Oasenkultur
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Als Oasenkultur (auch Oxus-Kultur oder Oxus-Zivilisation, nach dem antiken Namen des zentralasiatischen Amudarja-Flusses) wird eine bronzezeitliche Kultur in der Wüste Karakum im heutigen Turkmenistan und Teilen Afghanistans bezeichnet. Sie existierte vermutlich zwischen 2200 und 1700 v. Chr. in etwa zeitgleich mit der Indus-Kultur, dem Reich Elam in Mesopotamien und dem Mittleren Reich in Ägypten. Das Verschwinden der Oasenkultur ist nicht genau geklärt, wurde aber vermutlich durch klimatische Veränderungen verursacht, die eine Abwanderung zur Folge hatten.
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[Bearbeiten] Überblick
Die Oasenkultur zeigt ein für diese Region und vor allem für diese Zeit (spätes 3. bis frühes 2. Jahrtausend v. Chr.) außergewöhnlich hohes Niveau an Töpferwaren und Metallverarbeitung (Bronze, Silber). Davon zeugen bronzene Schnabelvasen (evtl. Teil eines Soma-Kultes), Silbervasen, Schmuckaccessoires (Schminkbehälter mit Applikator, Elfenbeinkamm, Spiegel), fein bearbeitete und mit geometrischen Motiven minimalistisch verzierte Steinvasen, Goldperlen sowie eine Silbernadel mit einem Schaf am Kopfstück. Die Ausführung des dargestellten Schafes hat die Qualität der griechischen Klassik bzw. der skythischen Metallarbeiten.
Neben massiven Steinarbeiten wurden auch fein ausgearbeitete Skulpturen gefunden, deren Stil in keiner anderen Kultur zu finden ist. Dazu zählen weibliche, aus späterer Zeit auch männliche, flache Ton-Figuren mit Nasen in Schnabelform, welche wahrscheinlich in den Häusern aufgehängt wurden. Außerdem plastische, plump wirkende sitzende Stein-Figuren mit aufgesetzten Steinköpfchen und auffallender Fell-Tracht, die in Gräbern deponiert wurden und als Muttergottheiten gedeutet werden, aber auch vergleichbar zu den ägyptischen Ka-Statuen als Seelenträger fungiert haben könnten. Außer Grubengräbern wurden auch Grabstätten herausragender Persönlichkeiten gefunden, die als Nachbildung eines Wohnhauses angelegt waren.
Die (zum Teil monumentalen) Gebäude sind nach Plan errichtet worden und lassen somit auf mathematisches, geometrisches und astronomisches Wissen schließen. Davon zeugen auch mehrere ausgegrabene Städte, die nach einem rechtwinkeligen Layout geplant wurden und dicke Stadtmauern und ein palastähnliches Gebäude im Zentrum aufweisen. Mehrere Städte wurden in einem Verbund angelegt gefunden - bei der Fundstelle Adji Kui sind es neun im engen Umkreis.
In Adji Kui wurden Amulette gefunden, deren Abbildungen - darunter das häufig auftretende Adler-Schlange-Motiv - als Darstellungen von Szenen des mesopotamischen Etana-Mythos identifiziert wurden (Sylvia Winkelmann, Halle), einem der ältesten Mythen der Menschheit (siehe hierzu: Kisch, mesopotamische Stadt). In Gräbern gefundene Fayence-Armreifen, die in der Indus-Kultur erzeugt wurden, sowie syrische Stempelsiegel mit geflügelter weiblicher Gottheit auf einem Panther legen nahe, dass Fernhandel in diese Regionen gepflegt wurde. Auf eine ausgeprägte Handelskultur deuten auch Stempelsiegel zur Kennzeichnung des Besitzes sowie Zählsteine für die buchhalterische Erfassung von Warenmengen hin.
Die Menschen der Oasenkultur domestizierten Schaf und Ziege. Als Reittiere wurden keine Pferde benutzt, aber Esel und vor allem Kamele, fast 1.000 Jahre bevor diese in Arabien domestiziert wurden. Mit ausgeklügelten Bewässerungsanlagen wurden große Felder versorgt, auf denen Gerste, Weizen und Hülsenfrüchte angebaut wurden. Allgemein wird angenommen, dass die Oasenkultur in der turkmenischen Karakum-Wüste die 5. Wiege der Zivilisation in der Alten Welt ist, neben Mesopotamien, Ägypten, Indien und China. (Anm.: Funde in Mexiko und in Nigeria lassen auf 2 weitere Zivilisationen schließen.)
