Murad Wilfried Hofmann
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Murad Wilfried Hofmann, eigentlich Wilfried Hofmann (* 6. Juli 1931 in Aschaffenburg) ist ein deutscher Jurist und ehemaliger Diplomat. Der zum Islam konvertierte Hofmann ist Autor von Sachbüchern zum Thema Islam und Bearbeiter einer Koranübersetzung.
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[Bearbeiten] Werdegang und Laufbahn
Wilfried Hofmann stammt aus einer katholischen Familie. Während seiner Pflichtmitgliedschaft in der Hitlerjugend (Jungvolk 1940-1945) war er auch Mitglied der illegalen, von Jesuiten geleiteten katholischen Jugendorganisation Congregatio Mariana (MC). Nach seinem Abitur als Klassenbester in Aschaffenburg begann er 1950 sein Studium als HELP-Stipendiat (Higher Education for Lasting Peace) und Gast der Psi Upsilon Fraternity am Union College in Schenectady, N.Y. mit Schwerpunkt Soziologie, Arbeitsrecht und angloamerikanische Literatur.
Anschließend studierte er Jura in München. Er schloß dieses Studium am 27. Februar 1955 mit dem 1. juristischen Staatsexamen und am 27. Februar 1957 mit dem Doktorexamen zum Thema "Der Schutz der Gerichte vor Beeinflussung und Verunglimpfung durch die Presse nach deutschem und amerikanischem Recht (Contempt of Court by Publications)" bei Prof. Rudolf Pohle ab.
Während seiner Zeit als Rechtsreferendar in München von 1955 bis 1959 arbeitete Hofmann auch als Assistent für Zivilprozessrecht an der Universität München (Prof. Leo Rosenberg; Prof. Pohle) sowie bei deutschen und amerikanischen Anwaltsfirmen (Dres. Winkelmann; Dres. Oehl & Nörr; Milton M. Crook). Das 2. juristische Staatsexamen legte er am 27. April 1959 in München ab.
Von 1960 bis 1961 studierte er amerikanisches Recht an der Harvard Law School in Cambridge, Massachusetts, mit Schwerpunkt Vertragsrecht, Zivilprozessrecht und Rechtsvergleichung. Gleichzeitig war er dort als Forschungsassistent für den Supreme Court tätig zum Thema: "Welche Ursachen führten zu Reformen des Zivilprozeßrechts in den deutschen Staaten von 1750-1830".
Von 1961 bis 1994 arbeitete Hofmann als Diplomat, beginnend am deutschen Generalkonsulat Algier während des Algerienkriegs. Von 1979 bis 1983 leitete er das Referat "NATO und Verteidigung" im Auswärtigen Amt in Bonn. Von 1983 bis 1987 arbeitete er als Informationsdirektor der NATO in Brüssel und von 1987 bis 1990 war er deutscher Botschafter in Algier. Anschließend bekleidete er bis 1994 dieselbe Funktion in Rabat, Marokko.
[Bearbeiten] Islam
1980 konvertierte Hofmann in Bonn zum (sunnitischen) Islam. Er führte seit 1982 siebenmal die kleine Pilgerfahrt (Umra) und zweimal (1992 und 2003) die große Pilgerfahrt (Hadsch) nach Mekka durch. Seit 1994 hält er häufig Vorträge in Westeuropa, den USA und der islamischen Welt. Hofmann ist Vollmitglied der Ahl al-Bayt Foundation for Islamic Thought in Amman (Jordanien), Beirat und Ehrenmitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland[1] und Mitglied des Scharia-Rats der muslimischen Bosna Bank International in Sarajewo.
Murad Hofmann hält das islamische Minderheitenrecht für „das liberalste Statut für Andersgläubige“, „das die Welt bis heute gesehen oder normiert hat“.[1] Er wendet sich gegen die „im Westen vergötterten säkularistische Ideologen“,[2] deren Folgen fatal seien.
[Bearbeiten] Schriften zum Islam
Zu Themen des Islams schrieb Hofmann mehrere Bücher. Die meisten davon liegen auch auf Arabisch und Englisch vor; einige auf Albanisch, Arabisch, Bosnisch, Englisch, Französisch, Malayalam, Türkisch und Ungarisch. Seine Schriften veröffentlicht er unter den Namen Murad Wilfried Hofmann, Murad W. Hofmann und Murad Hofmann. 1998 veröffentlichte er eine Neubearbeitung der Koranübersetzung von Max Henning. Außerdem ist er als Literaturkritiker des in Markfield (Leicestershire) vierteljährlich erscheinenden Muslim World Book Review, des Oxford Journal of Islamic Studies und der pakistanischen Vierteljahreszeitschrift "Islamic Studies" tätig (bisher rund 200 Kritiken). Daneben veröffentlicht er unregelmäßig Aufsätze und Artikel in der "Islamischen Zeitung" (Berlin), dem "American Journal of Islamic Social Studies" (Washington, D.C.), "Encounters" (Markfield, LE,UK) und "Islamic Studies" (Islamabad).
