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Lotte in Weimar - Wikipedia

Lotte in Weimar

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Lotte in Weimar ist ein Roman Thomas Manns über Goethe: Die nunmehr um 44 Jahre gealterte und verwitwete Charlotte Kestner, geb. Buff aus Wetzlar, das literarische Vorbild für Lotte in Die Leiden des jungen Werthers reist 1816 nach Weimar. Sie tut dies vorgeblich, um ihre Schwester zu besuchen, eigentlich aber in der Hoffnung, Goethe noch einmal zu sprechen.

Das Werk entstand zwischen dem 11. November 1936 und dem 25. Oktober 1939 (Tagebuch).

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Das Werk

Mit der Postkutsche, die vor dem Gasthof Zum Elephanten hält, dem ersten Haus am Platze, trifft morgens in aller Frühe Charlotte Kestner mit Tochter und Zofe in Weimar ein. Ihr Ruf, das Urbild der Lotte in „Die Leiden des jungern Werthers“ zu sein - des erfolgreichsten Romans einer Epoche - ist ihr Jahrzehnte vorausgeeilt.

Kaum eingetroffen, wird sie in Beschlag genommen. Der zitatenfeste, enthusiastische Kellner Mager stiehlt ihr Zeit mit seiner Redseligkeit. Anschließend behelligt sie eine junge irische Zeichnerin, (eine fahrende Stümperin wird Charlotte sie später nennen), die sich auf das Skizzieren von Berühmtheiten verlegt hat. Und dann geben sich Besucher und Besucherinnen die Klinke in die Hand. Sie wollen - oder müssen - sich vor der Besucherin über Goethe aussprechen: Herr Dr. Riemer, der ehemalige Privatlehrer von Goethes Sohn, August von Goethe, ersucht um ein Gespräch. Sodann bittet Adele Schopenhauer, dem Hause Goethes nahe stehend, dringend, vorsprechen zu dürfen. Schließlich kommt Goethes Sohn. Aller ihrer Leben hat Goethe tief beeinflusst und das nicht immer beglückend - was ja auch für Lotte selber gilt.

Formal sehr elegant, wird der 67-jährige Goethe zunächst nur im Goethebild seiner Umgebung widergespiegelt. Sehr spät, erst im siebenten Kapitel, lernt ihn der Leser selbst kennen. Goethe ist gerade erwacht (mit einer morgendlichen Erektion!) und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Es folgt ein langer innerer Monolog, der nur unterbrochen wird, wenn Goethe mit seinen Hausangstellten spricht.

Sein Sohn überbringt ihm die Nachricht von Charlottes Ankunft. Goethe reagiert ärgerlich: "Konnt´ sie sich´s nicht verkneifen, die Alte, und mir´s nicht ersparen?". Er beschließt - die Nachricht von Charlottes Ankunft hat sich mit Windeseile in der ganzen Stadt verbreitet - sie samt Tochter in größerem Kreis einzuladen. In dieser Tafelrunde wird beklemmend spürbar, wie ein Genie auf seiner Umgebung lasten kann. Unter vier Augen - was doch Charlottes Wunsch gewesen sein wird - spricht Goethe nicht mit ihr. Für den Abend ermöglicht er ihr einen Theaterbesuch und lässt sie nach der Vorstellung in seiner Kutsche abholen.

Während der Fahrt imaginiert Charlotte im Halbschlummer ein Gespräch mit dem nicht anwesenden Goethe, das die Flammen-Metaphorik des Divan-Gedichtes «Selige Sehnsucht» paraphrasiert. Gleichnishaft sieht Goethe den Dichter als Falter, der in der «tödlich lockenden Flamme» der Kunst verbrennt, «Leben und Leib» opfert «zu geistiger Wandlung». Lotte vergleicht ihrer beiden Schicksale: «Es ist etwas Fürchterliches um die Verkümmerung, das sage ich Dir! Und wir Geringen müssen sie meiden und uns dagegen stemmen, aus allen Kräften. Wenn auch der Kopf wackelt, vor lauter Anstrengung. […] Bei Dir, da war es was anderes. […] Dein Wirkliches [das Lebenswerk], das sieht nach was aus. Nicht nach Verzicht und Untreue, sondern nach lauter Erfüllung und höchster Treue!» Sie erwacht, als die Kutsche hält. Der Roman endet, wo er begonnen hat: Vor dem Gasthof "Zum Elephanten".