[Bearbeiten] Entdeckung
Erst in den 1970er Jahren wurde die untergegangene Oasenkultur von dem russischen Archäologen Wiktor Iwanowitsch Sarianidi entdeckt, in einem Gebiet, das von ihm Bactria-Margiana Archaeological Complex genannt wurde (BMAC, nach den antiken Bezeichnungen für die Regionen Baktrien und Margiana). Sarianidi widmete der Erforschung jener Kultur Jahrzehnte seines Lebens. Seit ein paar Jahren gräbt der italienische Archäologe Gabriele Rossi-Osmida unter anderem in Adji Kui nach neuen Erkenntnissen über die Oasenkultur.
2001 kam die Vermutung auf, dass die Oasenkultur eine eigene Schrift entwickelt hatte. Diese wäre etwa 2300 v. Chr. entstanden, zwar später als die Schrift in Ägypten und Mesopotamien, aber weit früher als in China. Strittig ist allerdings, ob es sich wirklich um eine Schrift oder nur um Piktogramme handelt.
[Bearbeiten] BMAC und Indoiraner
Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass es einen Zusammenhang zwischen der Oxus-Kultur und der Urheimat der als Indoiraner bezeichneten Völker bzw. ihnen benachbarten Völkern gibt. So sagt James P. Mallory in der "Encyclopedia of Indo-European Culture" [S. 73]:
- "... The geographic location of the BMAC ... conforms, it is argued, with the historical situation of the Da(h)a and Parnoi mentioned in Greek and Latin sources, which have, in turn, been identified with the Dasas, Dasyus, and Panis of the Rig Veda who were defeated by the Vedic Arya. ..." ["... die geografische Lage des BMAC ... stimmt mit der historischen Lage der Da(h)a und Parnoi überein, die in griechischen und lateinischen Quellen erwähnt wurden und mit den Dasas, Dasyus und Panis der Rig Veda identifiziert werden, welche von den vedischen Ariern besiegt wurden ..."]
Ausgegrabene Ruinen haben verblüffende Ähnlichkeiten mit Komplexen, die in der Rig Veda beschrieben sind, und es scheint auch z.T. Belege für den Soma-Kult zu geben.
[Bearbeiten] Literatur
- Beate Luckow: Turkmenistan entdecken : versunkene Wüstenstädte an der Seidenstrasse. Trescher Verlag, Berlin 2006. ISBN 3897940612
- Igor N. Chlopin: Jungbronzezeitliche Gräberfelder im Sumbar-Tal, Südwest-Turkmenistan. Beck, München 1986. ISBN 3406315399
- Viktor Ivanovich Sarianidi (Hrsg.): Baktrisches Gold aus den Ausgrabungen der Nekropole von Tillja-tepe in Nordafghanistan. Aurora-Kunstverlag, Leningrad 1985. OCLC 30886676, OCLC 19869857
In Englisch:
- Gabriele Rossi-Osmida (Hrsg.): Margiana: Gonur-depe Necropolis. 10 years of excavations by Ligabue Study and Research Centre. Il Punto Edizione, Padua 2002. ISBN 8888386025
- Fredrik T. Hiebert: Origins of the Bronze Age Oasis Civilization in Central Asia. Harvard University, USA 1994. ISBN 0873655451
- Giancarlo Ligabue, Sandro Salvatori (Hrsg.): Bactria. An ancient oasis civilization from the sands of Afghanistan. Erizzio Edition, Venedig 1990. ISBN 8870770257
- Viktor Ivanovich Sarianidi: Togolok 21, an Indo-Iranian temple in the Karakum. In: Bulletin of the Asia Institute, vol. 4, 1990 (pp. 159-165). ISSN 08904464
[Bearbeiten] Film
- Karakum, die Totenstadt in der Oase (auch: Karakum - Vergessene Wüstenstädte). Dokumentation, Frankreich 2001, ARTE F. Regie: Marc Jampolsky (Info)
- Karakum, Geheimnisse der schwarzen Wüste. Dokumentation, Frankreich 2004, ARTE F. Regie: Marc Jampolsky (Info)
[Bearbeiten] Weblinks
- John N. Wilford: In Ruin, Symbols on a Stone Hint at a Lost Asian Culture (USA 2001, engl., Schrift der Oasenkultur, aus: "The New York Times", 13. Mai 2001)
- Anahita Gallery: Fine art, photography & textiles from Central Asia (USA 2001, engl., Grabungen in Gonur Tepe in der Wüste Karakum und Ergebnisse)
- Jack Cassin: Archaeological Pre-History of Turkmenistan (a brief history) (USA 2000, engl., frühe Geschichte Turkmenistans, vom kalifornischen "Weaving Art Museum and Research Institute")