[Bearbeiten] Kritische Würdigung
Hofmanns Beschreibung der moralischen Degeneration der westlichen Gesellschaft kommt nicht ohne Stereotype aus und lässt neben der Kritik an gesellschaftlichen Missständen auch deutlich eine kritische Sicht gesellschaftlicher Grundmaßstäbe erkennen, so etwa in folgender Schilderung der westlichen Jugend: Schauen wir sie nur an, diese Opfer einer scheinbar werteneutralen Industriegesellschaft. Sie haben alles - Autonomie, Lebenssicherung von der Wiege bis zur Bahre, Sex ohne Tabus, Drogen fast nach Belieben, viel freie Zeit und alle je erdachten Menschenrechte. Aber sie erfühlen eine existentielle Lehre (...).[3] Die Erwähnung von allen je erdachten Menschenrechten in einer Reihe mit Sex ohne Tabus und Drogen fast nach Belieben kann wohl nur als "Distanzierung von den in unserer Gesellschaft gültigen Grundwerten" verstanden werden.[4]
Gegenüber dem Christentum bezieht Hofmann sich auf kritische Ergebnisse der Bibelwissenschaften, so etwa auf Gerd Lüdemann, um eine "Krise der christlichen Christologie" zu behaupten und die Glaubwürdigkeit des Koran im Unterschied zur Bibel hervorzuheben. Er geht allerdings nicht darauf ein, in welchem Maße die von ihm herangezogenen Thesen in der Bibelwissenschaft Anerkennung finden, und ob sie das, was er damit belegen will, überhaupt tragen. Umgekehrt stellt er hinsichtlich der Entstehung des Koran gänzlich unkritisch ein traditionell-islamisches Bild als Tatsache dar, ohne kritische Ergebnisse der islamwissenschaftlichen Forschung, wie sie etwa in jüngerer Zeit mit dem Namen Christoph Luxenberg verbunden sind, überhaupt zu erwähnen.[5]
[Bearbeiten] Tanz und Ballettkritik
Als Gymnasiast war er Demonstrationstänzer einer Tanzschule und gab Tanzunterricht in München. In Bern erhielt er Unterricht am Jazz-Schlagzeug. Von 1954-1979 war Hofmann als internationaler Ballettkritiker für die Monatszeitschriften "Das Tanzarchiv" (Hamburg, später Köln), "Ballet Today" (London) und "Dance News" (New York) tätig. In München gründete er mit Karl Viktor Prinz zu Wied die "Freunde des Balletts e. V.". Dem Nachwuchsensemble "Les Ballet Sachnowsky" der Ballettpädagogin Lula von Sachnowsky diente er als Manager.
[Bearbeiten] Veröffentlichungen
(Auswahl)
- 1973 Of Beauty and the Dance: Towards an Aesthetics of Ballet, in: Three Essays in Dance Aesthetic, Dance Perspectives No. 55, New York
- 1981 Wie MBFR begann, in: Im Dienste Deutschland und des Rechtes, Festschrift für Wilhelm G. Grewe, Nomos, Baden-Baden
- 1984 Is NATO's Defence Policy facing a Crisis?, in: Non-Nuclear War in Europe, Groningen University Press, Groningen
- 1981 Ein philosophischer Weg zum Islam
- 1984 Zur Rolle der islamischen Philosophie
- 1985 Tagebuch eines deutschen Muslims
- 1992 Der Islam als Alternative, Diederichs, ISBN 3-424-01114-2
- 1996 Reise nach Mekka, Diederichs, ISBN 3-424-01308-0
- 1998 Überarbeitung der Koranübersetzung von Max Henning, Istanbul und München
- 2000 Der Islam im 3. Jahrtausend, Diederichs-Hugendubel, ISBN 3-7205-2124-9
- 2002 Koran, Diederichs,ISBN-10: 3720523160; ISBN-13: 9783720523165
- 2001 Islam, Diederichs, ISBN-10: 3720521915; ISBN-13: 9783720521918
- 2006 Islam in Deutschland - eine Prise Geschichte (im Internet)
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ a b Wir müssen durch Parteieintritt - in alle wirklich demokratisch gesinnten Parteien - dazu beitragen, dass die Parteiprogramme islamkonformer werden, Murad Hofmann spricht "Tacheles" zum Demokratieverständnis im Islam, Website des Zentralrats der Muslime in Deutschland, 30. August 2004
- ↑ Religion als Privatsache ? - Zur Rolle der Religion im Öffentlichen Raum, M. Hofmanns Aufsatz auf der Website der Islamische Gemeinschaft in Deutschland, 2003
- ↑ M. W. Hofmann, Der Islam als Alternative, München 2. Auflage 1992, S. 23.
- ↑ So Meik Gerhards, Golgatha und Europa oder: Warum das Evangelium zu den bleibenden Grundlagen des Abendlandes gehört, Universitätsdrucke Göttingen, Göttingen 2007, S. 153; vgl. auch die kritische Erwähnung M. Hofmanns durch den bayerischen Verfassungsschutz.
- ↑ Vgl. dazu Meik Gerhards, Golgatha und Europa, S. 90ff.; 144ff.
[Bearbeiten] Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Hofmann, Murad Wilfried |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Jurist und Diplomat |
GEBURTSDATUM | 6. Juli 1931 |
GEBURTSORT | Aschaffenburg |