Mittelgriechische Sprache
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Unter Mittelgriechisch versteht man gemeinhin die Sprachstufe des Griechischen zwischen dem Beginn des Mittelalters um 600 und der Eroberung der Stadt Konstantinopel durch die Osmanen im Jahre 1453, da mit diesem Datum meist das Ende des Mittelalters für Südosteuropa definiert wird. Griechisch war ab dem 7. Jahrhundert die Staatssprache des Byzantinischen Reichs und wird daher auch als Byzantinisches Griechisch bezeichnet, im Englischen und Neugriechischen wird der Begriff Mittelalterliches Griechisch verwendet. Der Beginn dieser Sprachstufe wird gelegentlich auf das 4. Jahrhundert, entweder den Zeitpunkt der Verlegung der römischen Hauptstadt nach Byzanz (324-26) oder das Jahr der Reichsteilung und Gründung des Oströmischen Reiches (395) datiert. Das mittelalterliche Griechisch ist Bindeglied zwischen der antiken und der neuzeitlichen Sprachform; denn einerseits ist seine Literatur noch stark vom Altgriechischen geprägt, und andererseits konnten sich in der gesprochenen Sprache gleichzeitig fast alle Eigenheiten des Neugriechischen entwickeln. Mit der Erforschung der mittelgriechischen Sprache und Literatur beschäftigt sich die Byzantinistik.
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[Bearbeiten] Geschichte und Verbreitung
Mit der Verlegung des römischen Kaiserhofs nach Byzanz 324-330 rückte das politische Zentrum des Römischen Reichs in eine griechischsprachige Umgebung. Latein blieb zunächst die Sprache sowohl des Hofes und der Armee als auch amtlicher Dokumente, begann jedoch bald zu schwinden. Ab der Mitte des 6. Jahrhunderts wurden Gesetzesnovellen meist auf Griechisch verfasst und allmählich das Corpus iuris civilis ins Griechische übersetzt. Unter Kaiser Herakleios (610-641), der 629 auch den griechischen Herrschertitel βασιλεύς (Basileus) annahm, wurde Griechisch zur offiziellen Staatssprache Ostroms, das sich aber noch lange nach dem Untergang Westroms als Ῥωμανία (Rhomanía), seine Einwohner als Ῥωμαῖοι (Rhomäer) bezeichnete.
Die Zahl der griechischen Muttersprachler wird um 600 auf ein Drittel der oströmischen Bevölkerung, also auf etwa sechs bis acht Millionen geschätzt, wobei der Kernraum der Sprache in den antiken Siedlungsgebieten der Griechen, vornehmlich der südlichen Balkanhalbinsel und im westlichen Teil Kleinasiens lag. Der Süden und Osten des Reiches wurde 609-619 durch die persischen Sassaniden besetzt und nach seiner Rückeroberung durch Herakleios einige Jahre später im Zuge der Islamischen Expansion durch die Araber erobert. Alexandria, ein Zentrum hellenistischer Kultur und Sprache, fiel 642 an die Araber. 693 wurde in den eroberten Gebieten Griechisch als Amtssprache durch das Arabische ersetzt. Dadurch wurde das Griechische schon im Mittelalter in diesen Gebieten sehr stark zurückgedrängt. In das spärlich besiedelte Binnenland Anatoliens drangen ab dem 11. Jahrhundert mit den Seldschuken Turkvölker ein, die danach westlich gegen den griechischen Sprachraum vordrangen. Mit der Eroberung Konstantinopels (1453), Athens (1456), der Peloponnes (1459/60) und des Kaiserreichs Trapezunt (1461) durch die Osmanen endete der Status des Griechischen als Staatssprache bis zur Entstehung des modernen Griechenlands im Jahr 1832. Sprachformen nach 1453 bezeichnet man als Neugriechisch.
