Julius Maggi
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Julius Michael Johannes Maggi (* 9. Oktober 1846 in Frauenfeld; † 19. Oktober 1912 in Küsnacht) war als Gründer der Firma Maggi und Erfinder der Maggi-Würze einer der Pioniere der industriellen Lebensmittelproduktion. Er betrieb früh intensive Markenwerbung und war in diesem Zusammenhang vorübergehend Arbeitgeber des später berühmten Dramatikers Frank Wedekind.
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[Bearbeiten] Jugend und Lehrjahre
Maggi war das jüngste von fünf Kindern eines italienischen Einwanderers aus der Lombardei, der es als Mühlenbesitzer und Geschäftsmann in der Schweiz zu Wohlstand und Ansehen gebracht hatte (die ursprüngliche Aussprache des Familiennamens war also etwa Madschi). Nach unruhigen Jugendjahren mit häufigen Schulwechseln und einer vorzeitig abgebrochenen kaufmännischen Lehre in Basel besuchte er die Rekrutenschule der Schweizer Kavallerie. Von 1867 bis 1869 arbeitete er - zunächst als Praktikant, schließlich als Vizedirektor - bei der „Ersten Ofen-Pester Dampfmühle AG“ in Budapest. 1869 übernahm er von seinem Vater die Hammermühle im Kempttal bei Winterthur (heute zu Lindau ZH gehörig). In den folgenden Jahren erwarb die Familie weitere Mühlen in der Schweiz. Das waren inzwischen nicht mehr handwerkliche Traditionsbetriebe, sondern halbindustrielle Unternehmen.
Für die Branche der Müller hatten kritische Jahre begonnen. Technische Neuerungen brachten erhöhte Produktivität auf einem begrenzten Markt, und auch zunehmender Importhandel verstärkte den Konkurrenzdruck; Firmenpleiten waren keine Seltenheit. Die Firma Maggi - seit 1872 hieß sie „Julius Maggi & Cie“, einige Teilhaber hatten zusätzliches Kapital eingebracht - durfte sich nicht länger ausschließlich auf die Herstellung und den Handel von Getreidemehlen verlassen, wenn sie überleben wollte. Die besonderen sozialpolitischen Bedingungen jener Zeit eröffneten schließlich einen Weg zu neuen Produkten und neuen Märkten.
[Bearbeiten] Leguminosen und Würze
Die Industrielle Revolution hatte Landflucht, Verarmung und Wohnraumnot in den Städten zur Folge gehabt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verschärfte sich die Soziale Frage, die Verelendung der unteren Klassen nahm zu. Arbeiter und Arbeiterinnen organisierten sich und begannen, auf eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse hinzuarbeiten. Das Bürgertum, auch soweit es sozial engagiert war, wollte natürlich keinen Umsturz. Man hoffte, die Lebensumstände der Arbeiter verbessern zu können, ohne die eigene Position ernsthaft zu gefährden. Auf einer Tagung der schweizerischen „Gemeinnützigen Gesellschaft“ sprach 1882 der Arzt und Fabrikinspektor Dr. Fridolin Schuler über die miserable Ernährungssituation der Fabrikarbeiter: Arbeiterinnen fanden nicht mehr genug Zeit, auf holzbefeuerten Herden umständlich für ihre Familien zu kochen, kalte Speisen oder Alkohol ersetzten oft warme Mahlzeiten; in den Kantinen der Fabriken wurden Mahlzeiten verabreicht, die zwar billig waren, aber bei weitem nicht ausreichend nahrhaft. Die Folgen: weit verbreitete Unterernährung, Magenkrankheiten, hohe Kindersterblichkeit. Dr. Schuler propagierte eiweißreiche, leicht verdauliche Hülsenfrüchte (Leguminosen); sie sollten der Arbeiterschaft in einer Form angeboten werden, die für schnelle Zubereitung geeignet und zudem billig wäre. Die „Gesellschaft“ griff die Anregung auf und wandte sich unter anderem an die Firma Maggi.
Julius Maggi sah hier auch eine geschäftliche Chance und begann umgehend mit der Arbeit. Zwei Jahre lang experimentierte er mit verschiedenen Methoden mechanischer und chemischer Aufbereitung der Hülsenfrüchte und unterschiedlichen Mischungen. Dr. Schuler hatte ihm die wissenschaftliche Unterstützung mehrerer Universitätsprofessoren vermittelt, Maggi selbst schuf hauptsächlich die technischen Voraussetzungen für die Produktion. Die Ergebnisse wurden den Beauftragten der „Gemeinnützigen Gesellschaft“ am 19. November 1884 vorgestellt. Nach einem positiven Gutachten von Dr. Schuler, nach Diskussion und einem Menu in mehreren Gängen („glücklicherweise doch nicht ganz aus Leguminosen zusammengesetzt.“) war man sich einig, dass Maggis Produkte im Vergleich zu ähnlichen Erzeugnissen drei wesentliche Vorteile hatten: sie waren deutlich billiger, enthielten prozentual mehr Eiweiß und schmeckten besser. In einem Vertrag verpflichtete sich die „Gesellschaft“, drei Jahre lang ausschließlich Maggis Leguminosen zu empfehlen, Maggi seinerseits garantierte für den Verkauf in der Schweiz einen Festpreis und akzeptierte regelmäßige Produkt-Kontrollen. Die Regelung erwies sich als durchaus verkaufsfördernd, der ganz große Erfolg freilich blieb aus. Die „Gesellschaft“ und Dr. Schuler mussten sich sogar gegen Vorwürfe wehren, sie hätten einseitig die Interessen eines privaten Unternehmens vertreten; das Unternehmen Maggi wiederum hatte trotz der Unterstützung erhebliche Probleme damit, in einen Markt einzudringen, der durch andere Anbieter von Suppenmehlen schon weitgehend besetzt war. Immerhin: ab 1885 brachte Maggi neun industriell hergestellte Leguminose-Sorten auf den Markt. Auf der Schweizerischen Kochkunst-Ausstellung in Zürich 1885 erhielt er das „Diplom erster Classe“ für sein neues Industrieprodukt.
