Gender Studies
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Eine Richtung der Gender Studies (selten dt. die Frauen- und Geschlechterforschung) beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen den sozial und kulturell konstruierten Geschlechtern. Eine andere und weiter verbreitete Richtung beschäftigt sich mit Prozessen der Unterscheidung von solchen Geschlechtern, die im Effekt dazu führen, dass uns sozial meistens zwei Geschlechtsausprägungen gegenübertreten. Die Geschlechterforschung ist sowohl Kultur- als auch Sozialwissenschaft und immer interdisziplinär. Zudem werden die Beziehungen der Geschlechter untereinander untersucht. Geschlecht wird in diesem Zusammenhang als soziokulturelle Konstruktion von Sexualität (Gender) verstanden, nicht als biologisches Geschlecht (siehe Sex und Gender).
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[Bearbeiten] Motive
Im wesentlichen gab es vier Gründe, Gender als eigenständige wissenschaftliche Kategorie zu etablieren.
- Es sollte eine Abgrenzung von biologischen Geschlechtern und der gesellschaftlichen Zuordnung von Geschlechter-Rollen stattfinden.
- Die Struktur von Beziehungen der Geschlechter mit anderen kulturellen Zusammenhängen und gesellschaftlichen Organisationsformen sollte erforscht werden.
- Die Machtverhältnisse, denen eine Zuordnung in "männlich" und "weiblich" folgt, sollten analysiert werden.
- Der Prozess des Unterscheidens zwischen Geschlechtern sowie seine Hintergründe und Auswirkungen sollte mitbedacht werden.
[Bearbeiten] Geschichte
Die Gender Studies entwickelten sich aus den Women's Studies, die ca. 1970 Einzug in einige US-amerikanische Universitäten erhielten. Die Women's Studies beschäftigten sich allein mit der wissenschaftlichen Betrachtung von Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft (vgl. "Weiblichkeit") - dies allerdings zum ersten Mal aus feministischer Sicht. Unter anderem Virginia Woolf sah ein Defizit in dem Umstand, dass bisher zwar viel über Frauen geforscht worden war, allerdings immer nur von männlichen Wissenschaftlern und Autoren. Die Women's Studies sollten nun weibliche Lebenserfahrung sozialer und kultureller Realität als Grundlage der Wissenschaft bilden. Der Unterschied zwischen der männlichen Sicht auf Frauen und der weiblich erfahrenen Realität sollte erörtert werden, und die männlich dominierten Theorien sollten revidiert werden. Einerseits sollte gezeigt werden, dass Männer und Frauen gleich und damit gleichberechtigt seien, andererseits wurde darauf beharrt, dass es eine eigene "Frauenkultur" gäbe. In der Unvereinbarkeit dieser beiden Ansätze stießen die Women's Studies an ihre eigenen Grenzen. Aus diesem Dilemma entwickelten sich ca. 1975 die Gender Studies. Vorerst sollten die Unterschiede und Beziehungen von biologischem und sozio-kulturellem Geschlecht untersucht werden. Das Geschlechter-Verhältnis stand also im Mittelpunkt.
Mitte der 1980er Jahre entstand auch im deutschsprachigen Raum die Geschlechterforschung als eigene Disziplin. Durch die Beschäftigung mit den Geschlechtsrollen besonders auch in der wissenschaftlichen Forschung stellt sie eine Form der Wissenschaftskritik dar. Sie bemächtigt sich in diesem Zusammenhang unterschiedlicher wissenschaftlicher und analytischer Methoden, die je nach Forschungsobjekt variieren. Die Geschlechterforschung integriert verschiedene separate Diskurse. Da ist einerseits die radikal feministische Richtung der Matriarchatsforschung zu verzeichnen, daneben gibt es konstruktivistisch orientierte sich unparteiisch gebende Ansätze und praxisorientierte Forschungsansätze, die die Praxis in sozialen und internationalen Kontexten wissenschaftlich zu fundieren versuchen.