[Bearbeiten] Sprachformen
Die Quellenlage des Mittelgriechischen ist wesentlich schwieriger als die des Altgriechischen, besonders das volkssprachliche Mittelgriechisch ist in längeren Texten erst ab dem 12. Jahrhundert belegt. Die Volkssprache war unter byzantinischen Gelehrten derart verpönt, dass volkssprachliche Texte sogar vernichtet wurden. Die erhaltene Literatur konzentriert sich weitgehend auf die Geschichtsschreibung und die Aufzeichnung von Heiligenlegenden.
[Bearbeiten] Sprachdualismus
Bereits zu hellenistischer Zeit begann die Diglossie der Attischen Literatursprache und der sich stetig entwickelnden gesprochenen Volkssprache. Auch die vom Attischen geprägte mittelalterliche Koinē („Gemeinsprache“), die über Jahrhunderte die Literatursprache des Mittelgriechischen blieb, konservierte eine nicht mehr gesprochene Stufe des Griechischen.
Konzessionen an das gesprochene Griechisch fanden sich verschiedentlich in der Literatur: Johannes Malalas' Chronographie aus dem 6. Jh., die Chronik des Theophanes (9. Jh.) und die Werke Konstantin Porphyrogennetos' (Mitte 10. Jh.) lehnen sich in Wortwahl und Grammatik der Volkssprache an, verwenden jedoch nicht die Alltagssprache ihrer Zeit, sondern folgen in Morphologie und Syntax weitgehend der überlieferten altgriechischen Koinē.
Beispiele für rein volkssprachliche Texte sind äußerst spärlich überliefert. Erst aus dem 12. Jahrhundert liegt mit dem Helden-Epos Digenis Akritas eines anonymen Dichters ein gänzlich in der Volkssprache abgefasstes literarisches Werk vor. Psellos' Chronographie (Mitte 11. Jh.) und die ungefähr ein Jahrhundert später entstandene Alexiade, die Biographie des Kaisers Alexios I. durch seine Tochter Anna Komnena, markieren den letzten Höhepunkt der attizistischen Geschichtsschreibung.
Dieser Sprachdualismus sollte sich bis weit ins 20. Jahrhundert halten, ehe die griechische Sprachfrage 1976 zugunsten der Volkssprache entschieden wurde.
[Bearbeiten] Dialekte
Bemerkenswert ist, dass sich trotz ihrer weiten Verbreitung im östlichen Mittelmeerraum die griechische Volkssprache nicht wie das Vulgärlatein durch Substratwirkung in zahlreiche neue Sprachen aufspaltete, sondern ein verhältnismäßig einheitlicher Sprachraum blieb. Eine Ausnahme bildet das Griechische an der Südküste des Schwarzen Meeres, die Pontische Sprache, die viele Entwicklungen der mittelgriechischen Volkssprache nicht mitvollzogen hat. Dialekte auf der Basis der Koinē bildeten sich etwa nach der Jahrtausendwende heraus. Dialektformen älterer Herkunft haben sich in den süditalienischen Exklaven des Griko und im Tsakonischen auf der Peloponnes bis heute erhalten. Einige der jüngeren Dialekte wie das Kappadokische gingen mit der Umsiedlung der Sprecher in das heutige Griechenland nach 1923 unter, das zypriotische Griechisch besteht als nicht literarische Sprachform bis heute.
[Bearbeiten] Schrift
Das Mittelgriechische verwendete die 24 Buchstaben des griechischen Alphabets, die bis zum Ende der Antike vorwiegend als Lapidar- und Majuskelschrift und ohne Wortzwischenräume und Diakritika verwendet wurden.
