Diakonie
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Unter Diakonie (altgriech. διακονία diakonia = Dienst) versteht man gewöhnlich die sozialen Einrichtungen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihre katholische Entsprechung ist die Caritas. Die christliche Theologie sieht in der Diakonie neben dem Zeugnis (altgriech. μαρτυρία martyria) und der Gottesdienstgestaltung (altgriech. λειτουργία leiturgia) eines der Wesensmerkmale (Grundvollzüge) der Kirche.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Biblische Grundlagen
[Bearbeiten] Alttestamentliche Begründungen
Im ersten Schöpfungsbericht wird die Gottebenbildlichkeit des Menschen betont (Gen 1,27 LUT). Der gleiche Gedanke liegt auch (Ps 8,5 LUT) zu Grunde.
Die hebräische Bibel beschäftigt sich häufig mit der Not von Außenseitern und anderen Menschen. So wird etwa Lev 19,33f LUT u.ö. die Gleichbehandlung von Fremden und Einheimischen angemahnt. Dtn 24,17 LUT ergänzt die Forderung um Waisen und Witwen. Ähnlich z.B. Ps 82,3 LUT.
Schließlich ist die Sorge Gottes für die Bedürftigen zu nennen. Jes 57,15 LUT betont die Nähe Jahwe zu den Notleidenden.
[Bearbeiten] Neutestamentliche Begründungen
Im Neuen Testament treten zunächst Erzählungen Jesu in den Blick. Das bekannteste Beispiel ist wohl das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30-37 LUT): der den jüdischen Zuhörern verhasste Mann aus der samaritanischen Religionsgemeinschaft, sorgt sich in vorbildlicher Weise um einen Überfallenen. Zudem ist das Gleichnis vom Weltgericht, Mt 25,31-46 LUT, in dieser Thematik besonders wichtig. Es gipfelt in Mt 25,40 LUT: „Was ihr getan habt einem unter diesen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ – Zudem gibt Jesus uns Beispiele diakonischen Handelns, etwa wenn er Jh 5,5-6 LUT die Not eines Kranken erkennt und sich seiner annimmt. Ähnlich auch das Magnificat (Lk 1,46-54 LUT), wo Maria Gott lobt, weil er sich der Notleidenden annimmt.
Diakonie als Funktion der christlichen Gemeinde lässt sich schon in den ersten Beschreibungen des Gemeindelebens der Jerusalemer Urgemeinde nachweisen (Apg 2,41-47 LUT); erwähnt werden hier Gütergemeinschaft und Unterstützung bedürftiger Gemeindemitglieder. Das Amt des Diakons beruht auf der ersten Erwähnung von Diakonen in Apg 6,1-7 LUT zur Armenpflege.
Paulus schließlich bezeichnet die Diakonie - das gegenseitige Lastentragen - als Erfüllung des Gesetzes Christi (Gal 6,2 LUT).
[Bearbeiten] Diakonie in der Kirchen- und Theologiegeschichte
[Bearbeiten] Entwicklungen bis 1848
In der Kirchengeschichte hat es immer eine Diakonie gegeben. Orden, die sich der Krankenpflege widmeten, treten in der mittelalterlichen Geschichte dabei am meisten hervor. Nachreformatorisch haben die von August Hermann Francke gegründeten Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) (1698), das von Johann Hinrich Wichern aufgebaute Rauhe Haus in Hamburg (1833), der 1836 von Theodor Fliedner in Kaiserswerth ins Leben gerufene Rheinisch-Westfälische Diakonissenverein (siehe auch: Diakonisse) und der Neukirchener Erziehungsverein, den Pfarrer Andreas Bräm mit Mitgliedern seines Presbyteriums 1845 in Neukirchen-Vluyn gründete, eine besondere Stellung.
