Hugo Distler
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Hugo Distler (* 24. Juni 1908 in Nürnberg; † 1. November 1942 in Berlin) war ein deutscher Komponist und evangelischer Kirchenmusiker. Er gilt als der bedeutendste Vertreter der Erneuerungsbewegung der evangelischen Kirchenmusik nach 1920.
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[Bearbeiten] Leben
Hugo Distler wuchs in Nürnberg auf, wo er 1927 am Melanchthon-Gymnasium sein Abitur ablegte. Anschließend studierte er zunächst Klavier und Dirigieren, später Orgel und Komposition in Leipzig. Zu seinen Lehrern gehörten Hermann Grabner (Tonsatz), Günther Ramin (Orgel) und Karl Straube (Chorleitung).
1931 erhielt Distler seine erste Anstellung als Organist an St.Jakobi in Lübeck. Im Jahr 1933 heiratete Hugo Distler Waltraut Thienhaus.Im gleichen Jahr trat er in die NSDAP ein. Im Jahr 1935 hatte Distler seine ersten Erfolge bei den Kasseler Musiktagen.
Nach 1933 wegen seines großen kirchenmusikalischen Engagements von politischer Seite mehr und mehr in die Enge getrieben, wechselte Distler 1937 in ein weltliches Amt und wurde Lehrer für Komposition und Orgel sowie Leiter des Hochschulchors an der Württembergischen Musikhochschule in Stuttgart.
Im Jahr 1940 wurde er als Professor für Komposition und Orgel an die Berliner Hochschule für Musik berufen. Er übernahm zusätzlich die Leitung der Hochschulkantorei und die Leitung des Berliner Staats- und Domchors. Die überhand nehmenden Verpflichtungen ließen ihm allerdings immer weniger Zeit für Kompositionen. Auch erlittenes Unrecht von Seiten des Regimes, das seine Musik als entartete Kunst verfemte, und die drohende Einberufung zum Militärdienst stellten für Distler schwere Belastungen dar. Im November 1942 nahm sich Distler im Alter von 34 Jahren das Leben; nur einen Tag, nachdem er endgültig vom Wehrdienst freigestellt wurde.
[Bearbeiten] Werk
Distler ist vor allem als Komponist geistlicher und weltlicher Chormusik bekannt geworden. Zu seinen Chorwerken zählen:
- der Jahrkreis (52 aus den Erfahrungen und Anforderungen der kirchenmusikalischen Praxis entstandene zwei- und dreistimmige Chormusiken, 1933),
- die Choralpassion für 5-stimmigen gemischten Chor und zwei Vorsänger (1933),
- die Weihnachtsgeschichte für gemischten Chor und vier Vorsänger (1933),
- die Geistliche Chormusik op. 12 (eine Sammlung von neun Motetten für das Kirchenjahr, entstanden zwischen 1935 und 1941, zu der als Nr. 2 auch der Totentanz zählt, der dem Totensonntag zugeordnet ist),
- das Mörike-Chorliederbuch (1939).
Darüber hinaus komponierte Distler Orgelmusik wie Partiten, Choralbearbeitungen und eine Sonate, ein Cembalokonzert (1935) und Kammermusik. Er verfasste eine Funktionelle Harmonielehre (1940). Distlers Werke erschienen überwiegend im Bärenreiter-Verlag.
Distler ist der bedeutendste Vertreter der Erneuerungsbewegung der evangelischen Kirchenmusik nach 1920. Ihre Ziele und Ideale kommen in seiner Musik klar zum Ausdruck, wobei trotz verhältnismäßig leichter Ausführbarkeit immer ein künstlerisches Niveau gewahrt bleibt. Seine Vokalkompositionen erwachsen aus sanglichen, am menschlichen Atem orientierten Melodien, deren tonales Material oft aus modalen Tonleitern oder der Pentatonik entnommen ist. Die abwechslungsreiche und einfallsreiche Rhythmik lehnt sich an Vorbilder aus Renaissance und Hochbarock an, gestattet sich aber deutlich größere Freiheiten, die sich in Taktwechseln und häufigen Schwerpunktverschiebungen zeigen. Aus der Kombination metrisch und rhythmisch oft sehr gegensätzlicher Einzelstimmen ergibt sich häufig ein lebendiges polyphones und polyrhythmisches Geflecht. Imitatorische Satztypen in Anlehnung an hochbarocke Vorbilder sind häufig, wobei Distler enge Lagen und Stimmkreuzungen bevorzugt und so bei einem engen Wort-Ton-Verhältnis Klangwirkungen von sensibler Schlichtheit bis zu dramatischer Ausdruckskraft erreicht. Dabei ergeben sich neuartige Zusammenklänge, die stellenweise nur noch aus der horizontalen Stimmführung erklärbar, und damit nach wie vor unmittelbar verständlich und für den gottesdienstlichen Einsatz gut geeignet sind, sich aber im Detail nicht mehr funktional deuten lassen.
[Bearbeiten] Nachlass
Das Hugo-Distler-Archiv befindet sich in der Lübecker Stadtbibliothek.
[Bearbeiten] Literatur
- Hugo Distler: Funktionelle Harmonielehre. Kassel 1940
- Wolfgang Jennrich: Hugo Distler. Berlin 1970
- Ursula Herrmann: Hugo Distler. Rufer und Mahner. Berlin 1972
- Ursula v. Rauchhaupt: Die vokale Kirchenmusik Hugo Distlers. Eine Studie zum Thema "Musik und Gottesdienst". Gütersloh 1963
- Alexander L. Suder (Hg.): Hugo Distler. [= Komponisten in Bayern, Bd. 20] Tutzing 1990
- Casper Honders: In der Welt habt ihr Angst. [In: Kirchenmusik im Nationalsozialismus, hg. v. Dietrich Schuberth, Kassel 1995, S. 144-153]
- Dirk Lemmermann: Studien zum weltlichen Vokalwerk Hugo Distlers. Analytische, ästhetische und rezeptionsgeschichtliche Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung des Mörike-Chorliederbuches. Frankfurt am Main 1996
- Stefan Hanheide (Hg.): Hugo Distler im Dritten Reich. Osnabrück 1997
- Bettina Schlüter: Hugo Distler. Musikwissenschaftliche Untersuchungen in systemtheoretischer Perspektivierung. Stuttgart 2000 [Elektronische Ressource = CD-ROM]
- Winfried Lüdemann: Hugo Distler. Eine musikalische Biographie. Augsburg 2002
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Hugo Distler im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Einträge zu Hugo Distler im Katalog des Deutschen Musikarchivs
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
- Kurzbiographie von der Homepage der Hugo-Distler-Musikschule Eggersdorf
Personendaten | |
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NAME | Distler, Hugo |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Komponist und evangelischer Kirchenmusiker |
GEBURTSDATUM | 24. Juni 1908 |
GEBURTSORT | Nürnberg |
STERBEDATUM | 1. November 1942 |
STERBEORT | Berlin |