[Bearbeiten] Unziale und Kursive
Im dritten Jahrhundert entwickelte sich für das Schreiben auf Papyrus mit einer Rohrfeder unter Einfluss der lateinischen Schirft die griechische Unziale, die im Mittelalter die Hauptschrift für das Griechische wurde. Ein verbreitetes Charakteristikum für die mittelalterliche Majuskelschrift wie die Unziale ist eine Fülle von Abkürzungen (z. B. ΧϹ für „Christos“) und Ligaturen. Für das schnelle Ritzen in Wachstafeln mit einem Griffel entwickelte sich die erste griechische „Schreibschrift“, eine Kursive, die bereits erste Unter- und Oberlängen sowie Buchstabenverbindungen zeigte. [1] Einige Buchstabenformen der Unziale (ϵ für Ε, Ϲ für Σ, Ѡ für Ω) wurden, besonders im sakralen Bereich, auch als Majuskeln gebraucht, das Sigma in dieser Form wurde als С in die kyrillische Schrift übernommen. Die griechische Unziale verwendete erstmals den Hochpunkt als Satztrenner, wurde aber noch ohne Wortzwischenräume geschrieben.
[Bearbeiten] Minuskelschrift
Ab dem 9. Jahrhundert erscheint mit der Einführung des Papiers immer häufiger die wahrscheinlich in Syrien aus der Kursiven entstandene griechische Minuskelschrift, die erstmals regelmäßig die schon im 3. vorchristlichen Jahrhundert entwickelten Akzente und die Spiritus verwendet. Diese sehr flüssige Schrift mit Über- und Unterlängen und vielen möglichen Buchstabenverbindungen verwendete als erste den Wortzwischenraum. Als letzte Formen wurden im 12. Jahrhundert das Iota subscriptum und das End-Sigma (ς) entwickelt. Nach der islamischen Eroberung Griechenlands verschwand die griechische Schrift im Bereich des östlichen Mittelmeers und beschränkte sich auf die Verwendung durch die Gräzistik in West- und Mitteleuropa. Die im 17. Jahrhundert von einem Buchdrucker aus der Antwerpener Drucker-Dynastie Wetstein entwickelte Type für Majuskeln und Minuskeln des Griechischen wurde schließlich für die moderne griechische Druckschrift verbindlich. [2]
[Bearbeiten] Textprobe
[Bearbeiten] Attizistische Koinē
Ὁ βασιλεὺς Ἀλέξιος καὶ ἐμὸς πατὴρ καὶ πρὸ τοῦ τῶν σκήπτρων ἐπειλῆφθαι τῆς βασιλείας μέγα ὄφελος τῇ βάσιλείᾳ Ῥωμαίων γεγένεται. Ἤρξατο μὲν γὰρ στρατεύειν ἐπὶ Ῥωμανοῦ τοῦ Διαγένους.
ɔ vasi'lɛfs a'lɛksjɔs kɛ ɛ'mɔs pa'tir kɛ prɔ tu tɔn 'skiptron ɛpi'lifθɛ tis vasi'lias 'mɛɣa 'ɔfɛlɔs ti vasi'lia rɔ'mɛɔn jɛ'jɛnɛtɛ. 'irksatɔ mɛn ɣar stra'tɛvin ɛp'i rɔma'nu tu ðia'jɛnus
Der Kaiser Alexios, der mein Vater war, war schon vor seiner Erlangung des Kaiserzepters dem römischen Imperium von großem Nutzen. Er begann nämlich schon unter der Kaiserschaft des Romanos Diagenes als Heerführer.
- Anna Komnena: Alexiade, Beginn des ersten Buches (~1148) [3]
[Bearbeiten] Volkssprache
Καὶ ὁ ἀμιρὰς ὡς τὸ ἤκουσεν, μακρέα τὸν ἀποξέβην,
ἔριψεν τὸ κοντάριν του καὶ δάκτυλον τοῦ δείχνει
καὶ μετὰ τοῦ δακτύλου του τοιοῦτον λόγον λέγει:
«Νὰ ζῆς, καλὲ νεώτερε, ἐδικόν σου ἔναι τὸ νίκος.»