[Bearbeiten] Inhalte
Wichtige Themen sind:
- soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern (Benachteiligung im Berufsleben)
- soziale Stellung der Geschlechter innerhalb der Gesellschaft (vergleiche: Patriarchat, Matriarchat, Frauenwahlrecht)
- Geschlechterpädagogik
- Queer-Theorie
Die vorherrschende Grundlage aller theoretischen Überlegungen, nämlich dass durch das biologische Geschlecht auch eine natürliche soziale Trennung der Geschlechter erfolgt, wird in den Gender Studies aufgehoben. Man geht vielmehr davon aus, dass Geschlecht konstruiert wird durch soziale und kulturelle Umstände. Es besteht also kein kausaler Zusammenhang zwischen dem biologischen Geschlecht und der Rolle in der Gesellschaft. Während das biologische Geschlecht in der Regel feststeht, ist Gender dementsprechend variabel und veränderbar. (Siehe auch Sex und Gender) Die Vielfalt der Bedeutungen von "männlich" und "weiblich" wird hervorgehoben, und im gleichen Moment werden bestimmte Vorstellungen vom natürlichen Wesen der Geschlechter, von Idealen von Männlichkeit und Weiblichkeit verdeutlicht. Als Folge dieser Überlegungen steht die veränderbare Beziehung der Geschlechter. Da diese nicht als natürliche oder statische Ordnung angesehen werden kann, wird sie als Repräsentation kultureller Regelsysteme gedeutet. Dabei ist der Aspekt der Wertung von Geschlecht wichtig; der Wert, der innerhalb einer Kultur einem Geschlecht zugeordnet wird, wirkt sich auch auf das Verständnis vom soziokulturellen Geschlecht innerhalb des gesellschaftlichen Systems aus. Ein Schwerpunkt ist es also, die Mechanismen, die hinter diesen Auf- bzw. Abwertungen von Geschlechtern stehen, aufzudecken. Im Gegensatz zu den Women's Studies ist es möglich, auch Differenzen zu betrachten, durch die sich Frauen voneinander unterschieden, insbesondere unter dem Gesichtspunkt von gesellschaftlichen Minderheiten.
[Bearbeiten] Kritik
Bereits 1991 wies Judith Butler auf das Problem der Trennung von biologischem und sozial konstruiertem Geschlecht hin. Es besteht ein Widerspruch in der Tatsache, dass Gender zwar als konstruiert angesehen wird, biologisches Geschlecht (sex) und die Sexualität hingegen als naturgegeben angenommen werden. Das Verständnis und die Bewertung von biologischem Geschlecht unterliegen ebenso dem Verständnis des sozialen Geschlechts. Diese Wechselwirkung wurde lange Zeit in den Gender Studies nicht berücksichtigt und wird eher als destruktive Kritik denn als notwendige Ergänzung des Faches gesehen. Ebenso ist der "konstruktivistische" Ansatz ungeeignet, zu erklären, wieso die gesellschaftliche Rollenverteilung so ist wie sie ist, und nicht die Rollen von Frau und Mann in den verschiedenen Kulturkreisen zufällig alternieren.
Kritiker werfen den Gender Studies häufig Subjektivismus und pseudowissenschaftliche Tendenzen vor. Manche unterstellen gar, es handle sich dabei um einen unter dem Deckmantel der Wissenschaft in die Universitäten eingezogenen Flügel der feministischen Ideologie. Näheres siehe unter Kritik an feministischer Wissenschaft.
