Jüdischer Friedhof Schönhauser Allee
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Der Jüdische Friedhof Schönhauser Allee ist der zweite jüdische Friedhof in Berlin. Er wurde 1827 nach den Plänen des Stadtbaurats Friedrich Wilhelm Langerhans an der Pankower Chaussee, heute Schönhauser Allee 23-25, angelegt.
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[Bearbeiten] Der Friedhof
Mit dem Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Anlage eines neuen Friedhofes notwendig. Der Paragraph 184 des „Allgemeinen Preußischen Landrechts“ bestimmte seit 1794, „dass in den Kirchen und bewohnten Gegenden der Städte keine Leichen mehr beerdigt werden sollen“. Der erste Jüdische Friedhof in der Großen Hamburger Straße, zunächst außerhalb der Stadtmauern angelegt, war inzwischen von der Spandauer Vorstadt eingeschlossen. Zudem war der Friedhof mit 6000 m² und 3000 Grabstätten zu klein geworden.
Nach mehrfacher Ermahnung durch die Preußische Regierung erwarb die Jüdische Gemeinde 1826 zum Preis von 5800 Talern vom Gutsbesitzer Wilhelm Gotthold Büttner ein Gelände von 5 Hektar, vor dem Schönhauser Tor. Dort entstand der neue Friedhof, auf dem sich neben schlichten Steinen zahlreiche repräsentative Erdbegräbnisse und Wahlgrabstellen finden. Am 29. Juni 1829 fand das erste Begräbnis, von Sara Meyer (geb. Benda), statt. Unter den rund 22.500 Einzelgräbern sowie 750 Familiengrabstätten finden sich zum Beispiel der Maler Max Liebermann und der Verlagsgründer Leopold Ullstein.
Wegen Überfüllung musste der Friedhof bereits 1880 geschlossen werden. Einzelne Bestattungen, vor allem in Familiengräbern, fanden aber noch bis in die 1970er Jahre hinein statt.
[Bearbeiten] Lapidarium
Die Zerstörungswut der Nazis und die Bomben- und Granateneinschläge des Luftkrieges machten aus dem Friedhof ein Trümmerfeld, das erst allmählich aufgeräumt wurde. Metallschmuck wurde von den Grabmalen entfernt und zu Kriegszwecken verarbeitet. In den letzten Kriegswochen wurden auf dem Friedhof Splittergräben angelegt und Grabsteine als Baumaterial verwendet.
Als 1990 umfangreiche Restaurierungsarbeiten auf dem Friedhof begonnen haben, wurden umgestürzte Grabmale aufgerichtet sowie die Wege geebnet und Wildwuchs entfernt.
Doch nicht bei allen Grabsteinen war der ursprünglicher Standort noch bekannt. Um ihnen dennoch einen würdigen „Ort der Bewahrung“ geben zu können, wurde auf den Friedhof das Lapidarium errichtet.
Der Raum, in dem sich diese Grabsteine heute befinden, wurde im Jahr 1999 vom Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Dr. Andreas Nachama, und dem Landesdenkmalamt bei den Architekten Ruth Golan und Kay Zareh in Auftrag gegeben und am 10. Juni 2005 für rund eine Million Euro fertiggestellt.
[Bearbeiten] Gedenktafeln
Nach 1945 blieb der Friedhof zunächst geschlossen. Das Friedhofsgebäude neben dem Eingang wurde völlig zerstört, und erst Ende der 1950er Jahre wurden die Reste der Ruine abgetragen. Wo es einst stand, erinnert seit den 1970er Jahren an der Friedhofsmauer eine Gedenktafel mit einem Davidstern:
Dieser Jüdische Friedhof wurde / 1827 / seiner Bestimmung übergeben / In der Zeit von / 1933-1945 / wurde er von den Faschisten / zerstört / Der Nachwelt soll er als / Mahnung erhalten bleiben
An der Stelle der im Krieg beschädigten, 1957 gesprengten Trauerhalle links neben dem Eingang entstand 1961 eine von Ferdinand Friedrich gestaltete, von freiwilligen Helfern des „Nationalen Aufbauwerks“ errichtete Gedenkwand. Unter einem Davidstern ist zu lesen:
Hier stehst Du / schweigend / doch / wenn DU / Dich wendest / schweige nicht
In der Nordwestecke des Friedhofs am Ende des Weges erinnert eine Metalltafel an unbekannte Kriegsgegner, die vergeblich versucht haben, sich in den Grabstellen zu verstecken. Die Tafel ist am Boden neben einem Schachteingang platziert und trägt den Text:
Den Tod anderer / nicht zu wollen / das war ihr Tod / Hier verbargen sich am Ende des / Jahres 1944 Kriegsgegner / Sie wurden von der SS entdeckt / an den Bäumen erhängt / und hier verscharrt.
[Bearbeiten] Besonderheiten
Auffällig sind die meist zweisprachigen Grabmalinschriften in Deutsch und in Hebräisch, entweder beides auf der Vorderseite des Grabmals, oder Vorder- und Rückseite wurden beschriftet.
Entlang der Friedhofsmauer hinter den Häusern der Kollwitzstraße befindet sich der 400 Meter lange „Judengang“, dessen heutiger Eingang sich in der Knaackstraße Nr. 41 befindet und der nur für Führungen geöffnet ist. Es wird vermutet, dass es den Juden verboten gewesen sei, den Haupteingang an der Schönhauser Allee zu benutzen. Während der Instandsetzung des Jüdischen Friedhofs wurde der Weg 2003 als Gartendenkmal sichtbar gemacht.
[Bearbeiten] Vandalismusprobleme
Mehrmals war der Friedhof von Vandalismus und Grabschändungen betroffen, so beispielsweise im Jahr 1997: 28 Grabsteine, darunter einige, die kurz zuvor restauriert worden waren, wurden von Unbekannten umgestoßen und teilweise zerstört. Die Aussage der Polizei, es gebe „keine Hinweise auf eine antisemitische Tat“, traf in der Öffentlichkeit auf Unverständnis und Empörung.
[Bearbeiten] Bedeutende Persönlichkeiten, deren Gräber sich auf dem Friedhof befinden
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(* = Ehrengrab des Landes Berlin)
- Ludwig Barnberger (1817-1903), Politiker
- Wilhelm Beer (1797–1850), deutscher Bankier, Astronom
- Baron Gerson von Bleichröder (1822-1893), Bankier
- Meno Burg (1789-1853), erster jüdischer Offizier in Preußen
- Abraham Geiger* (1810-1874), Reformrabbiner
- Eduard Lasker (1829-1884), Politiker
- Max Liebermann* (1847-1935), Maler
- Joseph Mendelssohn (1770-1848), deutscher Bankier
- Giacomo Meyerbeer* (1791-1864), deutscher Komponist und Dirigent
- Albert Mosse* (1846-1925), Jurist und Rechtsberater
- Leopold Ullstein (1829-1899), Zeitungsverleger
- Leopold Zunz (1794-1886), Begründer der modernen Judaistik
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Jüdischer Friedhof Schönhauser Allee – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- Haus der Steine
- Jüdische Friedhöfe in Berlin
- Der Judengang
- Sehenswürdigkeiten in Prenzlauer Berg
- Wertvolle Grabsteine gerettet, Berliner Zeitung
- Jüdischer Friedhof bekommt Ausstellungsraum, Berliner Zeitung
Koordinaten: 52° 32' 4.83" N, 13° 24' 49.1" O