kɛ ɔ ami'ras ɔs tɔ 'ikusɛn, ma'krɛa tɔn apɔ'ksɛvin
'ɛripsɛn tɔ kɔn'tarin tu kɛ 'ðaktilɔn tu 'ðixni
kɛ mɛ'ta tu ðak'tilu tu ti'utɔn 'lɔɣɔn 'lɛji
na zis, ka'lɛ nɛ'ɔtɛrɛ, ɛði'kɔn su 'ɛnɛ tɔ 'nikɔs
Und als der Emir es hörte, zog er sich etwas zurück,
warf seinen Speer fort und zeigte ihm seinen Finger
und mit diesem Fingerzeig sprach er dieses Wort:
„Du sollst leben, guter Jüngling, der Sieg ist dein.“
- aus dem Digenis Akritas, Madrider Manuskript, 12. Jahrhundert [4]
[Bearbeiten] Phonetik und Phonologie
Man geht davon aus, dass die meisten Entwicklungen zur neugriechischen Phonologie im Mittelgriechischen schon vollzogen waren oder sich während dieser Sprachstufe vollzogen. Dazu gehören vor allem der bereits etablierte dynamische Akzent, der schon zu hellenistischer Zeit das altgriechische Tonsystem ersetzt hatte, das allmählich auf fünf Phoneme reduzierte Vokalsystem ohne Unterscheidung der Vokallänge und die Monophthongisierung der altgriechischen Diphthonge.
[Bearbeiten] Vokale
Die Suda, ein Lexikon vom Ende des 10. Jahrhunderts gibt mit ihrer antistoicheischen Ordnung, die die Begriffe alphabetisch listet, aber gleich ausgesprochene Buchstaben nebeneinander einordnet, Aufschluss über den Lautstand der Vokale. So werden jeweils αι und ε, ει, η und ι, ο und ω sowie οι und υ zusammen eingeordnet, waren also homophon.
Vorne | Hinten | ||
---|---|---|---|
Ungerundet | Gerundet | Gerundet | |
Geschlossen | [i] ι, ει, η | [y] υ, οι, υι | [u] ου |
Halboffen | [ɛ] ε, αι | [ɔ] ο, ω | |
Offen | [a] α |
Bis etwa ins 10./11. Jahrhundert wurden υ, οι und υι [y] ausgesprochen und wurden danach zu [i]. In den Diphtongen αυ, ευ und ηυ entwickelte die zweite Komponente bereits früh von [u] vermutlich über [β] und [ɸ] zu [v] beziehungsweise [f]. Vor [n] wurde das υ zu [m] (éunostos/εὔνοστος > émnostos/ἔμνοστος, cháunos/χαύνος > chamnos/χάμνος, eláuno/ἐλαύνω > lámno/λάμνω) oder fiel fort (tháuma/θαῦμα > tháma/θάμα), vor [s] wurde es gelegentlich zu [p] (anápausi/ἀνάπαυση > anápapsi/ἀνάπαψη).
Die Aphäresis („Weglassung“ von Anlautvokalen) hat zu einigen neuen Wortbildungen geführt: i iméra (ἡ ἡμέρα) > i méra (ἡ μέρα) - „der Tag“, erotó (ἐρωτῶ) > rotó (ρωτῶ - „fragen“.
Ein regelmäßiges Phänomen ist das der Synizesis („Zusammenfassung“ von Vokalen). Bei vielen Wörtern mit den Kombinationen /éa/, /éo/, /ía/, /ío/ verschob sich die Betonung auf den zweiten Vokal, und der erste wurde ein habvokalisches [j]: Roméos (Ῥωμαῖος) > Romiós (Ῥωμιός) - „Römer“, ennéa (ἐννέα) > enniá (ἐννιά) - „neun“, píos (ποῖος > piós (ποιός) - „was für ein“, „welch“, ta pedía (τα παιδία) > ta pediá (τα παιδιά) - „die Kinder“. Auch schwand vielfach der Vokal ο aus den Endungen -ion/-ιον und -ios/-ιος (sakkíon/σακκίον > sakkín/σακκίν, chartíon/χαρτίον > chartín/χαρτίν, kýrios/κύριος > kýris/κύρις).