1886 war ein besonders wichtiges Jahr für Maggi. Weitere Kommanditisten mit zum Teil erheblichen Geldeinlagen kamen hinzu, seit dem 1. Juni hieß die Firma nun „Maggi & Co“. In den folgenden drei Jahren blieb allerdings der Absatz von Leguminosen deutlich hinter den Erwartungen zurück, erfolgreicher waren zahlreiche Sorten kochfertiger Suppen. Erste Warenlager und Niederlassungen im Ausland wurden gegründet, 1887 auch im badischen Singen. Um für die geplante weitere Expansion frisches Kapital zu beschaffen, wurde die Firma 1889 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, mit Julius Maggi als Generaldirektor.
1886 erschien auch die Maggi-Würze auf dem Markt, zunächst unter anderen Bezeichnungen. Die Substanz in den markanten braunen Flaschen mit langem Hals, mit gelb-rotem Etikett und dem Markenzeichen „Kreuzstern“ („durch das Kreuz zum Erfolg“) wurde schnell zum Synonym für alle derartigen Würzsoßen und zum bekanntesten Produkt der Firma. Form und Farben der Ausstattung hatte Julius Maggi selbst vorgeschrieben. Zusammenhänge mit Mehl und Mühlen gab es hier nicht mehr, die Würze war eine Erfindung aus dem Labor. Sie war geeignet - und vermutlich auch dafür entwickelt worden - die mäßig wohlschmeckenden Leguminosen schmackhafter zu machen, galt als Lösung für das weit verbreitete Problem der „schwachen Suppen“ (ohne ausreichende Mengen von Fleisch oder Gemüse) und stand bald als Würzmittel für viele unterschiedliche Speisen in zahllosen Haushalten. Eine Abschrift des Fabrikationsgeheimnisses, das bis heute nur sehr wenige Personen kennen, wurde bei der „Schweizerischen Kreditanstalt“ deponiert.
[Bearbeiten] Frühe Werbung
Bis 1885 hatte Maggi die Werbung für seine Produkte selbst konzipiert und beaufsichtigt. Als Fabrikant war er grundsätzlich auf Reklame angewiesen. Produkte, die früher lose und anonym im Krämerladen verkauft worden waren, wurden nun in der Fabrik einheitlich abgepackt und brauchten, um sich auf dem Markt zu behaupten, ein attraktives, wiedererkennbares Äußeres und die Unterstützung durch werbliche Maßnahmen. Anfangs wirkten die Packungen überaus schlicht. Sie waren mit Herstellernamen und Produktbezeichnung bedruckt, dazu etwa mit Garantieerklärung, Gebrauchsanleitung oder einem Slogan wie „Für Arm & Reich“. Ähnlich phantasiearm äußerten sich die Inserate: „Am besten, gesundesten und von keiner Concurrenz erreichter Billigkeit“ (1884) oder „Eine Hauptsache bei der Zubereitung von Maggi-Suppen ist das Salzen bis zur Schmackhaftigkeit und das Kochen, bis die Suppen etwas schleimig werden.“ (1885).
Die Ziele der jetzt mit großem Kapitaleinsatz expandierenden Firma, deren Erzeugnisse in größeren Absatzgebieten bekannt gemacht werden mussten, waren mit Reklame dieser Art nicht zu erreichen. Maggi hatte erkannt, dass er für massenhaft industriell hergestellte Nahrungsmittel Nachfrage direkt beim Verbraucher schaffen musste. Zudem galt es, ein gewisses Misstrauen gegenüber wissenschaftlich entwickelten, industriell produzierten Nahrungsmitteln zu überwinden. Für diese Aufgaben richtete Maggi 1886 ein firmeneigenes Reklame- und Pressebüro ein, durchaus nicht üblich zu jener Zeit. Die Abteilung war ihm direkt unterstellt. Als Leiter des Büros engagierte er den zweiundzwanzigjährigen Frank Wedekind, einen mittellosen jungen Mann, der gerade sein Studium der Rechtswissenschaften abgebrochen und sich deshalb mit seinem Vater überworfen hatte, als Literat noch völlig erfolglos war und Maggi mit dem Hinweis vorgestellt worden war, er könne auf Bestellung Gedichte, also wohl auch andere geeignete Texte schreiben. Den Beruf des Werbetexters gab es ja noch nicht.
