Anden und zum Amazonasbecken. Jedoch unterscheiden sich die Länder bezüglich der weiteren geografischen Lage teilweise deutlich. Diese Unterschiede sind mit dafür verantwortlich, dass die politischen und ökonomischen Interessen der Länder im Rahmen der Andengemeinschaft z. T. deutlich divergieren.
Alle Andenländer verfügen über beträchtliche natürliche Ressourcen, die noch weitgehend ungenutzt sind, wie beispielsweise das Potenzial der Biodiversität, die Wasserressourcen und die Meeresressourcen. Auch Bodenschätze sind reichlich vorhanden.
[Bearbeiten] Bevölkerung
Die Andengemeinschaft stellt einen kulturell und sprachlich vergleichsweise homogenen Raum dar. Zwar weisen die vier Länder unterschiedliche Ureinwohner auf, jedoch verfügen sie alle über dieselbe (Amts-)Sprache (Spanisch) und einen ähnlichen historischen Hintergrund, da sie bis zum 19. Jahrhundert Teil des spanischen Reiches waren. Diese Gemeinsamkeiten ließen sie, vom Befreier Simón Bolívar angeführt, die Gründung eines gemeinsamen Staates anstreben, welcher aufgrund interner Rivalitäten zwischen den Generälen Bolívars jedoch nur zwischen Venezuela, Ecuador und Kolumbien zustande kam, während Peru und Bolivien als unabhängige Staaten fortexistierten. Der Traum eines „Großkolumbiens“, auch „Bolivarianischer Traum“ (sueño bolivariano) genannt, ging in die Geschichte ein und stellt heutzutage die philosophische Grundlage der Integration zwischen den Andenstaaten dar.
Bezüglich der Entwicklungstendenzen ähneln sich die Länder: Sie weisen alle ein eingedämmtes Bevölkerungswachstum, eine fortschreitende Verstädterung und eine relativ niedrige durchschnittliche Bevölkerungsdichte auf.
[Bearbeiten] Literatur
- Kühn, Werner Miguel: Die Andengemeinschaft : juristische Aspekte der internationalen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und lateinamerikanischen Integrationssystemen im Zeitalter des neuen Regionalismus, Aachen : Shaker Verlag, 2003. - XLII, 292 S. - (Berichte aus der Rechtswissenschaft) Zugl.: Kiel, Univ., Diss., 2003, ISBN 3-8322-2102-6
- Winter, Johannes und Scharmanski, André: Sind die Andenstaaten unregierbar? Ursachen der politischen Krise in Bolivien, Ecuador und Peru in: Zeitschrift Entwicklungspolitik 14/2005, S. 30-34. Download als PDF-Datei
- Zimmek, Martin: Integrationsprozesse in Lateinamerika: Aktuelle Herausforderungen in Mitelamerika und der Andenregion, Discussion Paper C 153, Bonn: ZEI, 2005, 25 S. Download als PDF-Datei
- Köpke, Ronald: Implikationen der Handelsvereinbarungen der EU mit Zentralamerika und den Andenländern. Hrsg. v. FDCL, Berlin, Dez. 2006. Download als PDF-Datei