[Bearbeiten] Konsonanten
Bilabial | Labiodental | Dental | Alveolar | Palatal | Velar | ||||||
sth. | stl. | sth. | stl. | sth. | stl. | sth. | stl. | stl. | sth. | stl. | |
Plosive | [p] π | [t] τ | ([k]) (κ) | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Nasale | [m] μ | [n] ν | [ŋ]¹ (γ) | ||||||||
Vibranten | [r] ρ | ||||||||||
Frikative | [β]² υ | [ɸ]² υ | [v] β/υ | [f] φ/υ | [ð] δ | [θ] θ | [z] ζ, σ | [s] σ | [ç]³ χ | ([γ]) (γ)⁴ | [x]³ χ |
Approximanten | [l] λ | [j] γ⁴/ι |
¹ [ŋ] ist eine Variante des Phonems /n/.
² [β] und [ɸ] sind Vorstufen zu [v] und [f].
³ [ç] und [x] sind Allophone eines Phonems.
⁴ [j] und [γ] sind Allophone eines Phonems.
Schon in der Spätantike war der Wechsel im Konsonantensystem von den stimmhaften Plosiva und den behauchten stimmlosen Plosiva zu Frikativen abgeschlossen. Die velaren Laute [kʰ] und [g] spalteten sich dabei in zwei Varianten auf, eine palatale vor vorderen und eine velare vor [a] und hinteren Vokalen. Der Hauchlaut [h], der im Attischen nicht geschrieben wurde und in den meisten übrigen Dialekten schon in der Antike geschwunden war („Hauchpsilose“), war im 9. Jahrhundert, da der Spiritus asper zu seiner Kennzeichnung verbindlich wurde, längst vollständig erloschen.
Änderungen im phonologischen System betreffen vor allem Konsonantenverbindungen, die Sandhi-Erscheinungen zeigen: Bei der Kombination zweier Plosive oder Frikative besteht die Tendenz zu einer Kombination aus beidem: [k] und [p] werden vor [t] zu [x] und [f] (nýkta/νύκτα > nýchta/νύχτα, eptá/ἑπτά > eftá/ἑφτά), [θ] wird vor [f] und [x] sowie nach [s] zu [t] (fthónos/φθόνος > ftónos/φτόνος, parefthýs/παρευθύς > pareftýs/παρευτύς , chthes/χθές > chtes/χτές). Die Nasale [m] und [n] schwinden gelegentlich vor stimmlosen Frikativen: (nýmfi/νύμφη > nýfi/νύφη, ánthos/ἄνθος > áthos/ἄθος).
Über eine ähnliche Erscheinung, die Vokalisation der stimmlosen Plosive nach Nasalen, bildete später das Griechische später wieder die stimmhaften Plosive [b], [d] und [g] aus. Wann genau sich diese Entwicklung vollzog, ist nicht belegt, sie scheint in byzantinischer Zeit jedenfalls begonnen zu haben. Bereits in byzantinischen Quellen finden sich in Transkriptionen aus Nachbarsprachen die Grapheme μπ, ντ und γκ für b, d, und g, wie z. B. in ντερβίσης (dervísis für türk. derviş, „Derwisch“).
[Bearbeiten] Grammatik
Das Griechische vollzog bis etwa 1100 den entscheidenden Wechsel von der alt- zur neugriechischen Grammatik und hat sich seit dieser Zeit nur noch unwesentlich verändert. Auffällig ist der Wegfall zahlreicher aus dem Indogermanischen ererbter grammatikalischer Kategorien besonders im Verbsystem sowie die Neigung zu vermehrt analytischen Bildungen und periphrastischen Verbformen, in der Syntax zu parataktischem Satzbau gegenüber den oft komplizierten und verschachtelten Konstruktionen des Altgriechischen.
Die Entwicklungen der Morphologie im Mittelgriechischen begannen in spätantiker Zeit und sind geprägt von einer Tendenz zur Systematisierung und Vereinheitlichung der Morpheme von Deklination, Konjugation und Komparation.
