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Ausdruckstanz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Ausdruckstanz, auch Modern Dance (engl. Moderner Tanz), Freier Tanz, Expressionistischer Tanz oder German Dance, entstand als Gegenbewegung zum klassischen Ballett mit dem beginnenden 20. Jahrhundert. Er wird im Gegensatz zum Gesellschaftstanz nicht zur "oberflächlichen" Unterhaltung getanzt, sondern dient dem individuellen und künstlerischen Darstellen (und z.T. auch Verarbeiten) von Gefühlen und Emotionen der tanzenden Personen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

Zuerst wurde nach Wegen gesucht, aus den erstarrten festgeschriebenen Formen wieder zur natürlichen Bewegung des Körpers zu finden.

[Bearbeiten] Anfänge

Die erste berühmte Vertreterin war Isadora Duncan. Sie wollte Körper, Seele und Geist in ihrer Kunst miteinander verbinden und holte sich ihre Anregungen aus den Abbildungen auf griechischen Vasen und dem, was sie in den Werken griechischer Dramatiker und Philosophen an Beschreibungen des alten griechischen Tanzes fand. Außerdem war sie die erste Tänzerin, die auch über ihre Kunst schrieb und eine Tanztheorie entwickelte.

In Deutschland war Clotilde von Derp ab 1910 in München die erste Repräsentantin des „Modernen Tanzes“. Emil Jaques-Dalcroze gründete seine Schule für Rhythmische Gymnastik in Hellerau bei Dresden. Und viele andere freie Gymnastikstile und -schulen entstanden.

Ein Zentrum für diese Zurück-zur-Natur-Bewegung gab es in der Schweiz in Ascona. Dort lehrte und arbeitete Rudolph von Laban. Er unternahm den Versuch, die Bewegungslehre des Ausdruckstanzes theoretisch zu festigen und eine Tanzschrift dafür zu entwickeln. Da er später in England lebte und wirkte, ist sein Einfluss im kreativen Tanz dort am stärksten, vor allem im pädagogischen Bereich in der Arbeit mit Kindern.

Mit dem gesellschaftlichen Umbruch durch den Ersten Weltkrieg fand dann in allen Künsten ein Ausbruch aus vorgegebenen, veralteten, dem neuen Lebensgefühl nicht mehr entsprechenden Formen statt. Der intensive, dramatische, in Farben, Tönen, Worten und Bewegungen explodierende Ausdruck des persönlichen Erlebens stand im Mittelpunkt und wurde zum Expressionismus. Bizarres, Schräges, die Form Zerstörendes gehörte dazu, auch die Verwendung von Masken. Und als Begleitmusik zum Ausdruckstanz wurden neben bekannter Musik Trommeln, Xylophone und alle Arten von Rhythmusinstrumenten verwandt. Es gab sogar Tänze ohne Musik. Individuelle Gestaltung, Improvisation, Einzeltanz standen im Vordergrund.

So wurde der Ausdruckstanz vor allem durch einzelne Persönlichkeiten bekannt. Am nachhaltigsten durch Mary Wigman, ihre Schüler Harald Kreutzberg und Gret Palucca sowie Dore Hoyer.

Auch die Frauenbewegung spielte bei dieser Entwicklung eine Rolle. Immer neue Tänzerinnen stellten sich mit ihren Performances der Öffentlichkeit vor. Sie alle waren eigenständige, starke Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nahmen und sich von niemandem in ihrer Kunst bevormunden ließen; und sie erwiesen sich als höchst kreativ.