Das Wagnis, den ganzen weltberühmten Weimarer Kreis zu rekapitulieren, dazu Goethes Leben, sein Verhältnis zu Schiller, die Freiheitskriege, viele seiner Werke und Vorhaben u.a.m., ist dem Autor dank umfassender Vorstudien glänzend gelungen, ironisch, subtil und fulminant. Entstanden sind eine der besten Einführungen in dieses Zentrum der deutschen Geistesgeschichte und ein Goetheporträt, erstellt von einem um 126 Jahre jüngeren Schriftsteller, der ebenfalls erfahren ist im Umgang mit eigenen künstlerische Welterfolgen.

[Bearbeiten] Der Kellner Mager

Er ist in der ersten und letzten Szene präsent. „Der Kellner des Gasthofes 'Zum Elephanten' in Weimar, Mager, ein gebildeter Mann, hatte an einem fast noch sommerlichen Tage ziemlich tief im September des Jahres 1816 ein bewegendes, freudig verwirrendes Erlebnis.“ So beginnt der Roman.

Am Schluss gibt ihm Thomas Mann das letzte Wort: „Frau Hofrätin“, begrüßt er Charlotte, „willkommen wie immer! Möchten Frau Hofrätin in unserem Musentempel einen erhebenden Abend verbracht haben! Darf ich diesen Arm offerieren zur sicheren Stütze? Guter Himmel, Frau Hofrätin, ich muß es sagen: Werthers Lotte aus Goethes Wagen zu helfen, das ist ein Erlebnis – wie soll ich es nennen? Es ist buchenswert.“

Mager ist die nicht unsympathische Karikatur des literarischen Enthusiasten. Vom Autor wird er als ein „gebildeter Mann“ vorgestellt. Doch er steht für die fragwürdige Seite des Ruhms, für „die Seichtheit derer“, die den Ruhm bereiten. Als er im ersten Kapitel endlich die gerade angekommene Hofrätin in ihrem Gasthofzimmer allein lässt und nicht mehr auf sie einredet, muss er auf der Schwelle kehrt machen, um eine letzt Frage anzubringen. Es ist die naive Frage nach der biographischen Authentizität von Werthers Abschiedsworten.

Der Schnitzer „buchenswert“ einnert an die ungebildete Frau Stöhr in Der Zauberberg.

[Bearbeiten] Hofrätin Charlotte Kestner, geb. Buff

Lotte trägt, und schon seit vierundvierzig Jahren, ein »ein quälendes Rätsel« mit sich herum, eine »unbeglichene, quälende Rechnung«. Lotte nennt das Rätsel, die unbeglichene Rechnung beim Namen: »Dichter - Genügsamkeit«. [...] »Genügsamkeit mit Schattenbildern«, »Genügsamkeit der Poesie«, schließlich gar »Genügsamkeit des Kusses, aus dem, wie er [Goethe] sagt, keine Kinder werden«.

Ein hinzukommender »Dritter« sei der Jüngling Goethe gewesen, der sich als »der liebe Teilnehmer« gleichermaßen an sie und ihren braven Verlobten gehangen habe. »Er kam von außen und ließ sich nieder auf diesen wohlbereiteten Lebensumständen«,[...] »war verliebt in unsere Verlobtheit«.