So wurde bei den Substantiven die dritte, ungleichsilbige Deklination des Altgriechischen durch Bildung einer neuen Nominativform aus den obliquen Kasusformen der regelmäßigen 1. und 2. Deklination angepasst: ho patér (ὁ πατήρ), ton patéra (τὸν πατέρα) > o patéras (ὁ πατέρας), Akk. ton patéran (τὸν πατέραν). Weibliche Nomina mit den Endungen -ís/-ás bildeten den Nominativ entsprechend dem Akkusativ -ída/-áda, so elpís (ἐλπίς) > elpída (ἐλπίδα, „Hoffnung“) und Ellás (Ἑλλάς) > Elláda (Ἑλλάδα, „Griechenland“).
Die altgriechische, teils unregelmäßige Komparativ-Bildung der Adjektive mit den Endungen -ion und -ōn (-ιον, -ων) wich allmählich der Bildung mit dem Infix -ter- und regelmäßigen Adjektivendungen: meízōn (μείζων) > mizóteros (μειζότερος, „der größere“).
Aus der enklitischen Genitiv-Form des Personalpronomens der ersten und zweiten bzw. des Demonstrativpronomens der dritten Person und analogen Bildungen entstanden die unbetonten, ans Nomen angehängten Possessivpronomina mou (μου) sou (σου), tou (του) / tis (της), mas (μας), sas (σας), ton (των).
Neben den Partikeln na und thená (s. u.) entstand aus dem altgriechischen oudén (οὐδέν, „nichts“) die Negationspartikel den (δέν, „nicht“).
Auch in der Konjugation der Verben wurden durch analogistische Bildungen Ausnahmen und seltene Formen durch regelmäßige ersetzt. So schwand die Konjugation der Verben auf -mi (-μι) zugunsten regelmäßiger Formen auf -o: chōnnymi (χώννυμι) > chóno (χώνω, „stoßen“). Auch die kontrahierten Verben auf -aō, -eō etc. mit teils komplizierten Veschmelzungen der Konjugationsendungen nehmen analog zu den regelmäßigen Formen deren Endungen an: agapâ (ἀγαπᾷ) > agapái (ἀγαπάει, „er liebt“).
Der Gebrauch des Augments beschränkte sich allmählich auf regelmäßige, betonte Formen, die Reduplikation des Stammes wurde allmählich nicht mehr produktiv (das Perfekt außerdem periphrastisch gebildet) und blieb nur in erstarrten Formen erhalten.
Die Vielfalt der Stamm-Varianten der altgriechischen Verben reduzierte sich auf meist zwei feste Stämme für die Konjugation der verschiedenen Aspekte, gelegentlich auf einen einzigen. So erscheint der Stamm des Verbs lambánein (λαμβάνειν, nehmen) im Altgriechischen in den Varianten lamb, lab, lēps, lēph und lēm und reduziert sich im Mittelgriechischen auf die Formen lamv und lav.
Das Hilfsverb eimí (εἰμί, „sein“) zum Beispiel nahm regelmäßige passivische Endungen an, Beispiele im Indikativ Singular:
Präsens | Imperfekt | |||||||
1. Person | eimi (εἰμί) | > | íme (εἶμαι) | ē (ἦ) | > | ímin (ἤμην) | ||
2. Person | ei (εἶ) | > | íse (εἶσαι) | ēstha (ἦσθα) | > | ísy (ἦσοι) | ||
3. Person | estin (ἐστίν) | > | éni (ἔνι) > éne (ἔναι) > íne (εἶναι) | ēn (ἦν) | > | íto (ἦτο) |
Zu den zahlreichen geschwundenen Formen gehören der Dativ, der im 10. Jahrhundert durch den Genitiv und die präpositionale Konstruktion mit eis (εἰς, „in“, „zu“) + Akkusativ ersetzt wurde, der Dual, ferner fast alle Partizipien und die Imperativformen der 3. Person. Der Optativ wurde durch die Konstruktion durch Nebensätze mit den Konjunktionen óti (ὅτι, „dass“) und ína (ἵνα, „damit“) ersetzt, ἵνα wurde über iná (ἱνά) zu na (να). Aus der Konstruktion thélo na (θέλω να , „Ich will, dass …“) bildete sich über spätbyzantinisch thená (θενά) schließlich die neugriechische Futurpartikel tha (θα), die die alten Futurformen ersetzte. Antike Bildungen wie der Genitivus absolutus, der AcI und fast alle der häufigen Partizipialkonstruktionen wichen dem Gebrauch des neu entwickelten Gerundiums oder Konstruktionen mit Nebensätzen.