[Bearbeiten] Weimarer Republik

Dresden wurde in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zum Mekka dieser neuen Tanzkunst. Mary Wigman gründete dort ihre Tanzschule 1920, Gret Palucca 1924. Tänzerinnen und Tänzer aus aller Welt kamen, um bei ihnen zu lernen. Der Japaner Ohno Kazuo sah Wigman, Kreutzberg und Hoyer tanzen und wurde dadurch (und durch andere Einflüsse) inspiriert, den Butoh-Tanz zu entwickeln. Wigmans Assistentin Hanya Holm ging 1931 nach Amerika, um dort ihre Soloabende zu geben und eine Wigman-Schule zu gründen. Die Amerikanerin Martha Graham wurde zur bedeutendsten Tänzerin, Lehrerin und Choreografin der neuen Kunstform unter dem Namen Modern Dance in den USA. Sie gründete ebenfalls eine Schule und gab dem Modern dance ein dem klassischen Ballett-Kodex vergleichbares Vokabular. 1957 kam Martha Graham nach Deutschland und trat in der Akademie der Künste im Rahmen der Berliner Festwochen auf. Es gibt ein Bild, auf dem Mary Wigman und Dore Hoyer nach ihrem Auftritt mit ihr zusammen auf der Bühne stehen: Die drei bedeutendsten Tänzerinnen des modernen Tanzes. (Bild In: Müller/Peter/Schuldt: Dore Hoyer: Tänzerin. a.a.O. , S. 59)

Weitere Pioniere des Ausdruckstanzes waren in Hamburg Gertrud und Ursula Falke, der Arbeitertänzer Hans Weidt, die Maskentänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt. In Schweden arbeiteten Birgit Cullberg, die als Begründerin des gleichnamigen Ballettensembles, weltweit bekannt ist, und Birgit Åkesson.

Kurt Jooss, der Ballett und Ausdruckstanz miteinander verband, und Mary Wigman choreografierten auch interessantes Tanztheater, z. B. Jooss 1932: Der grüne Tisch, eine Art Totentanz; z. B. Wigman Le sacre du printemps (Das Frühlingsopfer) von Strawinsky oder ihr Anti-Kriegs-Tableau Totenmal.

Die Falke-Schwestern arbeiteten ebenfalls mit Gruppen. Besonders eindrucksvoll waren die Choreografien für Bewegungschöre von Laban. Seine Schülerin Lola Rogge führte diese Arbeit weiter, übernahm 1934 in Hamburg die Labanschule, die bis ins 21. Jahrhundert unter ihrem Namen dort existiert.

[Bearbeiten] Nationalsozialismus

Die Zeit des Nationalsozialismus unterbrach wie in allen anderen Künsten auch für den Ausdruckstanz die lebendige Weiterentwicklung in Deutschland. Viele hörten auf zu tanzen, nahmen sich das Leben oder gingen aus Deutschland fort. Einige arrangierten sich auf unterschiedliche Weise mit dem Regime. Mary Wigman durfte ihre Schule behalten und eröffnete 1936 mit einer Choreografie die Olympiade in Berlin

[Bearbeiten] Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Hoch-Zeit des reinen Ausdruckstanzes vorüber. Es gab noch die Wigman-Schule. Sie selbst tanzte nicht mehr. Nur Dore Hoyer gab bis zu ihrem Tod 1967 ihre eindrucksvollen Soloabende.

Der Einfluss des Modernen Tanzes war jedoch so stark, dass nun viele Choreografen Elemente von Ausdruckstanz und Ballett zum Tanzdrama, einer Theatertanzform, die beides enthält, verbanden. Das Ende des Gegensatzes zwischen Modern dance und klassischem Ballett war in den USA die Uraufführung der von Balanchine und Martha Graham gemeinsam choreografierten Épisodes (1959). Ehemalige Graham-Schüler, vor allem Merce Cunningham gaben dem Ballett neue Impulse. Sie entwickelten experimentelle Ballett-Stile, die die Erfahrung zweier Weltkriege und der zunehmenden Umweltzerstörung durch den Menschen einschließen.

Als bedeutendste Vertreterin dieser neuen Form des Modernen Tanzes im späten 20. Jahrhundert gilt die deutsche, weltweit bekannte Choreografin Pina Bausch.

