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Ionisierende Strahlung - Wikipedia

Ionisierende Strahlung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Strahlung, die Atome oder Moleküle ionisieren kann, heißt Ionisierende Strahlung.

Zur ionisierenden Strahlung rechnet man Teilchenstrahlung und elektromagnetische Strahlung, wenn die Energie ausreicht, Elektronen - auch über Zwischenreaktionen - aus einem Atom oder Molekül herauszulösen. Strahlung ist ionisierend oberhalb der Ionisationsenergie (ca. 5 eV). Im elektromagnetischen Spektrum haben nur die Gamma- und Röntgenstrahlen sowie ein Teil der UV-Strahlen genügend Energie.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Wechselwirkung mit der Materie

Der namensgebende Mechanismus ionisierender Strahlung ist der Umstand, dass sie Elektronen aus Atomhüllen schlagen kann, wodurch das betroffene Atom oder Molekül zu einem elektropositiven Ion (Kation) wird. Bei ausreichend hoher Energie treten Mehrfachionisationen auf, die z. B. die Nebelspuren in einer Nebelkammer erzeugen. Hochenergetische Elektronen erzeugen in Materie Bremsstrahlung, die selbst ebenfalls ionisierend wirkt.

Ionisierende Strahlung ionisiert Materie aber nicht nur, sondern kann chemische Verbindungen zerstören, das heißt größere Moleküle zerteilen, wodurch chemische Radikale entstehen. Hierin liegt ihre biologisch schädliche Wirkung. Durch Strahlung erzeugte Ionen sind instabil und holen die fehlenden Elektronen aus ihrer Umgebung, wodurch die ursprünglichen Moleküle/Atome meist wiederhergestellt werden (Rekombination), dabei kann sich aber auch unter Umständen das Molekül umwandeln und Atome abspalten. Fragmente gesprengter Moleküle finden hingegen selten wieder zusammen. Sie reagieren/verbinden sich mit anderen Molekülen, wodurch diese in der Regel ebenfalls ihre biologische Funktion verlieren.

Strahlenarten


geladen: direkt ionisierend







Photon: direkt ionisierend



Neutron: indirekt ionisierend

Bild: Wechselwirkung ionisierender Strahlung mit der Materie.
Beim einfallenden Neutron sind einige in wasserstoffhaltigem Material typische Zwischenprozesse dargestellt.

In dem Bild sind Gammaquanten durch Wellenlinien dargestellt, geladene Teilchen und Neutronen durch Geraden bzw. Geradenstücke. Die kleinen Kreise stellen Ionisationsprozesse dar.

Photonen (Gammaquanten) ionisieren nicht laufend auf ihrem Weg wie Alpha- oder Betateilchen (siehe Teilchenstrahlung). Die Wechselwirkung eines Gammaquants mit Materie erfolgt durch einen von drei Prozessen: (1) Compton-Effekt, (2) Photoeffekt, oder (3) Paarbildung.

(1) Im Bild ist als Beispiel der Compton-Effekt gezeigt und zwar zwei hintereinander stattfindende Compton-Streuungen. Bei jeder dieser Streuungen gibt das Quant Energie an ein angestoßenes Elektron ab und fliegt mit verringerter Energie in anderer Richtung weiter.

(2) Beim Photoeffekt gibt das Photon seine gesamte Energie an ein Elektron ab.

(3) Bei der Paarbildung verschwindet das Photon ebenfalls. Aus seiner Energie entsteht ein Teilchen-Antiteilchen-Paar. Die Erzeugung z.B. eines Elektron-Positron-Paares erfordert eine Energie von mehr als 1MeV.

[Bearbeiten] Größen und Maßeinheiten

Gray Gy
(SI-Einheit der Energiedosis). Das Gray löst die alte Bezeichnung "Rad" ("radiation-absorbed dose") ab. Es gibt an, wie viel Energie von einem Kilogramm der bestrahlten Materie aufgenommen wird. 1 Gray = 1 J / kg = 100 Rad; 1 Rad = 0,01 Gray
Rad 
radiation absorbed dose; alte Einheit der Energiedosis, abgelöst durch Gray (Gy)
Rem
roentgen-equivalent man; alte Einheit der Personendosis, abgelöst durch Sievert (Sv)
Röntgen
alte Einheit der Ionendosis
Sievert Sv
Einheit der Äquivalentdosis; löst die alte Bezeichnung Rem (roentgen-equivalent-man) ab.

[Bearbeiten] Quellen ionisierender Strahlung

Unterschiedliche natürliche oder künstliche Quellen senden ionisierende Strahlung aus:

[Bearbeiten] Gesundheitliche Wirkungen

Durch ionisierende Strahlung erzeugte Radikale richten in der Regel größeren Schaden durch nachfolgende chemische Reaktionen an, als die Zerstörung des ersten Moleküls durch die Strahlung allein. Dieser ist, etwa bei der Krebsbekämpfung, u.U. erwünscht, da er das Absterben getroffener Zellen, in diesem Fall idealerweise Tumorzellen, begünstigt.