Gekränkt, dabei verstärkt mit dem Kopf zitternd, einem Altersleiden, beklagt sich die 63jährige: »In ein gemachtes Nest« habe er »das Kuckucksei seines Gefühls gelegt«. Sie finde kein anderes Wort dafür als - »Schmarutzertum«. Um »die Liebe zu einer Braut« sei es dem Dichterjüngling gegangen, der Braut eines Anderen. Vierundvierzig Jahre ist ihr diese »Genügsamkeit« ein Rätsel geblieben.

[Bearbeiten] Doktor Riemer

Der Philologe Doktor Riemer war Hauslehrer von Goethes Sohn August. Danach hat ihn Goethe weiter an sich zu binden gewusst, um auf des Doktors lexikalische Gelehrsamkeit jederzeit zurückgreifen zu können. Eigenständigkeit und energische Tatkraft scheinen Doktor Riemer abzugehen. Er ist ein Freund des verlängerten morgendlichen Schlummers und hat erst kürzliche eine Berufung an die Universität Rostock ausgeschlagen.

Goethe ist er in »lebenslanger Hörigkeit« verfallen. »Ein etwas verdrießlicher, gleichsam maulender Zug lag um seinen Mund«. Sein Verhältnis zu Goethe projiziert er, wohl nicht zu Unrecht, auf die Besucherin. Er hält Charlotte Kestner und sich für »Complizen in der Qual«.

Mit drängendem Mitteilungsbedürfnis spricht er bewundernd über Goethe, - doch dann beginnt er, sich mehr und mehr über die Kälte zu beklagen, die von dem Großen ausgehe.

In gut gesetzten Worten und gehobener Diktion berichtet Doktor Riemer über den nihilistischen Gleichmut Goethes, der so merkwürdig mit dessen persönlicher Anziehungskraft kontrastiere. Sich mehr und mehr in Verwirrung redend, vergleicht schließlich der Goethe-Verfallene – eine Bemerkung von ihm zitierend – das Gedicht mit einem Kuss vergleicht, den man der Welt gibt.

»Der Mann schien völlig erschöpft. Man redet nicht dermaßen lange in einem Zuge und in so angespannter Wohlgesetztheit. […] Er war bleich, Schweißtropfen standen auf seiner Stirn, seine Rindsaugen blickten glotzend, und sein offener Mund, dessen sonst bloß maulender Zug dem Ausdruck einer tragischen Maske ähnlicher geworden war, atmete schwer, rasch und hörbar.«

[Bearbeiten] Das Goethe-Porträt

Der junge Goethe, denkt Lotte zurück, das war «der tolle Junge», der ihr einen Kuss geraubt hatte. Was für ein merkwürdiger Mensch war er gewesen, «barock wohl zuweilen von Wesen, in manchen Stücken gar nicht angenehm, aber so voller Genie und eigentümlich ergreifender Besonderheit.» Er hatte Lotte den Hof gemacht damals. Entschieden hatte sie sich aber für ihren braven Hans Christian, der ältere Rechte hatte als der hinzugekommene Dritte. «Nicht nur, weil Liebe und Treue stärker gewesen waren als die Versuchung, sondern auch kraft eines tiefgefühlten Schreckens vor dem Geheimnis im Wessen des anderen», diesem «Unmensch ohne Zweck und Ruh´. Wie sonderbar nur, daß ein Unmensch so lieb und bieder, ein so kreuzbraver Junge sein konnte […]».

Doktor Riemer nennt Goethes Duldsamkeit eine Lässlichkeit, die der Gleichgültigkeit, der Geringschätzschätzung entspringe. Und doch sei auch Menschenliebe dabei, sodass Liebe und Verachtung in dieser Duldsamkeit eine Verbindung eingehen würden, die an das Göttliche erinnere. In mythologischen Kategorien denkend, spricht der Philologe Goethe das «Sigillum der Gottheit» zu.

