KZ Westerbork
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Das Polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork war eines der beiden, von den nationalsozialistischen Besatzern in den Niederlanden eingerichteten zentralen Durchgangslager für die Deportation der niederländischen Juden in die Konzentrations- und Vernichtungslager.
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[Bearbeiten] Vorgeschichte
Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurde das Zentrale Flüchtlingslager Westerbork von der niederländischen Verwaltung gegründet, um die großen Flüchtlingsmassen von Juden aus Deutschland und Österreich außerhalb der niederländischen Städte und Dörfer aufzufangen. Die damalige niederländische Regierung hatte, um die Freundschaft zu Deutschland zu bewahren, die Grenzen am 15. Dezember 1938 für Flüchtlinge geschlossen und stempelte sie so zu unerwünschten Ausländern, die keinesfalls integriert werden sollten, ab. Die Flüchtlinge sollten in einem Lager, dessen Errichtung im Februar 1939 beschlossen wurde, zentral aufgefangen werden.
Ursprünglich sollte das Lager bei Elspeet errichtet werden, jedoch hielt Königin Wilhelmina den Abstand von 12 Kilometern zwischen dem Lager und ihrem Sommerpalast "Het Loo" für zu klein. Auch der ANWB war dagegen, da die Veluwe für Touristen offen bleiben sollte. So wählte man schließlich das Amerveld op der Drentsche Heide bei Hooghalen, zehn Kilometer nördlich des Dorfes Westerbork.
Am 9. Oktober 1939 kamen die ersten 22 jüdischen Internierten aus einer Gruppe von mehr als 900 deutschen Juden an, die vergeblich versucht hatten, mit dem Schiff St. Louis von Hamburg nach Kuba zu flüchten.
[Bearbeiten] Kriegszeit
Nach dem Einfall der Deutschen am 10. Mai 1940 wurde Kamp Westerbork einfach weitergenutzt. Erst am 1. Juli 1942 wurde aus dem Zentralen Flüchtlingslager Westerbork offiziell das "polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork" unter direkter deutscher Verwaltung. Neben den überwiegend jüdischen LagerinsassInnen wurden auch Sinti und Roma und Widerstandskämpfer im Lager festgehalten. Fast alle wurden mit dem Zug abtransportiert – anfänglich über Hooghalen, später wurde eine Bahnstrecke angelegt, die das Lager mit der Strecke zwischen Beilen und Assen verband.
Jeden Dienstag fuhr ein Güterzug aus Westerbork eine große Gruppe Häftlinge über Assen, Groningen und den Grenzbahnhof Nieuweschans nach "Osten", überwiegend in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibór. Die Fahrt dauerte ungefähr drei Tage. Der Zug wurde bis Nieuweschans von niederländischem Bahnpersonal unterstützt, und ab dort von deutschem Personal übernommen. Insgesamt wurden von 1942 bis 1944 mehr als 107.000 Juden aus Westerbork per Zug deportiert. Nur 5.000 von ihnen kehrten zurück.
Unter den Opfern sind auch bekannte Namen: Etty Hillesum war vor ihrer Deportation in Westerbork gefangen. Sie wurde 1943 in das Vernichtungslager Sobibór deportiert und hier ermordet. Anne Frank war zwischen dem 7. August 1944 und dem 3. September 1944 in der Strafbaracke des Lagers interniert. Sie wurde über Auschwitz Ende Oktober 1944 in das KZ Bergen-Belsen gebracht, wo sie im März 1945 kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers an Typhus starb.
Der letzte Zug fuhr am 3. September 1944 ab. Am 12. April 1945 wurde Westerbork von kanadischen Soldaten befreit. Zu diesem Zeitpunkt waren noch zirka 900 jüdische Häftlinge im Lager. Das Lager kam wieder unter niederländische Verwaltung. Die ehemaligen Häftlinge mussten noch wochenlang im Lager bleiben, bevor ihnen die Heimkehr genehmigt wurde.
[Bearbeiten] Nach dem Krieg
Nach dem Krieg wurde das Lager einige Jahre von den niederländischen Behörden verwendet um NSB-Mitglieder (Niederländische National-Sozialistische Bewegung) und Kollaborateure ohne Prozess gefangen zu halten.
Kurz danach wurde es in ein militärisches Lager umgewandelt. 1951 wurde Kamp Westerbork als Wohnort für Soldaten aus Niederländisch-Indien und von den Molukken eingerichtet. Es bekam den Namen Schattenberg, nach einem prähistorischen Grabhügel in der Umgebung. Die ersten Molukker trafen dort am 22. März 1951 ein. Sie waren am vorausgegangenen Tag in Rotterdam mit dem Schiff Kota Inten angekommen. 1970 verließen die letzten Familien das Lager schon wieder. Es wurde danach abgebrochen.
Am historischen Ende des Schienenstranges zum Lager enthüllte Königin Juliana 1970 das Nationale Monument Westerbork.
[Bearbeiten] Erinnerungszentrum
Seit 1983 befindet sich ein Erinnerungszentrum in der Nähe des ehemaligen Lagers, in dem die Geschichte des Durchgangslagers Westerbork dargestellt wird. Das Grundstück des ehemaligen Lagers ist heute eine freie Fläche inmitten eines Waldgeländes. Dreieckige Steine markieren die Positionen der ehemaligen Baracken und Gleise.
[Bearbeiten] Literatur
- Maria Goudsblom-Oestreicher, Erhard Roy-Wiehn (Hrsg.): Felix Hermann Oestreicher. Ein jüdischer Arzt-Kalender. Durch Westerbork und Bergen-Belsen nach Tröbitz. Konzentrationslager-Tagebuch 1943-1945. Hartung-Gorre-Verlag, Konstanz, 2000, ISBN 3-89649-411-2
- Andreas Pflock: Auf vergessenen Spuren. Ein Wegweiser zu Gedenkstätten in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006.
- Philip Mechanicus (1993): Im Depot - Tagebuch aus Westerbork. Berlin: Edition Tiamat ISBN 3-923118-83-X
Siehe auch: Liste der Konzentrationslager der dt. Nationalsozialisten in Europa