Kaiserliche Garde (Napoleon)
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Die Kaiserliche Garde Napoleons (frz.: "Garde Impériale") war eine im Jahre 1804 gegründete Eliteabteilung der Grande Armée.
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[Bearbeiten] Napoleon und seine Garde
Die 1804 auf der Grundlage der alten Konsulargarde aufgebaute Kaiserliche Garde war eine persönliche Schöpfung Napoleons.Bei der Planung des Russlandfeldzuges umfasste sie fast 52000 Männer, alles Freiwillige.Er allein überprüfte und kontrollierte die Rekrutierungen, Beförderungen und kümmerte sich um alle weiteren Details des Dienstes bis hin zum Aussehen der Uniformen. Über seine zahlreichen Feldzüge und Schlachten hinweg entwickelte Napoleon ein sehr persönliches Verhältnis zur Garde, die nicht nur im Krieg für seine persönliche Sicherheit garantierte, sondern auch in Friedenszeiten zu Repräsentationszwecken – etwa durch ihre Anwesenheit bei Staatsbanketten – eingesetzt wurde. Napoleon kannte mehrere hundert seiner Gardesoldaten namentlich und kümmerte sich auch um Einzelschicksale, was die enge persönliche Bindung zwischen ihm und den Soldaten noch verstärkte.Die Kaiserliche Garde Napoleons sezte viele neue Taktiken ein, wie die Angriffskolonne. Bis Waterloo galt sie als unbesiegbar.
[Bearbeiten] Privilegien
Angehörige der Gardeinfanterie erhielten einen doppelt so hohen Sold wie Soldaten der einfachen Linienregimenter. Ein Gardegrenadier beispielsweise erhielt täglich 80 centimes, während sein Pendant in der Linie 30 centimes täglich verdiente. Die Gardedienstgrade rangierten jeweils einen Rang vor denen der regulären Armee, d.h. der Sergent Major (Oberfeldwebel) der Garde war dienstgradgleich mit dem Leutnant der Linie, der Gardeoberleutnant rangierte mit dem Hauptmann der Linie. Die Gardeeinheiten wurden besser verpflegt und jeder Soldat verfügte über eine eigene Suppenschüssel, während alle übrigen Soldaten der Grande Armée zu mehreren aus einem Topf essen mussten. Darüberhinaus verfügte die Garde über ein eigenes Krankenhaus in Gros-Caillou bei Paris, das unter der Leitung des berühmten Militärarztes Dominique Jean Larrey stand und dessen medizinisches Personal mit großer Sorgfalt ausgewählt wurde. Begegnete ein Garderegiment auf seinem Marsch einem einfachen Linienregiment, so war letzteres verpflichtet, der Garde den Weg frei zu machen, anzuhalten und die Waffen zu präsentieren. Alle diese Privilegien waren darauf ausgelegt, unter den Angehörigen der Garde ein Gefühl des Stolzes zu erzeugen und damit die Motivation der Soldaten zu steigern.
[Bearbeiten] Gliederung, Stärke
Die Garde des Kaiserreichs umfasste alle Waffengattungen der Zeit. Sie bestand aus schwerer Infanterie (Grenadiere), leichter Infanterie (Jäger, Voltigeurs, Tirailleure) schwerer Kavallerie (berittene Grenadiere, Lanciers und Dragoner), leichter Kavallerie (berittene Jäger), Fußartillerie, berittener Artillerie, Gendarmen, Marineinfanteristen und Pionieren. Aufgeteilt war die Kaiserliche Garde in die "Alte" und "Junge" Garde, die 3. und 4. Grenadiere sowie die 3. und 4. Jäger wurden als "Mittlere Garde" bezeichnet.
Nach besonderen Leistungen auf dem Schlachtfeld konnten einzelne Regimeter zu Garderegimentern erhoben oder innerhalb der Garde "befördert" werden: Nach dem verlustreichen Sieg am Somosierra-Pass in Spanien (30. November 1808) wurden die Polnischen Chevaulegers von der "Jungen Garde" in die "Alte Garde" überführt. Der Augenzeuge Philippe-Paul de Ségur berichtet, dass die Tapferkeit des Regimentes Napoleon so beeindruckte, dass er es die "Mittlere Garde" überspringen ließ! (siehe: Segurs Augenzeugenbericht)
Folgende Momentaufnahme vom Tag der Schlacht bei Ligny (16. Juni 1815) gibt einen ungefähren Überblick über die Organisationsstruktur und Truppenstärke gegen Ende des Ersten Kaiserreichs:
Die Kaiserliche Garde (La Garde Impériale) | |||
Aide major général | Generalleutnant Comte Drouot | ||
Kommandeur der Infanterie | Generalleutnant Comte Friant | ||
Commandant en second | Comte Morand | ||
Kommandeur der Artillerie und der Marineinfanteristen | Baron Desvaux de Saint Maurice | ||
Commandant le génie | Baron Haxo | ||
Kommandeur der Jungen Garde | Comte Duhesme | ||
Alte Garde | |||
1. Division | Generalleutnant Comte Rouget | ||
