Ikonoklasmus
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Unter Ikonoklasmus (zu altgriechisch εἰκών, „Bild, Abbild“ und κλάστειν, „zerbrechen“) versteht man
- im ursprünglichen Sinne die Zerstörung heiliger Bilder (Bildersturm) oder Denkmäler der eigenen Religion, insbesondere in der christlichen Religion;
- in einer erweiterten Bedeutung die Bilderfeindlichkeit oder Bilderfurcht (Ikonophobie) einer Kultur oder Institution an sich.
Die Zerstörung, Entweihung und Entfernung fremder Bildwerke und Symbole hingegen wird im engeren Sinn nicht als Ikonoklasmus, sondern als Kulturvandalismus bezeichnet. Dieser ist kennzeichnend für jegliche gewaltsame Auseinandersetzung um die Vormacht bis zur Gegenwart.
Erst mit dem Schwinden des differenzierenden religiösen Umgangs mit Bildwerken in der Gegenwart, verbunden mit dem Heraufkommen einer Hochschätzung alles historisch Überlieferten als "Kunst- und Kulturgut", wird auch – im weiteren Sinn – der Begriff Ikonoklasmus oder Bildersturm für die Zerstörung jeglichen Bildwerks gebraucht.
Die Bilderstürmer werden Ikonoklasten, die Bilderverehrer dagegen Ikonodulen genannt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Christlicher Ikonoklasmus
Zum Ikonoklasmus in der orthodoxen Kirche siehe byzantinischer Bilderstreit.
[Bearbeiten] Der Bildersturm der Reformationszeit
[Bearbeiten] Theologische Begründung
Einige Reformatoren des 16. Jahrhunderts wirkten auf ihre Anhänger ein, Kunstwerke mit Darstellungen von Gott und so genannten Heiligen zu zerstören, da es sich dabei teils um Götzenbilder, teils um eine Missachtung des zweiten Gebots (2. Mose (Exodus) 20, 4-6), handele.
Vor allem gemäßigte Reformatoren im Umfeld von Martin Luther erlaubten Bilder im Sinne einer Laienbibel als Alternative für das leseunkundige Volk; demgegenüber traten andere wie etwa Andreas Karlstadt und Thomas Müntzer für ein totales Bilderverbot ein.
[Bearbeiten] Wittenberg
In der "Ordnung der Stadt Wittenberg" vom 24. Januar 1522, vor allem von Karlstadt formuliert, heißt es unter Punkt 13:
- "Es sollen auch die Bilder und Altäre in der Kirche entfernt werden, um Abgötterei zu vermeiden, drei Altäre ohne Bilder sollen vollauf genügen".
Im Februar 1522 kam es dann zu tumultartigen Szenen in der Wittenberger Stadtkirche, nachdem Karlstadt - ohne Wissen Martin Luthers - das Traktat "Von Abtuhung der Bilder" veröffentlicht hatte:
- "Paulus sagt, dass Bilderverehrer Gott die Ehre stehlen. Also setzen sie Gott herab und verhöhnen ihn. Darum spricht Moses oftmals, dass Gott unsere Bilder und Nachbildungen nicht dulden kann".
[Bearbeiten] Reichsstädte
In den Freien Reichsstädten vor allem Süddeutschlands kam es im 16. Jahrhundert aus theologischen Gründen zu gravierenden Eingriffen in den Kunstbestand und in die Bausubstanz von Kirchen. Allein im Ulmer Münster wurden am so genannten "Götzentag" im Sommer 1531 die Orgeln und insgesamt 60 zum Teil wertvolle Altäre entfernt, in umliegende Dorfkirchen gebracht oder auch zerstört. Auch die sogenannte Altarnische aus der Hand Hans Multschers wurde weggehackt. Bis heute sind mancherlei Spuren des Bildersturms in dieser Kirche sichtbar.
[Bearbeiten] Lutherische Reformation
Martin Luther hat Bilder nicht generell verboten, sprach sich aber gegen Götzen aus Stein und Holz, die man anbetet, und gegen den Glauben an "wunderkräftige" Bilder aus.