Die Werbung selbst wuchs allmählich aus den Kinderschuhen heraus. In industriell weiter entwickelten Ländern wie England und Frankreich, etwas verspätet auch in Deutschland war sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts schon weit mehr als nur nüchterne Information über Produkteigenschaften. Als ein typisches Verfahren früher Markenwerbung hatte sich die Mischung romantischer, überraschender und belehrender Elemente bewährt. Auch Maggi in der etwas verschlafenen Schweiz - den Blick auf weit größere Absatzgebiete gerichtet - wollte seine Werbung der neuen Entwicklung anpassen. Wedekind sollte ihm dazu verhelfen.
Glücklich wurde Wedekind bei Maggi nicht. Ein Jahr und 150 Reklametexte später verabschiedete er sich wieder aus der Nahrungsmittelbranche, um es weiter mit eigentlicher Literatur zu versuchen. Es zeigte sich aber, dass er das Handwerk, die Rhetorik der Werbung bald souverän beherrschte und Texte schrieb, die von Julius Maggi fast immer zustimmend kommentiert und zur Veröffentlichung freigegeben wurden. Nicht ganz klar ist bis heute, ob Wedekind sich bewusst ironische Übertreibungen gestattete, wenn er banale Massenartikel wie Fertigsuppen und Speisewürze mit immer neuen anekdotischen Einfällen eindringlich empfahl. Hier eine seiner Arbeiten:
„Wenn der Kochkurs nicht wär´“, seufzte das siebzehnjährige, schlanke, schwarzäugige Engelskind, „so wollte ich ja gerne heirathen. Aber er wünscht durchaus, dass ich vorher einen Kochkurs nehme.“ „Elschen, beruhige Dich“ sagte darauf die verständige Mutter. „Das nothwendigste will ich Dir schon beibringen; und dann würzest Du ihm jeden Mittag die Gerichte mit diesem Fläschchen hier. Pass mal auf, was der für Augen machen wird. Täglich giebt er Dir zwei Küsse mehr dafür! Es ist nämlich Maggi´s Suppen- und Speisewürze.“ (Schriftlicher Kommentar von Julius Maggi: „Famos!“).
Auch nach Wedekinds Abgang ließ Maggi die intensive Werbetätigkeit fortsetzen, mit den seinerzeit dominierenden Werbemitteln Inserat und Plakat (in Frankreich z. B. entwarf der berühmte Jugendstilgraphiker Alfons Maria Mucha ein Plakat für die Firma Maggi), sowie mit der konsequenten Verwendung von Markennamen und Produktausstattung.
[Bearbeiten] Erfolgreiche Jahre
In den 1890er Jahren hatte Maggi seine unternehmerischen Ziele im Wesentlichen erreicht. Fabriken und Niederlassungen in der Schweiz, im europäischen Ausland und in den USA produzierten und verkauften mit großem Erfolg und machten die Marke „Maggi“ weltweit bekannt. Vor diesem Hintergrund konnte Julius in seinen Betrieben eine Reihe von Sozialmaßnahmen einführen, die damals noch selten waren: neben anderen Regelungen ließ er seit 1892 Arbeiterwohnungen bauen, gründete 1895 eine Betriebskrankenkasse, führte 1906 den freien Samstagnachmittag ein, 1907 wurde eine Arbeiterkommission gebildet, die 1914 den Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages erreichte. Julius Maggi verlegte 1901 seinen Arbeitsplatz nach Paris und gründete 1903 die „Société Laitière Maggi“, eine Firma für den Vertrieb von Frischmilch en gros, deren Umsatz bald den der eigentlichen Maggi-Produkte übertraf; während einer Arbeitssitzung erlitt er einen Schlaganfall, er starb an den Folgen am 19. Oktober 1912. Julius Maggi war zweimal verheiratet, er hatte vier Töchter und zwei Söhne. Kurz nach seinem Tod wurde die Firma, die seinen Namen trug, in eine Holdinggesellschaft umgewandelt, später in „Alimenta AG“ umbenannt und in einer Fusion 1947 mit der heutigen „Nestlé AG“ verschmolzen.
[Bearbeiten] Weblink
[Bearbeiten] Literatur
- Hartmut Vincon (Hrsg.):Frank Wedekinds Maggi-Zeit, Verlag Jürgen Häusser, Darmstadt 1995. ISBN 3-927902-71-3.
- Alex Capus: Patriarchen, Albrecht Knaus-Verlag, München 2006.ISBN 3-813502-73-2.
Personendaten | |
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NAME | Maggi, Julius Michael Johannes |
KURZBESCHREIBUNG | war als Unternehmer und Erfinder einer der Pioniere der industriellen Lebensmittelproduktion Wedekind |
GEBURTSDATUM | 9. Oktober 1846 |
GEBURTSORT | Frauenfeld |
STERBEDATUM | 19. Oktober 1912 |
STERBEORT | Küsnacht |