[Bearbeiten] Aktuelle Entwicklungen
An der Charité in Berlin ist Ende 2004 ein neuartiges Zentrum für medizinische Geschlechterforschung eröffnet worden. Es widmet sich in speziellen Forschungsprojekten den Fragestellungen, warum bei Männern und Frauen zahlreiche Krankheiten unterschiedlich häufig auftreten, anders verlaufen oder signifikant verschiedene Symptome zeigen. An einigen Universitäten gibt es Zentren für Geschlechterforschung. Eine der ältesten Einrichtungen dieser Art existiert an der Universität Bielefeld, IFF (Das Interdisziplinäre Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Bielefeld), an der FU Berlin die Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung, an der Universität Kassel seit 1987 die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Frauen- und Geschlechterforschung, an der Universität Bremen das Zentrum für feministische Studien - Gender Studies (ZfG), in Hildesheim das Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIF) als gemeinsame Einrichtung der Universität und der Fachhochschule (HAWK) und an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZFG). Der erste Gender Studies-Studiengang wurde zum Wintersemester 1997/98 an der Humboldt-Universität zu Berlin eingerichtet.Eine andere Universität die diesen Studiengang anbietet ist die Ruhr- Universität Bochum. Auch in Österreich gibt es aktuelle Entwicklungen im Bereich Gender Studies: die Universität Wien bietet seit dem WS 2006/07 ein Magisterstudium mit dem Titel "Gender Studies" an.
[Bearbeiten] Literatur
- Becker, Ruth / Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Wiesbaden 2004. ISBN 3810039268
- Braun, Christina von/Stephan, Inge (Hrsg.): Gender Studies: Eine Einführung. Stuttgart 2000. ISBN 3476016366
- Butler, Judith: Körper von Gewicht. Frankfurt 1997. ISBN 3-518-11722-X
- Connell, Robert W.: Gender. Oxford 2002. ISBN 0745627161
- Duden, Barbara: Geschichte unter der Haut. Stuttgart 1987. ISBN 3608931139
- Genus – Münsteraner Arbeitskreis für Gender Studies (Hrsg.): Kultur, Geschlecht, Körper. Agenda, Münster 1999. ISBN 3-896880616
- Hahlbohm, Paul M. / Hurlin, Till: Querschnitt Gender Studies. Ein interdisziplinärer Blick nicht nur auf Homosexualität. Kiel 2001. ISBN 393359832X
- Hauser-Schäublin (Hg.): Ethnologische Frauenforschung. Berlin 1991. ISBN 3496004924
- Laqueur, Thomas: Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud. München 1996. ISBN 3423046961
- Löw, Martina / Mathes, Bettina (Hrsg.): Schlüsselwerke der Geschlechterforschung. Wiesbaden 2005. ISBN 3531138863
- Lorber, Judith: Gender-Paradoxien. Opladen 1999. ISBN 3810037435
- Sommerbauer, Jutta: Differenzen zwischen Frauen. Zur Positionsbestimmung und Kritik des postmodernen Feminismus. ISBN 3-89771-300-4
- Beate Kortendiek / A. Senganata Münst (Hg.): Lebenswerke. Porträts der Frauen- und Geschlechterforschung. Opladen 2005. ISBN 3938094567
- Christine Weinbach: "Systemtheorie und Gender. Das Geschlecht im Netz der Systeme". ISBN 3531141783
[Bearbeiten] Siehe auch
- Sex und Gender
- Geschlechtergeschichte
- Geschlechtersoziologie
- Feministische Philosophie
- Feministische Wissenschaftstheorie
- Feminismus
- Männerbewegung
- Frauenforschung / Männerforschung
- Frauenrechte
- Global Gender Gap Report
- Männlichkeit / Weiblichkeit
[Bearbeiten] Weblinks
- Gender-Studien-Verzeichnis im odp
- www.gender-glossary.de Projekt der FU Berlin zur Diskussion aktueller Standpunkte der Geschlechterforschung
- www.gender-mainstreaming.net Informationsseite des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend
- libr.org/ WSSLINKS - Women and Gender Studies Web Sites (englisch)
- Gender@Wiki
- Literaturdatenbank der TU Dresden
- Gender-Politik-Online. Internet-Portal des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin.
- Gender@Wiki - Wiki zur Frauen- und Geschlechterforschung