Kulturpessimismus
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Unter Kulturpessimismus wird eine Anschauung verstanden, die den gegenwärtigen Tendenzen und zukünftigen Entwicklungen einer Kultur mit Pessimismus gegenübersteht. Der Begriff war ursprünglich auf die Kultur als Gesellschaftsordnung bezogen und sollte einen Gegenpol zum Fortschrittsglauben und dem Kulturoptimismus beschreiben. Heute wird Kulturpessimismus vor allem hinsichtlich der kulturellen Erzeugnisse einer Gesellschaft verwendet.
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[Bearbeiten] Definition
Der Kulturpessimist sieht schicksalshaft Niedergang und Untergang durch Dekadenz von Kunst, Kultur und Gesellschaft - Er ist von den aus seiner Sicht banalen und bedeutungslosen Erzeugnissen der Kulturindustrie und manipulierenden Medien enttäuscht, weil sie - vermeintlich oder tatsächlich - einer erleseneren kulturellen Wertehaltung widersprechen oder nicht genügen. Dagegen wird z.B. bei Spengler angesichts der drohenden Apokalypse eine faustisch-heroische, das Schicksal bejahende Lebenshaltung beschworen. Hinter dem Kulturpessimismus steht oft eine konservative, seltener auch revolutionäre Weltsicht - beide beispielhaft in der konservativen Revolution verquickt. Schließlich besaß auch der Faschismus in vielen seiner Facetten ein mehr oder minder deutlich hervortretendes kulturpessimistisches Moment.
[Bearbeiten] Literatur über den Kulturpessimismus
[Bearbeiten] Roger Griffin
Roger Griffin unterscheidet zwei Typen von Kulturpessimismus: "der Typ, der keinen Ausweg sieht und der zu Verzweiflung führt, und die palingenetische Variante, die die finsterste Nacht nicht als endgültig und als Vorspiel zum Tode, sondern zyklisch als Ankündigung einer neuen Morgendämmerung versteht. Wenn palingenetischer Kulturpessimismus einmal in den ideologischen Treibstoff einer politischen Massenbewegung verwandelt ist, kann er revolutionäre Energien zur Säuberung der Gesellschaft von ihrer inneren Dekadenz und Korruption durch systematische Verfolgung und Massenmord entfalten. Außenstehenden und insbesondere den Opfern mag dies 'nihilistisch' erscheinen, doch im Geiste der Planer und Akteure ist das Ziel, den Nihilismus zu überwinden und die Dekadenz in Neugeburt zu verwandeln, eine Gesinnung, die in Nietzsches Der Wille zur Macht aktiver Nihilismus im Unterschied zu passivem genannt wird." (s. "Völkische Bande" S. 28).
Roger Griffin weist dem "politische Modernismus", dessen Vertreter sich in einer Phase des Verfalls sehen und dabei sich durch neue technische Möglichkeiten - z.B. durch die Gentechnologie - Visionen für eine grundlegende Neugestaltung der Gesellschaft "erträumen" (Weiss), die Merkmale des Kulturpessimismus zu: Er richte sich gegen die Zeit, der er selbst entsprungen sei.
[Bearbeiten] Kritik an Roger Griffins Verständnis des Kulturpessimismus
Kritisiert wird an Griffins Definition des Kulturpessimismus, dass er Kulturpessimismus mit Barbarei oder Menschenhass verknüpft oder diese gar als zwangsläufiges Resultat des Kulturpessimismus betrachtet.
[Bearbeiten] Freud
Sigmund Freud thematisierte den Kulturpessimismus in seinem sozialphilosophischem bzw. kulturtheoretischem Werk „Das Unbehagen in der Kultur“ (1930).
[Bearbeiten] Verwendung des Kulturpessimismus als „Kampfbegriff“
Kulturoptimismus oder Kulturpessimismus werden zum größten Teil als abwertende Kampfbegriffe empfunden und verwendet.
[Bearbeiten] Referenzen
- Volker Weiss: Faschismus und politischer Modernismus. In: Phase2 Nummer:17/2005 [1]
- Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Münster, 2005. ISBN 3-89771-737-9 (Dort insb. die Beiträge von Griffin, Weiss, Lenk.)
- Oliver van Essenberg: Kulturpessimismus und Elitebewußtsein. Zu Texten von Peter Handke, Heiner Müller und Botho Strauß. (Marburg 2004, Tectum Verlag)
- Fritz Stern: Kulturpessimismus als politische Gefahr - Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2005. ISBN 3608941363, Rezension Deutschlandradio Kultur [2]