Thomas Mann lässt Doktor Riemer die Vergottung des Dichtergenies immer weiter treiben. Der Leser kann sich den suggestiven Worten kaum entziehen. «Neuschaffen Wort hat lächelnd verwunschenen Sinn» in Goethes Dichtung, «ins Heiter-Geisterhafte wallt es hinüber». An Goethe zeige sich, dass Poesie «die Menschwerdung des Göttlichen» sei. Und doch gehe von dessen Wesen eine eigentümliche Kälte, ein vernichtender Gleichmut aus. Diese «umfassende Ironie», wie Doktor Riemer diese Haltung nennt, bedeute «jene erschreckende Annäherung ans Göttlich-Teuflische, welche wir >Größe< nennen.»

Die wortgewandte, scharf blickende Adele Schopenhauer, die Charlotte über den Klatsch in der kleinen Residenzstadt informiert, berichtet unter anderem über Goethes Einstellung zu Napoleon. In Erfurt hatte Napoleon Goethe empfangen. «Es war seit Erfurt zwischen ihm und dem Cäsar ein Verhältnis von Person zu Person. Dieser hatte ihn sozusagen auf gleichem Fuße behandelt, und der Meister mochte die Sicherheit gewonnen haben, daß er für sein Geistesreich, sein Deutschtum nichts von ihm zu befürchten hatte, daß Napoléons Genius der Feind des seinen nicht war.» Goethe erhoffte sich von Napoleon, dass «ein geeintes Europa unter seinem Scepter des Friedens genießen» könne.

Im neunten und letzten Kapitel fasst Lotte, einem ihrer Söhne schreibend, zusammen:«Nur so viel, ich habe eine neue Bekanntschaft von einem alten Manne gemacht, welcher, wenn ich nicht wüsste, dass es Goethe wäre, und auch dennoch, keinen angenehmen Eindruck auf mich gemacht hat» in «seiner steifen Art». Thomas Mann zitiert damit aus einem historischen Brief (Selbstkommentar am 18.6.1951 an Charlotte Kestner, eine Nachfahrin der Titelheldin).

[Bearbeiten] Autobiographische Bezüge

Thomas Manns Goetheporträt ist in vielen Zügen auch Selbstanalyse. Mit ihm hat er sich wesenverwandt gefühlt und von einer «unio mystica» gesprochen, [1] von «mythischer Nachfolge» und «Spurengängerei». Gegen Ende des achten Kapitels erwähnt Thomas Mann beiläufig eine physiognomische Eigenart Goethes, «seine nahe beisammenliegenden Augen». Goethes Augen standen weit auseinander, die Thomas Manns eng zusammen.

Dotor Riemer berichtet Charlotte Kestner, man vernehme von Goethe oft Äußerungen, «die den Widerspruch zu sich selber schon in sich enthalten, - ob um der Wahrheit willen [2] oder aus einer Art von Treulosigkeit und - Eulenspiegelei.» Thomas Mann: «Nun, was vom Gaukler in mir ist - und im Künstlermenschen überhaupt -, habe ich früh denunziert, bin humoristisch darüber zu Gericht gesessen [...].»[3]

Der ´Nürnberger Goethe-Skandal´ [siehe unten] - Thomas Mann hat seine Gedanken zum Nationalsozialismus durch Goethe aussprechen lassen - gehört ebenfalls zu den unterschwelligen autobiographischen Bezügen.