[Bearbeiten] Schweizer Reformation
Huldrych Zwingli und Johannes Calvin plädierten für ein totales Bilderverbot in Kirchen, denn sie wollten die Gebäude im Sinne der Reinheit des christlichen Glaubens gemäß der reformierten Verinnerlichung und Anbetung umgestalten. Zwingli hat alle Bilder verboten, die in Kirchen verehrt und beweihräuchert werden und auf denen Gott, Christus oder Heilige dargestellt sind. Calvin verdammte die christliche Kunst, weil sie von der Predigt ablenke, zum Götzendienst verführe und den Menschen ein falsches Bild von Gott vermittele. Dieser Bildersturm bezog auch die Tonkunst mit ein: Kirchenorgeln wurden zum Teil ebenfalls entfernt.
Beispiel für den erbitterten Streit von Lutheranern und Reformierten um das Bilderverbot ist die Auseinandersetzung über einen Hochaltar in Danzig um 1600 - siehe Jakob Adam.
[Bearbeiten] England
In England ließ Heinrich VIII. zwischen 1535 und 1540 die Klöster auflösen und deren Kunstschätze in Frankreich versteigern.
[Bearbeiten] Bildkritik in der Neuzeit
Der reformierte Theologe Karl Barth wiederholte im 20. Jahrhundert die Kritik an Bildern im kirchlichen Bereich. Vor allem Christusdarstellungen bezeichnete er als "eine nur peinliche Geschichte". Peter Brunner wiederum fragt kritisch, ob Bilder aus der christlichen Kunst "eine Hilfe beim Beten sein können" und tendiert dazu, Werke der Kunst (auch von hohem Rang) nicht aufzustellen.
[Bearbeiten] Islamischer Ikonoklasmus
Im Islam besteht das Verbot figürlicher Darstellungen vor allem in den Moscheen. Im Wesentlichen geht dies auf dasselbe Verbot wie im Juden- und Christentum zurück, das von Allah (Gott) an Musa (Moses) übermittelt wurde . Gelegentlich finden sich muslimische ikonoklastische Übergriffe gegen heilige Bildwerke anderer Religionen. Für die moderne Zeit gilt als Beispiel die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan und -Fresken sowie buddhistischer Ausstellungsstücke des Museums in Kabul durch die Taliban im Jahr 2001.
[Bearbeiten] Ikonoklasmen anderer Kulturen
- Ägypten: Zerstörung aller Statuen von Hatschepsut durch ihren Nachfolger Tutmosis
- Ikonoklasmus im frühen Christentum etc.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Helmut Feld: Der Ikonoklasmus des Westens. Studies in the History of Christian Thought 41. Brill, Leiden 1990. ISBN 90-04-09243-9
- Bob Scribner (Hrsg.): Bilder und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Wolfenbütteler Forschungen 46. Harrassowitz, Wiesbaden 1990 ISBN 3-447-03037-2
- Lee Palmer Wandel: Voracious Idols and Violent Hands. Iconoclasm in Reformation Zurich, Strasbourg, and Basel. Univ. Press, Cambridge 1995 ISBN 0-521-47222-9
- Norbert Schnitzler: Ikonoklasmus - Bildersturm. Theologischer Bilderstreit und ikonoklastisches Handeln während des 15. und 16. Jahrhunderts. Fink, München 1996. ISBN 3-7705-3052-7
- Karl Möseneder (Hrsg.): Streit um Bilder. Von Byzanz bis Duchamp. Reimer, Berlin 1997 ISBN 3-496-01169-6
- Dario Gamboni: Zerstörte Kunst: Bildersturm und Vandalismus im 20. Jahrhundert. Aus dem Engl. von Christian Rochow. DuMont, Köln 1998 ISBN 3-7701-4281-0
- Cécile Dupeux u.a. (Hrsg.): Bildersturm: Wahnsinn oder Gottes Wille? Katalog zur Ausstellung. Bernisches Historisches Museum, Bern/Musée de l'Oeuvre Notre-Dame, Strassburg. Fink, München 2000. ISBN 3-7705-3544-8
- Alain Besançon: The Forbidden Image. An Intellectual History of Iconoclasm. Univ. of Chicago Press, Chicago u.a. 2000 ISBN 0-226-04413-0
- Peter Blickle u.a. (Hrsg.): Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. Oldenbourg, München 2002. ISBN 3-486-56634-2
- Anne McClanan u.a. (Hrsg.): Negating the Image. Case Studies in Iconoclasm. Ashgate, Aldershot u.a. 2005. ISBN 0-7546-0854-9
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Ikonoklasmus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |