Operette
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Die Operette (ital., wörtlich: kleine Oper) ist ein musikalisches Bühnenwerk. Die Bezeichnung gibt es seit dem 17. Jahrhundert. Bis zum 20. Jahrhundert hat sie einen erheblichen Bedeutungswandel erfahren.
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[Bearbeiten] Vorgeschichte
Im 17./18. Jahrhundert bedeutete Operette die "geringere" Oper, entweder weil sie kürzer war als andere Opern (vor allem Einakter wurden so genannt), weil sie "bloß" eine Komödienhandlung hatte im Unterschied zu Opera seria oder Tragédie lyrique, oder weil nur wenige Figuren ohne Chor in ihr auftraten. Operette wurden auch Stücke genannt, die keine Gesangsvirtuosen erforderten, sondern von singenden Schauspielern ausgeführt werden konnten.
Ferner wurden deutschsprachige, auch anspruchsvollere Opern manchmal deshalb Operetten genannt, weil sie gegenüber den italienischen und französischen Opern einen geringeren Stellenwert hatten. Das Deutsche wurde gegenüber dem Französischen, der internationalen Sprache der Aristokratie, noch gering geschätzt. Dementsprechend hatten deutschsprachige Opern zumeist eine Komödienhandlung und damit sozial niedrig stehende Figuren (siehe Ständeklausel). Der Ruf der deutschsprachigen Operette als "bürgerlicher deutscher Oper", die endlich eine Aufwertung verdient hätte, hält sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.[1]
Ende des 18. Jahrhunderts wurden Stücke, die aus der französischen Opéra comique hervorgegangen waren, als Operetten bezeichnet, also Opern, die gesprochene Dialoge anstelle gesungener Rezitative enthielten. So galt etwa Mozarts Die Entführung aus dem Serail als Operette.
[Bearbeiten] Von der klassischen zur modernen Operette

Jene Werke, die heute im engeren Sinn als Operetten bezeichnet werden, entstanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Unterhaltungskultur von Paris und Wien, den damals größten Städten in ihren Sprachgebieten. In der Folge bildeten sich auch in Berlin, London und anderen europäischen Städten eigene Operettentraditionen.
Die Glanzzeit der Operette dürfte um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gewesen sein. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie von der Revue verdrängt und ging Mischformen mit ihr ein. Jedoch konnten auch in den 1920er-Jahren und bis nach dem Zweiten Weltkrieg noch Operetten-Erfolge erzielt werden. Modernere Formen der Tanz- und Unterhaltungsmusik gewinnen nach dem Ersten Weltkrieg neben traditionellen Walzermotiven stark an Einfluss, etwa Shimmy und Foxtrott. Schlager begannen ihren Siegeszug nicht mehr unbedingt auf der Bühne, sondern konnten auch von den neueren Medien Radio, Grammophon und später dem Film ausgehen und von dort aus auf die Bühne zurückwirken. Seit dem 1930er-Jahren gab es auch originale Filmoperetten.
Kompositionen nach dem Ersten Weltkrieg vermieden oft die Bezeichnung Operette und erschienen als Singspiel, "musikalische Komödie" oder "musikalisches Lustspiel" auf dem Programm (z. B. Der Vetter aus Dingsda, Im weißen Rößl). Später rückte der Operette das Broadway- oder West End-Musical zur Seite. Einige dieser Musicals waren moderne Weiterentwicklungen der Operette, z. B. My fair Lady, und eigneten sich deshalb zur Wiedergabe im System der deutschsprachigen Stadttheater.
Heute reduziert sich das landauf landab gespielte Operettenrepertoire im Kern auf wenig mehr als ein dutzend "klassischer" Werke. Ehemals überwiegend der Operette gewidmete Theater wie das Staatstheater am Gärtnerplatz München oder die Volksoper Wien haben sich mittlerweile mehr der Oper zugewandt (auch wenn Operetten an diesen Häusern weiterhin einen wichtigen Bestandteil des Repertoires bilden). In Dresden-Leuben gibt es allerdings mit der Staatsoperette Dresden bis heute ein auf Operetten spezialisiertes Theater. Es ist das letzte selbstständige seiner Art in Deutschland.
Nach wie vor gibt es auf Operette spezialisierte Festivals: Bedeutende Operettenfestivals sind heute in Österreich die Seefestspiele Mörbisch (Intendanz: Harald Serafin) und in Deutschland die Elblandfestspiele Wittenberge (Intendanz: Heiko Reissig), die alljährlich in den Sommermonaten viele tausend Gäste zu einem Besuch in das "Reich der heiteren Muse" einladen.
[Bearbeiten] Pariser Operette

Der Cellist und Komponist Jacques Offenbach, der Kapellmeister an der Comédie-Française gewesen war, schuf bei Gelegenheit der Weltausstellung von 1855 ein neues Genre des Musiktheaters aus kurzen Stücken mit burlesker Handlung, von denen man mindestens zwei am gleichen Abend spielen konnte. Mit anfänglich großem Erfolg führte er sie in seinem eigenen Théâtre des Bouffes-Parisiens auf. Das erste Werk der Pariser Operette war Les deux Aveugles (Die beiden Blinden, 1855).
Um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, erklärte Offenbach in einer 1856 veröffentlichten Abhandlung[2], dass er damit die alte Opéra comique des 18. Jahrhunderts wiederbeleben wolle. Offensichtlicher jedoch lehnte er sich an die seit den 1840er-Jahren populären Vaudevilles mit erhöhtem Musikanteil an. Offenbach bezeichnet seine Werke als "Opéra bouffon" oder "Bouffonnerie musicale" – den Ausdruck "Opérette" verwendet er selten.
1858 wurde die erstmals zweiaktige Operette Orpheus in der Unterwelt aufgeführt, die seinen Welterfolg begründete. Zusammen mit Die schöne Helena 1864 ist das Stück noch Teil des heutigen Repertoires. Seit dem Höllengalopp aus Orpheus ist der Tanz Cancan eng mit der Operette verbunden. Aber auch andere französische Komponisten wie Charles Lecocq, Hervé oder Robert Planquette konnten sich mit dem neuen Genre profilieren. Mit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 verblasste Offenbachs Ruhm in Frankreich. Die respektlosen Satiren des "deutschen" Komponisten auf die Pariser Gesellschaft wurden nach der französischen Niederlage nicht mehr geschätzt. Fortan widmete er sich ausladenden Ausstattungsstücken. In den 1870er-Jahren waren Emmanuel Chabrier und später André Messager mit Operetten erfolgreich.
[Bearbeiten] Wiener Operette
Hauptartikel: Wiener Operette
Im Bestreben, den Erfolg der Pariser Operette zu kopieren, entstand gegen 1860 die Wiener Operette. In ihr betätigten sich Komponisten wie Franz von Suppé, Johann Strauß, Karl Millöcker oder Carl Zeller. Sie war seit den 1870er-Jahren geprägt vom Wiener Walzer, weil der Impresario Maximilian Steiner das Publikum der Tanzveranstaltungen ins Theater an der Wien holen wollte und dazu den Tanzkomponisten Strauß mit dem Theaterpraktiker Richard Genée zusammenbrachte. Aus dieser Zusammenarbeit ging Die Fledermaus (1874) hervor. Auch ungarisches Lokalkolorit zeigte sich seither im Csárdás-Rhythmus.
Franz Lehár und Emmerich Kálmán führten die Wiener Operette ins 20. Jahrhundert. Die erfolgreichste Wiener Operette neben der Fledermaus ist Lehárs Die lustige Witwe (1905).
Vertreter der späten Operettenära (Silberne und im Falle der Schlageroperette Bronzene Operettenperiode) waren u. a. Leo Fall, Paul Abraham, Oscar Straus, Ralph Benatzky, Edmund Eysler, Nico Dostal, Fred Raymond und Friedrich Schröder. Die klassische Trennung in Wiener und Berliner Operette, die zu dieser Zeit oft vorgenommen wurde, war keine stilistische Einteilung. Sie betraf nur wenige Komponisten, weshalb eine klare Zuordnung über den Wirkungsbereich hinaus meist nicht möglich war. Als Novitäten-Gattung behielt die Wiener Operette über die letzten Werke von Robert Stolz und Gerhard Winkler in der zweiten Jahrhunderthälfte hinaus ungebrochene Kontinuität. Im Fernsehen wurde die Wiener Operette von Sängern wie Rudolf Schock oder Anneliese Rothenberger befördert.
[Bearbeiten] Berliner Operette
Auch in Berlin hatte die Wiener Operette Erfolg, und österreichische Komponisten wie Leo Fall oder Leon Jessel konnten dort mit Uraufführungen Fuß fassen. Die Berliner Operette bekam durch Eduard Künneke (Der Vetter aus Dingsda, 1921), Paul Lincke (Frau Luna, 1899), Walter Kollo (Marietta, 1923), Willi Kollo und andere einen eigenen, teilweise auf dem Marsch, teils mehr auf dem Walzer beruhenden Stil, der sich gegenüber Einflüssen der amerikanischen Musical Comedy, des Films und der neuen Modetänze offener zeigte als die klassischen Wiener Vorbilder. Die Stücke von Mischa Spoliansky (Wie werde ich reich und glücklich?, 1930) sind eher kabarettistische Revuen.
[Bearbeiten] Weitere Formen
In England sind die Savoy Operas von Gilbert und Sullivan beliebt geworden, und in Spanien erlebte die Sonderform der Zarzuela, z. B. von Enrique Granados, nach der Wende zum 20. Jahrhundert eine Blütezeit.
Seit den 1920er-Jahren konnte sich auch auf der New Yorker Broadway-Bühne eine eigene Operettentradition etablieren, die etwa von Sigmund Romberg (The Student Prince, 1924) und Rudolf Friml (The Vagabond King, 1925) vertreten wurde. Auch die Musical Plays nach den Textbüchern von Oscar Hammerstein II wie Oklahoma! (1943) oder The Sound of Music (1959) werden bisweilen zur Operette gezählt.[3]
[Bearbeiten] Fußnoten
- ↑ Mathias Spohr, "Inwieweit haben Offenbachs Operetten die Wiener Operette aus der Taufe gehoben?", in: Rainer Franke (Hg.), Offenbach und die Schauplätze seines Musiktheaters, Laaber: Laaber 1999, S. 31–68, hier S. 49
- ↑ Revue et Gazette musicale 29:1856, S. 229–234
- ↑ Gerald Bordman, American Operetta, NY: Oxford Univ. Press 1981
[Bearbeiten] Bekannte Operettenkomponisten und ihre Werke
[Bearbeiten] Literatur
- Volker Klotz: Operette - Porträt und Handbuch einer unerhörten Kunst, Kassel: Bärenreiter 2004, ISBN 3761815964
- Wolfgang Jansen: "Auf der Suche nach Zukunft, Zur Situation der Operette in den ausgehenden Zwanziger Jahren." In: Nils Grosch (Hg.): Aspekte des modernen Musiktheaters in der Weimarer Republik. Münster etc.: Waxmann 2004, ISBN 3-8309-1427-X.
- Richard Traubner, Operetta. A Theatrical History, NY: Doubleday 1983, 2003
- Rolf Fath, Anton Würz: Reclams Opern- und Operettenführer, Stuttgart: Reclam 2002, ISBN 3150105137
- Erik Adam, Willi Rainer (Hrsg.): Das Land des Glücks. Österreich und seine Operetten. Klagenfurt etc.: Hermagoras 1997
- Stan Czech: Das Operettenbuch: ein Führer durch die Operetten und Singspiele der deutschen Bühnen, Stuttgart: Muth 1960
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