[Bearbeiten] Heute

Ende des 20. Jahrhunderts und Anfang des 21. Jahrhunderts gibt es die verschiedensten Tanzgruppen, deren Choreografien auf dem Ausdruckstanz beruhen, und auch das reine Ballett. Und in jeder Tanzausbildung gibt es inzwischen das Fach Moderner Tanz. Junge Tänzerinnen nehmen die Kunst des solistischen Ausdruckstanzes wieder auf. Sie erarbeiteten sich z. B. die Tänze Dore Hoyers von den Menschlichen Leidenschaften (Afectos humanos). Bedeutende Solotänzerinnen dieser Zeit sind neben ihrer Arbeit als Choreografinnen Susanne Linke, Reinhild Hoffmann und Arila Siegert.

Wie stark selbst das klassische Vokabular des Balletts Neues aus dem modernen Tanz gezogen hat, zeigt sich z. B. in der Arbeit John Neumeiers in Hamburg. Die strengen Formen sind durchmischt mit freieren Bewegungen, die allein das Lebensgefühl der Gegenwart wiederzugeben vermögen.

Zu den in Deutschland arbeitenden bekannten Choreographen gehören u.a. Katja Henne, Pina Bausch, William Forsythe, Daniela Kurz,Raimund Hoghe, Constanza Macras, Felix Ruckert, und Sasha Walz.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Tanzgeschichte

  • Claudia Fleischle-Braun: Der moderne Tanz. Geschichte und Vermittlungskonzepte. Afra Butzbach-Griedel 2000
  • Nils Jockel / Patricia Stöckemann: “Flugkraft in goldene Ferne...“, Bühnentanz in Hamburg seit 1900. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg 1989
  • Rudolf Maack: Tanz in Hamburg. Von Mary Wigman bis John Neumeier. Christians Hamburg 1975 ISBN 3767203561
  • Walter Sorell: Knaurs Buch vom Tanz. Der Tanz durch die Jahrhunderte. Droemer Knaur Zürich 1969
  • Hermann und Marianne Aubel: Der Künstlerische Tanz unserer Zeit (1928). Neudruck der Erstausgabe 1928 nebst Materialien zur Editionsgeschichte. Einführender Essay von Frank-Manuel Peter 2002. Hrsg. von der Albertina, Wien. 192 S., 163 Abb., Kurzbiografien der TänzerInnen. Königstein i. Ts. 2002 (= Die Blauen Bücher). ISBN 3-7845-3450-3
  • Amelie Soyka (Hrsg.): Tanzen und tanzen und nichts als tanzen, Tänzerinnen der Moderne von Josephine Baker bis Mary Wigman. Aviva Berlin 2004 ISBN 3932338227
  • Rosita Boisseau: "Panoram de la Danse Contemporaine","90 Chorégraphes" Hrsg. Les Édition Textuel, Paris 2006. ISBN 2-84597-188-5

[Bearbeiten] Einzelne Tänzerpersönlichkeiten

  • Clothilde von Derp (1892-1974), deutsche Vorreiterin des Modernen Tanzes
  • Isadora Duncan: Mein Leben, meine Zeit, Autobiografie. Moewig München o.J.
  • Evelyn Dörr: Rudolf Laban: Die Schrift des Tänzers. Ein Portrait. Norderstedt b. Hamburg 2005 ISBN 3833425601
  • Evelyn Dörr: Rudolf Laban: Das choreographische Theater. Norderstedt b. Hamburg 2004 ISBN 3833416068
  • Hedwig Müller: Mary Wigman: Leben und Werk der großen Tänzerin. (Hrsg. von der Akademie der Künste Berlin). Beltz/Quadriga Weinheim, Berlin 1992 ISBN 3886791483
  • Hedwig Müller / Frank-Manuel Peter / Garnet Schuldt: Dore Hoyer: Tänzerin. Hentrich Berlin 1992 ISBN 3894680121
  • Frank-Manuel Peter: Birgit Åkesson - Postmoderner Tanz aus Schweden. o.O. 1998 ISBN 3879096279
  • Norbert Servos: Pina Bausch : Tanztheater.Kieser München 2003 ISBN 3935456050
  • Christoph Albrecht (Hrsg.): Zehn Jahre John Neumeier und das Hamburger Ballett 1973 – 1983. Christians Hamburg 1983
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