[Bearbeiten] Kirchentag zu Wittenberg 1848
Einen wesentlichen Neuimpuls erhielt die Diakonie am 22. September 1848. Johann Hinrich Wichern, der fünfzehn Jahre zuvor das Rauhe Haus in Hamburg für verwahrloste Kinder gegründet hatte, rückte in einer zweistündigen Stegreifrede auf dem Kirchentag zu Wittenberg das diakonische Handeln in die Mitte kirchlichen Tuns. Seine Rede gipfelte in den Sätzen: „Meine Freunde, es tut eines Not, dass die evangelische Kirche in ihrer Gesamtheit anerkenne: ‚Die Arbeit der Innern Mission ist mein!‘, dass sie ein großes Siegel auf die Summe dieser Arbeit setze: die Liebe gehört mir wie der Glaube. Die rettende Liebe muss ihr das große Werkzeug, womit sie die Tatsache des Glaubens erweiset, werden. Diese Liebe muss in der Kirche als die helle Gottesfackel flammen, die kund macht, dass Christus eine Gestalt in seinem Volk gewonnen hat. Wie der ganze Christus im lebendigen Gottesworte sich offenbart, so muss er auch in den Gottestaten sich predigen, und die höchste, reinste, kirchlichste dieser Taten ist die rettende Liebe.“
Wichern erkannte an, dass es an etlichen Stellen bereits diakonisches Engagement gab. Daher meinte er, an manchen Stellen bedürfe es nicht neuer Initiativen, sondern der Weiterentwicklung und Umorganisation von Bestehendem. Man solle aufhören, caritative Bestrebungen „als Dilettanten-Arbeiten und als bloß philanthropische Unternehmungen zu betrachten; sie müssen als heilige Aufgaben der evangelischen Kirche erfasst und als solche mit neuem Ernste in das Volksleben eingeführt werden. Auf den Kanzeln soll man sie fortan verkündigen hören.“ Wichern ging es um christliche Barmherzigkeit, sein Hauptziel war die Kräftigung der Selbsthilfe der sozial Bedrückten; das soziale Versagen der Kirche erkannte er rückhaltlos an; auch für die sozialistischen Bestrebungen hatte er Verständnis. Wicherns Rede zündet und führt 1849 zur Gründung des Centralausschuss für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche.
siehe auch: Amalie Sieveking, Johann Gerhard Oncken, Sonntagsschule
[Bearbeiten] Diakonie heute
Die wesentliche organisatorische Basis für diakonische Einrichtungen ist auf evangelischer Seite das Diakonische Werk, das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ihren Gliedkirchen und mehreren evangelischen Freikirchen getragen wird. Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. hat seinen Sitz in der Stafflenbergstraße in Stuttgart. Es besitzt darüber hinaus eine Dienststelle in Berlin und eine in Brüssel. Gegenwärtig sieht sich die Diakonie vor zwei umwälzende Herausforderungen gestellt: 1) Der Wohlfahrtsstaat mit seinem Subsidiaritätsprinzip macht mehr und mehr einem freien Markt der Sozialleistungen Platz; hier sieht sich die Diakonie mit zunehmend mehr Konkurrenz konfrontiert, und 2) die Osterweiterungen Europas schaffen neue Arbeitsverhältnisse und bedeuten eine tarifliche Neuorientierung auch für diakonische MitarbeiterInnen.
Die Diakonische Konferenz ist das höchste Beschlussgremium. Sie setzt sich aus gewählten Vertreterinnen und Vertretern der 81 Fachverbände, der 22 gliedkirchlichen Diakonischen Werke sowie aus Einzelpersonen aus Kirche und Diakonie zusammen. Die Diakonische Konferenz beschließt die allgemeinen Grundsätze für die Arbeit der Diakonie. Sie wählt den Diakonischen Rat und auf Vorschlag des selben den Präsidenten des Werkes.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Hilfsorganisation
- Diakon
- Römische Diakonie
- Diakonische Einrichtungen (in Auswahl):
- Evangelische Heimstiftung
- Anna-Luisen-Stift
- Diakonie Michaelshoven
- Diakonie Neuendettelsau
- Diakonissenmutterhaus der Olgaschwestern in Stuttgart
- Evangelisches Diakoniewerk Schwäbisch Hall
- Hephata (Schwalmstadt)
- Karlshöhe Ludwigsburg
- kreuznacher diakonie
- Mariaberger Heime e.V.
- Rummelsberger Anstalten
- v. Bodelschwinghsche Anstalten Bethel
- Zieglersche Anstalten
- Evangelisches Johannesstift Berlin
- Evangelische Stiftung Ummeln
- Syrisches Waisenhaus (Schnelller-Schulen)
- Vorwerker Diakonie
- Verband evangelischer Kindertageseinrichtungen
[Bearbeiten] Literatur
- Hermann Krummacher: Johann Hinrich Wichern. Ein Lebensbild aus der Gegenwart, Gotha 1882;
- Schäfer, Gerhard K.; Strohm, Theodor: Diakonie – biblische Grundlagen und Orientierungen; Heidelberg: Carl Winter, ³1998; ISBN 3-8253-7094-1
- Brandt, Wilfried: Für eine bekennende Diakonie. Beiträge zu einem evangelischen Verständnis des Diakonats; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2001; ISBN 3-7887-1854-4
- Dettmann, Joachim; Holewa, Michael: Perspektive Diakonie 2025. zukunft - macht - wissen. Den demographischen Wandel gestalten; Berlin: Transfer-Project, 2006;
- Paul Philippi, Pieter Johan Roscam Abbing, Jürgen Albert u.a.: Diakonie I. Geschichte der Diakonie II. Theologische Grundprobleme der Diakonie III. Diakoniewissenschaft/Diakonik IV. Arbeitsfelder heutiger Diakonie V. Ausbildung und Fortbildung. In: Theologische Realenzyklopädie 8 (1981), S. 621-683 (wiss. Überblick)