Die wohl auffälligste Änderung in der Grammatik gegenüber dem Altgriechischen ist der fast völlige Wegfall des Infinitivs, der durch Nebensätze mit der Partikel na (να) ersetzt wurde. Als Erklärung für diese Erscheinung wurden arabische Einflüsse vermutet, da eine Bildung wie „ich kann dass ich gehe“ bereits im klassischen Hocharabisch üblich war. Das Phänomen findet sich, möglicherweise durch das Griechische vermittelt, darüber hinaus auch in den angrenzenden Sprachen und Dialekten auf dem Balkan, namentlich im Bulgarischen und Rumänischen, die in vieler Hinsicht typologisch dem Mittel- und Neugriechischen ähneln, obwohl sie genealogisch mit ihm nicht näher verwandt sind. Mit der Erforschung dieses Balkansprachbunds befasst sich die Balkanologie.
[Bearbeiten] Wortschatz
Viele griechische Wörter haben in der Umgebung des oströmischen Kaiserreichs und der christlichen Religion einen entscheidenden Bedeutungswandel vollzogen.
So verdrängte der Begriff für den oströmischen Staatsbürger (der sich eher über die Zugehörigkeit zur Orthodoxie als über seine sprachliche oder ethnische Zugehörigkeit definierte) Romiós (Ῥωμιός, „Römer“) den antiken Ausdruck Héllēn (Ἕλλην, „Grieche“), der nur noch für den Anhänger der alten olympischen Religion bzw. als Begriff für den „Heiden“ verwandt wurde. Erst im 15. Jahrhundert besannen sich Gelehrte wieder auf die ethnische und vor allem sprachlich-kulturelle Kontinuität des Griechentums und verwendeten den Begriff hellenisch wieder in diesem Sinne.
Christlich beeinflusste lexikographische Änderungen im Mittelgriechischen finden sich zum Beispiel in den Wörtern ángelos (ἄγγελος, „Bote“ > „Himmelsbote“ > „Engel“) oder agápi (ἀγάπη, „Liebe“ > „Nächstenliebe“, in strengerer Abgrenzung zum érōs (ἔρως), der „körperlichen“ Liebe).
In Wörtern des alltäglichen Gebrauchs wurden einige altgriechische Stämme durch andere ersetzt. Beispiel hierfür sind der Begriff für „Wein“ wo das Wort krasíon (κρασίον, etwa „Gemisch“) das altgriechische ínos (οἶνος) verdrängte. Aus dem Wort ópson ὄψον mit der Bedeutung „Zukost“, „was man zum Brot isst“, entwickelte sich über das von lateinisch -arium entlehnte Suffix -arion (-αριον) zur Bedeutung „Fisch“ (opsárion, ὀψάριον), das durch Aphärese und Synizesis über psarín zum neugriechischen psarí (ψαρί) wurde und das altgriechische ichthys (ἰχθύς) verdrängte, das als Akrostichon für Jesus Christus ein christliches Symbol geworden war.
[Bearbeiten] Lehnwörter aus anderen Sprachen
Das Mittelgriechische hat vor allem zu Beginn des Byzantinischen Reiches zahlreiche Lehnwörter aus dem Lateinischen übernommen, hierzu zählen vor allem Titel und andere Begriffe aus dem Leben des Kaiserhofs wie Αὔγουστος (Ávgoustos - „Augustus“), πρίγκιψ (prinkips, lat. princeps, „Prinz“), μάγιστρος (mágistros, „Magister“), κοιαίστωρ (kyéstor, lat. quaestor - „Quästor“), ὀφφικιάλος (offikiálos, lat. officialis - „amtlich“).