Ab einer gewissen Strahlendosis werden so viele Moleküle mit biologischer Funktion auf einmal zerstört, dass betroffene Zellen nicht mehr lebensfähig sind, oder es entstehen zu viele zu giftige Substanzen, durch die die Zelle abgetötet wird. Auch Veränderungen des Erbguts sind häufig, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in Krebs münden können, vor allem aber in Mutationen, die zu Missbildungen an Nachkommen oder sich entwickelnden Embryonen/Föten sowie totaler Sterilität (Unfruchtbarkeit) führen können (siehe auch Strahlenrisiko). Grundsätzlich sind alle ionisierenden Strahlen für Lebewesen gesundheitsschädlich, deshalb ist u. a. in Deutschland der Strahlenschutz gesetzlich geregelt.

Die Kurzzeitfolge einer zu hohen Strahlendosis wird Strahlenkrankheit genannt. Sie äußert sich durch ein geschwächtes Immunsystem und Verbrennungen. Auf molekularer Ebene ist unter anderem die schädigende Wirkung von durch Radiolyse entstehenden Radikalen beteiligt. Die Strahlenkrankheit tritt etwa ab einer kurzfristigen Belastung von 0,25 Sv auf. 4 Sv als Kurzzeitbestrahlung ist in der Regel tödlich.

Ionisierende Strahlung tritt in geringer Dosis als natürliche Hintergrundstrahlung auf. Diese besteht unter anderem aus der kosmischen Strahlung, der Strahlung radioaktiver Stoffe, die natürlich in Erdkruste und Atmosphäre vorkommen und der Strahlung natürlicher Isotopengemische mit radioaktiven Anteilen wie vorallem Kohlenstoff. Die derzeit messbare Hintergrundstrahlung liegt global über der ehemals natürlichen Hintergrundstrahlung, da durch oberirdische Atomwaffenversuche und der Katastrophe von Tschernobyl Radionuklide weltweit in der Atmosphäre, an Land und im Wasser verteilt wurden.

Das radioaktive Edelgas Radon, welches vor allem aus der Erdkruste austritt, durch Beton und Granit diffundieren kann und deshalb in schlecht isolierten Kellern häufig in höherer Konzentration zu finden ist, führt oft zu einer messbaren oder manchmal sogar gesundheitsschädlichen Strahlendosis mit nachweisbar erhöhtem Leukämierisiko. Durch Lüften kann aber die Konzentration ausreichend gesenkt werden. Aufgrund der Ausdünnung der Ozonschicht in der Stratosphäre trifft ein größerer Anteil der ultravioletten Sonnenstrahlung auf die Erdoberfläche und erfordert sorgfältigeren Sonnenschutz.

[Bearbeiten] Biologische und chemische Anwendungen ionisierender Strahlung

In der Biologie wird hauptsächlich die Mutationen fördernde und sterilisierende Wirkung genutzt. In der Pflanzenzüchtung werden zum Beispiel durch „strahlungsinduzierte Mutationen“ Mutanten erzeugt, durch die veränderte Arten hervorgebracht werden können. Ein Einsatzfeld ist die „Sterile-Insekten-Technik“, kurz SIT. Dabei werden männliche Schadinsekten sterilisiert und dann im Zielgebiet freigelassen. Das Ausbleiben von Nachkommen führt zur Verringerung der Population. Vorteil hierbei ist, dass keine schädlichen Chemikalien eingesetzt werden und andere Insekten unbetroffen bleiben.

Weiterhin eignet sich Strahlung auch zur Sterilisation von Geräten, Implantaten oder Lebensmitteln. Hierbei werden Mikroorganismen, ähnlich wie bei der Hitzesterilisation, neutralisiert. Hierfür gelten jedoch strenge Auflagen. Das Wachstum eines Keimlings kann durch schwache Strahlung verbessert werden, wohingegen zu starke Strahlung wachstumshemmend wirkt.

Niedere Lebewesen wie Bakterien können sehr viel stärkere Strahlungsdosen als Menschen ertragen. Rekordhalter ist Deinococcus radiodurans, der sogar im Kühlwasser von Kernreaktoren leben kann.

In der chemischen und Materialtechnik ist die Vernetzung von Polymeren ohne Wärmeentwicklung möglich, wobei auch große Komponenten vernetzt werden können. Interessant ist auch die Farbänderung von Edelsteinen, Gläsern und pigmentierten Kunststoffen durch Radioaktivität.

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