Jean Améry
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Jean Améry (geb. 31. Oktober 1912 als Hans Mayer in Wien; gest. 17. Oktober 1978 in Salzburg) war ein österreichischer Schriftsteller.
Améry wuchs als Kind assimilierter Juden, katholisch erzogen im Salzkammergut auf und machte nach der Schule eine Buchhändlerlehre in Wien. Danach war er als Dozent an der Wiener Volkshochschule tätig.
1938 emigrierte Améry nach Belgien. Als „feindlicher Ausländer“ wurde er dort 1940 festgenommen und im südfranzösischen Lager Gurs interniert, 1941 gelang ihm die Flucht. Zurück in Belgien wandte er sich dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu.
Am 23. Juli 1943 wurde Amery beim Verteilen antinazistischer Flugblätter verhaftet und im Hauptquartier der belgischen Gestapo in Brüssel inhaftiert. Später verlegte man ihn nach Fort Breendonk/Derloven, wo er schwer durch die Gestapo gefoltert wurde.[1] Später wurde er in die Konzentrationslager Auschwitz, danach Buchenwald und Bergen-Belsen deportiert. Seine Erlebnisse hat Améry in seinem Werk Jenseits von Schuld und Sühne verarbeitet, mit dessen Veröffentlichung er 1966 im deutschsprachigen Raum bekannt wurde.
Nach 1945 in Brüssel lebend, arbeitete er als Kulturjournalist für verschiedene deutschsprachige Zeitungen der Schweiz. Zeitweise verweigerte er die Publikation seiner Texte in der Bundesrepublik Deutschland. Die Vermittlung des Radio-Essayisten des Süddeutschen Rundfunks, Helmut Heißenbüttel, verhalf ihm später zu einer ökonomischen Basis.
1978 beging er in einem Hotel in Salzburg Suizid. Er erhielt ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.
Améry bezeichnete sein essayistisches Werk als eine Revision in Permanenz. Die Nachkriegsrealität in Deutschland und seine eigene Traumatisierung durch die erlebte Folter im Dritten Reich („Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden in der Welt“) sind für ihn schwer vereinbar. Mit dem, was er seine Ressentiments (in Jenseits von Schuld und Sühne) nennt, versuchte er als Moralist den humanistischen Gedanken in den scheinbar unaufhaltsamen Weltlauf einzubringen.
Als Hommage ist der von Robert Menasse gestiftete Jean-Améry-Preis für Essayistik nach ihm benannt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Werke (Auswahl)
- Die Schiffbrüchigen, Roman, 1935
- Karrieren und Köpfe - Bildnisse berühmter Zeitgenossen, 1955
- Teenager-Stars, Idole unserer Zeit, 1960
- Geburt der Gegenwart. Gestalten und Gestaltung der westlichen Zivilisation seit Kriegsende, 1961
- Gerhart Hauptmann. Der ewige Deutsche, 1963
- Jenseits von Schuld und Sühne - Bewältigungsversuche eines Überwältigten Essays, 1966 (darin: Ressentiments, auch als getrennter Druck verlegt, Zusammenfassung [1])
- Über das Altern. Revolte und Resignation, 1968
- Über die Tugend der Urbanität, 1969
- Widersprüche, 1971
- Unmeisterliche Wanderjahre, 1971
- Ideologie und Motivation, 1974
- Lefeu oder der Abbruch, Essays, 1974
- Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod, 1976
- Charles Bovary. Landarzt. Portrait eines einfachen Mannes, 1978
- Werke, 2002 ff. (Werkausgabe in neun Bänden im Klett-Cotta Verlag, bisher erschienen sechs Bände)
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Robert Zagolla: Im Namen der Wahrheit – Folter in Deutschland vom Mittelalter bis heute, S.148–150
[Bearbeiten] Literatur
- Fiero, Petra S.: Schreiben gegen Schweigen: Grenzerfahrungen in Jean Amérys autobiographischem Werk. Hildesheim [u.a.]: Olms, 1997. ISBN 3-487-10242-0 (Haskala ; 16)
- Heidelberger-Leonard, Irene: Jean Améry im Dialog mit der zeitgenössischen Literatur: Essays. Hrsg. von Hans Höller. Stuttgart: Heinz, 2002. Salzburger Beiträge; 42)(Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik; 402) ISBN 3-88099-407-2
- Irene Heidelberger-Leonard: Jean Améry. Revolte in der Resignation. Klett-Cotta, 2004, 2.A. 2005 ISBN 3-60893-539-8
- Lorenz, Dagmar: Scheitern als Ereignis: der Autor Jean Améry im Kontext europäischer Kulturkritik. Frankfurt am Main [u.a.]: Lang, 1991. (Europäische Hochschulschriften : Reihe 1 ; 1234)
- Rosina, Harry: Jean Améry - P-R-A-U-S-T oder: Der Letalfaktor Anares Bern o.J. ISBN 3-905052-64-4
- Wolf, Siegbert: Von der Verwundbarkeit des Humanismus: über Jean Améry. Frankfurt am Main: Dipa-Verlag, 1995. ISBN 3-7638-0360-2
- Jean Améry. München: Ed. Text + Kritik, 1988. (Text + Kritik ; 99) ISBN 3-88377-282-8
- Schmitz, Walter [Hrsg.]: Erinnerte Shoah: die Literatur der Überlebenden = The Shoah remembered. Dresden: Thelem bei w.e.b., 2003. (Lesecher ... Judentum in Mitteleuropa; 1) (nicht nur zu Jean Améry)
- "Entschieden zweifeln" - Gerhard Scheit über Jean Améry, jungle world, 1. März 2006
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Jean Améry im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten | |
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NAME | Améry, Jean |
ALTERNATIVNAMEN | Hans Mayer (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 31. Oktober 1912 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 17. Oktober 1978 |
STERBEORT | Salzburg |