Auch Alltagsbegriffe drangen aus dem Lateinischen ins Griechische ein, Beispiele hierfür sind ὁσπίτιον (ospítion lat. hospitium, „Herberge“, daraus neugr. σπίτι spíti „Haus“) σέλλα (sélla, „Sattel“), ταβέρνα (tavérna, „Taverne“), κανδήλιον (kandílion, lat. candela - „Kerze“), φουρνίζω (fournízo, zu lat. furnus „Backofen“ - „backen“) und φλάσκα (fláska, lat. flasco - „Weinflasche“).
Weitere Einflüsse auf das Mittelgriechische ergaben sich durch den Kontakt mit Nachbarsprachen und den Sprachen der venezianischen, fränkischen und arabischen Eroberer. Einige der Lehnwörter aus diesen Sprachen haben sich im Griechischen oder in seinen Dialekten dauerhaft gehalten:
- káltsa (κάλτσα) v. ital calza, „Strumpf“
- dama (ντάμα) v. frz. dame, „Dame“
- gouna (γούνα) v. slaw. guna, „Pelz“
- louloúdi (λουλούδι) v. alban. lule, „Blume“
- pazári (παζάρι) v. türk. pazar (dies aus dem Persischen), „Markt“, „Basar“
- chatzi- (χατζι-) v. arab. haddschi, „Mekkapilger“, als Namenszusatz für einen Christen nach erfolgter Jerusalem-Pilgerreise
[Bearbeiten] Wirkung auf andere Sprachen
Das Mittelgriechische hat als Sprache der orthodoxen Kirche, besonders mit der Slawenmission der Brüder Kyrill und Method, im religiösen Bereich Eingang in slawische Sprachen gefunden, besonders in die Sprachen mit orthodoxer Bevölkerung, also das Bulgarische, Russische, Ukrainische und Serbische. Deshalb entsprechen griechische Lehnwörter und Neologismen in diesen Sprachen oft der byzantinischen Phonologie, während sie in die Sprachen Westeuropas über lateinische Vermittlung in der Lautgestalt des klassischen Griechischen gelangt sind (vgl. Deutsch Automobil und Russisch автомобиль awtomobil).
Einige deutsche Wörter, vor allem aus dem religiösen Bereich, sind über die Vermittlung des Gotischen ebenfalls aus dem Mittelgriechischen entlehnt worden, hierzu zählen Kirche (aus κυριακὸς οἶκος kiriakós íkos („Haus des Herrn“) über eine weibliche Kurzform kíriki und althochdeutsch chiricha) oder Pfingsten (aus πεντηκοστή pentikostí „der fünfzigste [Tag nach Ostern]“).
[Bearbeiten] Literatur
- Christos Karvounis: Griechisch, in: Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt 2002 (PDF; 977 KB)
- Gyula Moravcsik: Einführung in die Byzantinologie, Darmstadt 1976, ISBN 3534056701
- Heinz F. Wendt: Das Fischer Lexikon - Sprachen, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3596245613
- Anthony Cutler, Jean-Michel Spieser: Das mittelalterliche Byzanz. 725-1204, München (Beck) 1996, ISBN 3406412440
- Emmanouil Kriaras: Λεξικό της μεσαιωνικής ελληνικής δημώδους γραμματείας, 12 Bände, Thessaloniki 1968-1993
[Bearbeiten] Weblinks
- Homepage der deutschen Byzantinistik
- patrologia.ct.aegean.gr Zahlreiche Primärquellen aus byzantinischer Zeit als pdf
- zeta
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ [1]
- ↑ Károly Földes-Papp: Vom Felsbild zum Alphabet. Die Geschichte der Schrift von ihren frühesten Vorstufen bis zur modernen lateinischen Schreibschrift, Stuttgart 1987, ISBN 3763012664
- ↑ Anna Komnena: Alexiade Online-Ausgabe als pdf (3 MB)
- ↑ in: David Ricks: Byzantine Heroic Poetry, Bristol 1990, ISBN 1853991244
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