[Bearbeiten] Historischer Hintergrund

Charlotte Kestners Aufenthalt in Weimar, 44 Jahre nach dem Erscheinen des Werther, ist historisch verbürgt. «Goethe erwähnt in seinem Tagebuch am 25.September jenes Jahres sehr kurz und trocken: "Mittags Ridels und Madame Kestner von Hannover". Zu dem Mittagessen waren tatsächlich nur die Verwandten Charlottes, bei denen sie am 22.September eingetroffen war, geladen. Sie wohnte bei diesen und nicht, wie ich es darstellte, im Gasthaus zum Elephanten. Auch fand das Mittagessen nur in diesem engsten Keise statt und war kein Diner von sechszehn Personen, wie ich es geschildert habe. Begleitet war Charlotte Kestner nicht von ihrer älteren Tochter Charlotte, sondern von einer jüngeren namens Clara. [...] Das Billet, das Charlotte aus dem Elephanten nach ihrer Ankunft an Goethe richtet, ist von mir frei erfunden.» [4]

Im Besitz der Universitätsbibliothek Leipzig befindet sich eine Nachricht von Goethes Hand an Charlotte Kestner: «Mögen [im Roman steht dafür ´Wenn´] Sie sich, verehrte Freundin, heute abend meiner Loge bedienen, so holt mein Wagen Sie ab. Es bedarf keiner Billette. Mein Bedienter zeigt den Weg durchs Parterre. Verzeihen Sie, wenn ich mich nicht selbst einfinde, auch mich bisher nicht habe selbst sehen lassen, ob ich gleich oft in Gedanken bei Ihnen gewesen. Herzlich das Beste wünschend - Goethe.»

[Bearbeiten] Rezeption

In Deutschland - wo der Roman wie alle Werke Manns verboten war - kursierten während der Kriegsjahre deutschsprachige Exemplare des Lotte-Romans, die in Schweden gedruckt worden waren. Schlagartig berühmt wurde das Buch in der deutschen Öffentlichkeit schließlich unmittelbar nach dem Krieg 1946 im Zuge des „Nürnberger Goethe-Skandals“, als der britische Hauptankläger bei den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher, Hartley Shawcross, ein vermeintlich von Goethe stammendes, deutschenkritisches Zitat in sein Schlussplädoyer einbaute, um so den deutschen Nationaldichter gewissermaßen zum Mitankläger gegen den Nationalsozialismus zu machen: wie sich herausstellte, stammte das betreffende Zitat jedoch nicht, wie Shawcross geglaubt hatte, von Goethe selbst, sondern aus Manns Roman, in dem dieser es dem Dichter in den Mund gelegt hatte.

[Bearbeiten] Nürnberger Goethe-Skandal

Der Nürnberger Goethe-Skandal war ein Vorfall im Umfeld des Nürnberger Prozesses gegen die nationalsozialistischen Hauptkriegsverbrecher von 1945/ 46.

Sir Hartley Shawcross, Hauptankläger des britischen Königreiches, wies am Ende seines Schlussplädoyers am 26. Juli 1946 darauf hin, dass Johann Wolfgang von Goethevor vielen Jahren...vom deutschen Volk“ gesagt habe:

Das Schicksal wird sie schlagen, weil sie sich selbst verrieten und nicht sein wollten, was sie sind. Dass sie den Reiz der Wahrheit nicht kennen, ist zu beklagen, dass ihnen Dunst und Rauch und berserkerisches Unmaß so teuer ist, ist widerwärtig. Dass sie sich jedem verrückten Schurken gläubig hingeben, der ihr Niedrigstes aufruft, sie in ihren Lastern bestärkt und sie lehrt, Nationalität als Isolierung und Roheit zu begreifen, ist miserabel.“

Der Jurist nannte die Fundstelle des Zitates nicht. Eine Woche später wurde bekannt, dass das vermeintliche Goethe-Zitat dem Roman „Lotte in Weimar“, von Thomas Mann entnommen war. Die Londoner Tageszeitung Times wies Shawcross in ihrer Literaturbeilage auf seinen Irrtum hin. Literaturkenner entdecken darüber hinaus noch einen Fehler in der Übersetzung: Im Originaltext lautete das Attribut zu Schurke »verzückt« und nicht, wie in der Übersetzung auf die sich Shawcross berief: »verrückt«.

