Pogrom von Koniuchy
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Pogrom von Koniuchy bezeichnet den Mord an den polnischen Einwohnern von Koniuchy (heute Kaniūkai, Litauen, damals Reichskommissariat Ostland; 30 km südöstlich von Vilnius) am 29. Januar 1944 durch sowjetische und jüdische Partisanen.
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[Bearbeiten] Vorgeschichte
Im Sommer 1943 setzte das Zentrale Partisanen-Kommando in Moskau eine Gruppe Fallschirmspringer im Wald von Rudniki ab, die geflohene sowjetische Kriegsgefangene sammelte. Im Herbst 1943 erhielten sie Verstärkung durch 150 jüdische Flüchtlinge der Ghettos von Kaunas und Wilna sowie von Zwangsarbeitern dieser Stadt und des Heeres-Kraftfahrparks (HKP) der Wehrmacht. Die zum Zeitpunkt des Überfalls etwa 250 Frauen und Männer überwiegend jüngeren Alters wurden vom sowjetischen Partisanenkommando in vier Gruppen einer sog. "Vilnius Brigade" gegliedert : "Die Rächer" unter Abba Kowner, "Zum Sieg" unter Shmuel Kaplinsky, "Tod dem Faschismus" unter Jacob Brenner und "Kampf" unter Aron Aronowitsch. Kowner kommandierte alle vier Einheiten, die mit Stankewitsch und Margis auch zwei Politkommissare hatten. Dazu kam eine Gruppe unter Henoch Ziman ("Jurgis") aus den Wäldern von Narocz, der auch direkt im Ghetto rekrutierte. Die Brigade bestand zum überwiegenden Teil aus Juden, gefolgt von Russen und einigen wenigen Litauern und Polen.
Die weitverbreitete soziale Anomie der Brigade fand ihren Ausdruck in außergewöhnlich rücksichtslosem Kampf; zunehmend gewalttätiger Behandlung deutscher Kriegsgefangener; offenem Hass und Gewalt gegenüber Einheimischen; totaler Ablehnung von allem was mit Litauen oder Polen zusammenhing; dem Auftreten von Depression, Introversion und Massenhysterie.
Obwohl gut bewaffnet, waren die wachsenden Gruppen darauf angewiesen sich selbst zu ernähren. Teils von wohlhabenderen Bauern zwangsversorgt, überfielen sie jedoch auch umliegende Ortschaften, plünderten Kleidung, Uhren und Schmuck, töteten Tiere und Personen und brannten Häuser nieder. Es kam auch zu Angriffen auf die Polnische Heimatarmee, die die Bauern zu verteidigen suchte.
Koniuchy wurde mehrfach beraubt. Ein Zeuge schilderte, dass die Partisanen die Bettdecke schlafender Kinder mitnahmen und dem Vater auf seinen Einwand hin, diese hätten nun nichts mehr zum Schlafen, "Scheiss auf deine Kinder", antworteten. Der Ort besass drei alte sowjetische Gewehre, mit denen sich die Einwohner wegen früherer Überfälle schützen wollten und eine Nachtwache einrichteten.
[Bearbeiten] Ereignisse
In der Nacht vom 28./29. Januar 1944 kreisten 120 bis 150 Partisanen, nach russischen Quellen auch mehr [1], die Ortschaft ein. Die jüdischen Einheiten führten Jacob Prenner, Abba Kowner und Shmuel Kaplinsky. Einige Mitglieder der Einheit "Tod den Okkupanten" der Kaunas-Brigade sowie der Litauer-Einheit "Margiris" waren ebenfalls beteiligt. Gegen 5 Uhr morgens drangen sie in die Siedlung ein.
Zeuge Józef Bondalewicz: "Sie begannen, mit halbautomatischen Waffen in die Fenster der Häuser zu schiessen sowie auf jeden, der versuchte die Gebäude zu verlassen. Zwei dem Wortwechsel nach jüdische Partisaninnen schossen mit Maschinengewehrgarben eine Frau nieder, die mit ihrem Kind an der Hand zu einem Nachbarn lief. Eine von ihnen nahm der Sterbenden das Kind weg und trieb es in ein brennendes Haus."
Der Ort hatte etwa 60 Häuser und 300 Einwohner. Zwischen 38 und 60 Personen jeglichen Alters und Geschlechts wurden erschossen, 15 verwundet und die meisten Häuser niedergebrannt. Ein Opfer starb an den Folgen. Das Massaker dauerte 1,5 bis 2 Stunden.
[Bearbeiten] Folgen
Nach Meldung erschien das 253. Bataillon der litauischen Polizei, fand aber keine Partisanen mehr vor. Der Polizeibericht Nr. 53 hielt fest, das "150 Banditen (Juden und Russen), bewaffnet mit einem schweren Maschinengewehr, drei leichten Maschinenpistolen, Gewehren und Granaten" den Ort angegriffen hatten. Ein Wehrmachtsbericht vom 5. Februar 1944 erfasst 36 Getötete und 14 Verwundete. [2]
Henoch Ziman sandte für das "südliche Untergrundkommitee der litauischen kommunistischen Partei" eine Nachricht an Antanas Sniečkus, Chef des Hauptquartiers der litauischen Partisanen in Moskau : "Am 29. Januar brannte eine vereinigte Gruppe Wilnaer Partisanen, einschließlich der Formationen "Tod den Okkupanten" und "Margis" sowie einer Spezialgruppe des Hauptquartiers den Ort des härtesten Widerstandes im Landkreis Eišiškės, Kaniūkai, nieder."
In einem weiteren Massaker in Naliboki wurden über zwei bis drei Stunden 128 Dorfbewohner getötet. Von Überfällen mit Morden durch Partisanen waren auch die Ortschaften Szczepki, Babińsk, Prowżały, Kamień, Bakałoryszki (Bakaloriškės), Bojary (bei Werenowo), Popiszki, Pirciupie sowie andere betroffen.
Nachkriegszeit
Nach Besetzung des Gebietes durch die sowjetische Armee wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, die die "kriminellen" Handlungen der Bewohner gegen Partisanen erfasste. Eine Anzahl Polen wurden inhaftiert, gefoltert und ins sowjetische Gulag abtransportiert. Der Organisator der Nachtwachen, Władysław Woronis, erhielt 10 Jahre Arbeitslager. [3]
Die Partisanen wurden bisher nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Auf Anfrage des Canadian Polish Congress (CPC) begann das polnische Nationale Institut für Erinnerung im Februar 2001 eine Untersuchung der Verbrechen von Koniuchy. Die Staatsanwaltschaften Weißrusslands, Russlands, Litauens und Israels wurden nach Abschluss der Befragung der polnischen Zeugen um Amtshilfe gebeten. [4]
[Bearbeiten] Weblinks
- Forschungszentrum für Widerstand und Genozid Litauen
- Canadian Polish Congress Toronto, Massacre at Koniuchy Darstellung verschiedener Sichtweisen, polnisch/englisch
- Operations Diary of a Jewish Partisan Unit in Rudniki Forest (englisch)
- Rimantas Zizas. Bakaloriškių sunaikinimas (Zerstörung Bakaloriškės), 23 October 2002 (litauisch)
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Ilja Ehrenburg, Vasili Grossmann: The Black Book of Russian Jewry. Moskau 1944
- ↑ Archiwum Akt Nowych, Warschau
- ↑ Aktenarchiv des litauschen KGB
- ↑ Information on the Investigation in the Case of Crime Committed in Koniuchy Institute of National Remembrance, 21. August 2006