1. Grenadiere zu Fuß | Baron Petit | (2 Bataillone) | 1.006 Mann |
2. Grenadiere zu Fuß | Baron Christiani | (2 Bataillone) | 1.063 Mann |
3. Grenadiere zu Fuß | Poret de Morvan | (2 Bataillone) | 1.146 Mann |
4. Grenadiere zu Fuß | Harlet | (1 Bataillon) | 503 Mann |
2. Division | Generalleutnant Comte Michel | ||
1. Jäger zu Fuß | Comte Cambronne | (2 Bataillone) | 1.271 Mann |
2. Jäger zu Fuß | Baron Pelet | (2 Bataillone) | 1.031 Mann |
3. Jäger zu Fuß | Mallet | (2 Bataillone) | 1.028 Mann |
4. Jäger zu Fuß | Henrion | (2 Bataillone) | 1.041 Mann |
Junge Garde | |||
1. Brigade | Chartran | ||
1. Voltigeure | (2 Bataillone) | 1.188 Mann | |
1. Tirailleure | Baron Christiani | (2 Bataillone) | 935 Mann |
2. Brigade | Guye | ||
3. Voltigeure | Comte Cambronne | (2 Bataillone) | 1.271 Mann |
3. Tirailleure | Baron Pelet | (2 Bataillone) | 1.031 Mann |
Leichte Kavallerie | Comte Lefebvre-Desnouëttes | ||
Jäger zu Pferd | Baron F. Lallemand | (7 Schwadrone) | 1.197 Mann |
Lanzenreiter | E. Colbert | (6 Schwadrone) | 880 Mann |
Reserve-Kavallerie | Baron Guyot | ||
Grenadiere zu Pferd | Dubois | (6 Schwadrone) | 796 Mann |
Dragoner | Hoffmayer | (6 Schwadrone) | 880 Mann |
Fußartillerie | Lallemand | (72 Kanonen) | 702 Mann |
Artillerie zu Pferd | Duchand | (24 Kanonen) | 380 Mann |
[Bearbeiten] Einsatz der Garde
Napoleon nutzte die Garde in seinen Schlachten häufig als letzte Reserve und setzte sie bevorzugt in schlachtentscheidenden Situationen ein. Insbesondere den Einsatz der Alten Garde zögerte er gerne so lange wie möglich heraus.
[Bearbeiten] Mythen und Legenden
Die Gemälde der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts zeigen die Soldaten der Kaiserlichen Garde häufig als alte Männer in Bärenfellmützen. In Wirklichkeit waren die Soldaten aber zwischen 30 und 35 Jahre alt, um die ausgedehnten Eilmärsche bewältigen zu können. Darüberhinaus waren nur die 1. und 2. Grenadiere sowie die 1. und 2. Jäger mit Bärenfellmützen ausgestattet. Die Garde, insbesondere die Männer die mit den hohen Bärenfellmützen ausgestattet waren wurden von ihren Gegnern ehrfürchtig und respektvoll als "Götter" bezeichnet, da sie auf dem Schlachtfeld aufgrund ihrer gesteigerten Größe eine beeindruckende Erscheinung darstellten. Aber auch die Vorstellung, es habe sich bei der Garde ausschließlich um gutausgestattete Soldaten gehandelt, hält vor zeitgenössischen Zeugnissen nicht stand. So beschrieb etwa der britische Künstler Benjamin Haydon die Garde nach seinem Besuch in Fontainebleau im Jahre 1814 wie folgt:
- More dreadful looking fellows than Napoleon's Guard I have never seen. They had the look of thoroughbred, veteran, disciplined banditti. Depravity, recklessness, and bloodthirstiness were burned into their faces [...] Black mustachios, gigantic bearskins, and a ferocious expression were their characteristics.
- Ich habe niemals Soldaten gesehen, die schauderhafter aussahen als diejenigen der napoleonischen Garde. Sie sahen aus wie hochgezüchtete, kampferprobte, disziplinierte Straßenräuber. Verderbtheit, Rücksichtslosigkeit und Blutdurst waren in ihre Gesichter eingebrannt [...] Schwarze Schnurrbärte, riesige Bärenfelle (Bärenfellmützen) und ein grimmiger Gesichtsausdruck machten ihre Erscheinung aus.
Auch wenn sein Urteil über die beschriebenen Soldaten nicht als vorurteilsfrei gewertet werden darf und Haydon mit seiner Schilderung sicherlich die Erwartungen seiner englischen Landsleute bediente, so ist auch aus anderen Quellen belegt, dass die zum Teil unterschiedlich uniformierten und nicht immer perfekt ausgestatteten Garderegimenter nicht immer dem Bild entsprachen, das später von ihnen gemalt wurde.
[Bearbeiten] Literatur
- Jean Tranié: Artikel „Garde impériale“, in: Jean Tulard (Hrsg.): Dictionnaire Napoléon, Paris 1989, ISBN 2-213-02286-0, S. 775–777
- Jean Lachouque: Napoléon et la Garde impériale, Paris 1957 – auch in englischer Übersetzung verfügbar als The anatomy of glory: Napoleon and his guard, übersetzt aus dem Französischen von Anne S. K. Brown, mit einer neuen Einführung von John R. Elting, 4. Auflage, London 1997, ISBN 1-85367-264-5
- G. Charmy: Splendeur des Uniformes de Napoléon, Evreux 2003, Band 2: La Garde impériale à pied, ISBN 2-914417-09-8 sowie Band 3: La Garde Impériale à cheval, ISBN 2-914417-10-1