Thomas Mann 1937. Foto von Carl van Vechten
Thomas Mann 1937. Foto von Carl van Vechten

Bei der Regierung in London unter Clement Attlee löste diese literarische Affäre am Rande des großen Prozesses gegen die Naziführer eine gewisse peinlich berührte Verlegenheit aus. Der britische Botschafter in Washington, Baron Inverchapel, sandte Thomas Mann einen Brief in dessen kalifornisches Exil, in dem er diesen im Auftrag des Foreign Office darum bat, die heikle Angelegenheit aufzuklären. Mann antwortete, dass Hartley »guten Glaubens, verführt durch das aktuell Schlagende der Äußerungen« (wie er später äußerte), tatsächlich einem Irrtum aufgesessen und die Times im Recht sei. Darüberhinaus verbürgte er sich aber dafür, dass, wenn Goethe nicht wirklich gesagt habe, was Shawcross ihm in den Mund gelegt habe, er es doch sehr wohl hätte sagen können, und Sir Hartley somit in einem höheren Sinn doch richtig zitiert habe. [5]Unsicher ist bis heute, ob Erika Mann, die Tochter Thomas Manns, die als Pressebeobachterin dem Prozess beiwohnte, eine Rolle bei der Aufklärung von Shawcross' Irrtum spielte.

In der deutschen Öffentlichkeit wurde die „Anklage Goethes gegen die Deutschen“ mit geteiltem Echo aufgenommen: einige betrachteten das Zitat ungeachtet der Dekontextualisierung als zutreffende Beschreibung der Mentalität während der Nazijahre und letztlich gerechtfertigte Kritik, andere sahen Shawcross Missgeschick hingegen als einen Beleg dafür, dass der Nürnberger Prozess „Siegerjustiz“ und eine „inszenatorische Darbietung“ mit vorher feststehendem Ausgang zuungunsten der Angeklagten sei.

[Bearbeiten] Verfilmung

In Egon Günthers filmischer Adaptation des Mannschen Goethe-Romans bleibt der Dichter über lange Zeit ein Phantom. Oberhofrätin Charlotte Kestner, geb. Buff, wird verkörpert von Lilli Palmer, die der hervorragenden Besetzung mit Rolf Ludwig [als Kellner Mager], Jutta Hoffmann [Adele Schopenhauer], Katharina Thalbach und Martin Hellberg ein besonderes Glanzlicht verleiht. Die nicht mehr ganz junge, international gefeierte Mimin spielt sich selbst.


[Bearbeiten] Drucke

  • Erstdruck: Thomas Mann: Lotte in Weimar. Roman. Stockholm: Bermann-Fischer 1939, 450 S.; Leinen mit illustriertem Umschlag, gestaltet von Yngve Berg [Abb. Pfäfflin, S.147]
  • Thomas Mann:Lotte in Weimar. Roman. Verbilligter Sonderdruck für deutsche Kriegsgefangene. Manufactured in USA mit Genehmigung Bermann-Fischer Verlag Stockholm 1945, 450 S.
  • Thomas Mann: Lotte in Weimar. Text und Kommentar. Große Kommentierte Frankfurter Ausgabe in zwei Bänden.Herausgegeben von Werner Frizen.S. Fischer Verlag, Frankfurt 2003, 1140 Seiten, ISBN 3100483367


Der Wikipedia-Artikel ´Lotte in Weimar´ ist in die Bibliographie ´Thomas-Mann-Leser und -Forscher´ der FU Berlin aufgenommen.

[Bearbeiten] Quellen / Anmerkungen

[1] Thomas Mann am 15.12.1938 an Ferdinand Lion

[2] angesichts der Antinomien des Lebens

[3] am 29.12.1953 an Hans Mayer

[4] am 18.6.1951 an Charlotte Kestner, Ur-ur-Enkelin von Charlotte Kestner, geb. Buff

[5] am 4.10.1946 an Viktor Mann

[Bearbeiten] Weblinks

http://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=7874&ausgabe=200503

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