Politische Parteien in Italien
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Die italienische Parteienlandschaft ist traditionell stark zersplittert, auch viele kleine Parteien konnten sich immer wieder auf nationaler Ebene ihren Einfluss sichern. Den kleineren Parteien kommt zudem durch die häufigen Regierungskrisen und wechselnde Mehrheiten im Parlament ein nicht unerheblicher Einfluss bei der parlamentarischen Willensbildung zu.
Zu Beginn der 1990er Jahre hat die italienische Parteienlandschaft einen tiefgreifenden Wandel erfahren: Durch das Ende des Kalten Krieges und den Mauerfall benannte sich die Italienische Kommunistische Partei (PCI) in Democratici di sinistra (Ds, Linksdemokraten) um, mehrere Abspaltungen führten zu einer weiteren Zersplitterung des linken Spektrums in mehrere kleine Parteien neben den Ds.
Auch im Bereich der rechten und konservativen Parteien vollzog sich in dieser Zeit ein tiefgreifender Wandel: Als durch die Korruptionsermittlungen des Staatsanwälte-Pools mani pulite mehrere Fälle von Bestechung und Stimmenkauf im Umfeld der langjährigen Regierungsparteien Democrazia Cristiana (DC) und der Sozialistischen Partei (PSI, Partito Socialista Italiano) aufgedeckt wurden, lösten sich diese Parteien auf. Die DC zerfiel in mehrere kleine Parteien, der PSI verschwand praktisch von der Bildfläche.
Die politischen Entwicklungen führten zu einem Erstarken separatistischer Parteien wie der Lega Nord und rechtskonservativer wie der Alleanza Nazionale (AN), außerdem konnte sich die neu gegründete Partei Silvio Berlusconis, Forza Italia (FN), ab Mitte der 1990er Jahre als dominierende Kraft im demokratisch-rechten Spektrum etablieren.
1996 kam es zum ersten echten Regierungswechsel in der italienischen Nachkriegsgeschichte: Bis 2001 regierte eine Mitte-Links-Koalition unter Führung des Ulivo-Parteienbündnisses. Die Wahlen 2001 gewann dann das Mitte-Rechts-Bündnis Casa delle Libertà von Silvio Berlusconi. Seit den nationalen Wahlen von 2006 hat das Mitte-Links-Bündnis L'Unione die Mehrheit in beiden Parlamentskammern.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Wichtige Parteien vor 1990
- Democrazia Cristiana (DC)
- Kommunistische Partei Italiens (PCI)
- Partito Socialista Italiano (PSI)
- Partito Socialista Democratico Italiano (PSDI)
- Partito Liberale Italiano (PLI)
- Partito Repubblicano Italiano (PRI)
- Partito Radicale (PR)
- Movimento Sociale Italiano (MSI)
Siehe auch: Pentapartito
[Bearbeiten] Wichtige Parteien der Gegenwart
- Alleanza Nazionale (AN)
- Lega Nord
- Forza Italia (FI)
- Unione dei Democratici Cristiani e Democratici di Centro (UDC)
- Nuovo Partito Socialista Italiano (NPSI)
- Popolari-Unione Democratici per l'Europa (Popolari-UDEUR)
- La Margherita - Democrazia è Libertà
- Italia dei Valori (Lista Di Pietro)
- Radicali Italiani
- Socialisti Democratici Italiani (SDI)
- Federazione dei Verdi (Verdi)
- Democratici di sinistra (DS)
- Partito dei Comunisti Italiani (PdCI)
- Partito della Rifondazione Comunista (PRC)
[Bearbeiten] Wichtige Regionalparteien
s. auch Parteien Südtirols
[Bearbeiten] Wandel in der Parteienlandschaft
[Bearbeiten] Geschichtliche Hintergründe
Das politische System Italiens ist unter bestimmten geschichtlichen Umständen entstanden. Von 1922 bis 1943 herrschte in Italien Benito Mussolini als faschistischer Diktator. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dominierten zwei Gruppierungen, die zwar beide die Diktatur bekämpft hatten und nun bestrebt waren, ein Widererstarken des Faschismus zu verhindern, sich aber in ihren Ansichten deutlich unterschieden: Christdemokraten und Kommunisten. Dieser Gegensatz prägte das öffentliche Leben der Italiener während der sogenannten Ersten Republik (bis 1992). Die beiden Lager standen sich zwar gegenüber, doch herrschte keineswegs eine Feindschaft. Auch in vielen italienischen Filmen zeigt sich dieser Gegensatz (Don Camillo und Peppone). Der Gegensatz spiegelte sich auch in der Gewerkschaftsbewegung, die Gewerkschaften waren in kommunistische und christliche Lager gespalten. Die Frage, die bei der Betrachtung dieser Frage aufgeworfen wird ist die nach einem historischen Kompromiss zwischen den Lagern. Tatsächlich zeigt sich, dass es solche Kompromisse in Krisenzeiten wie der Ölkrise 1973 gab. So tolerierten die kommunistischen Parteien eine Minderheitsregierung der Christdemokraten. Umgekehrt ließen die Christdemokraten zu, dass die Kommunisten ihre Forderung nach einer Koppelung der Löhne an die Inflation durchsetzten. Diese Regelung wurde wegen einer einsetzenden Lohn-Inflationsspirale in den 80er Jahren wieder abgeschafft.
[Bearbeiten] Christdemokratische Partei
40 Jahre lang waren die Christdemokraten an jeder Regierung beteiligt (bis 1990), sie waren die dominante Partei und lagen in den ersten Jahren immer im Bereich von 40% der Wählerstimmen. Diese Dominanz nahm langsam ab, bis sie zum Schluss bei knapp unter 30% lag. Die Partei löste sich Anfang der 1990er Jahre auf. Die Dominanz hatte auch Nachteile, so ergab sich durch die ununterbrochene Regierungsbeteiligung eine starke Verflechtung in Kirche, Verwaltung, Interessenverbänden und Wirtschaft mit der Politik. Dies löste auch den plötzlichen Zusammenbruch der Partei aus. Skandale um Korruption und weitere illegale Machenschaften bis hin ins mafiöse erschütterten die Partei und lösten einen Zusammenbruch nach innen aus.
[Bearbeiten] Kommunistische Partei
Bei aller Dominanz der Christdemokraten waren hin und wieder jedoch auch die Kommunisten an einer Regierung beteiligt oder stellten Bürgermeister. Die kommunistische Partei lag jahrelang in einem Bereich von 25% der Wählerstimmen und somit auf Platz zwei. Außerdem zerfiel sie nicht so stark wie die Christdemokraten.
[Bearbeiten] Regierungsverschleiß
Wie an den Prozentzahlen deutlich wird, waren die Parteien also immer auf Koalitionen angewiesen und so zeigte sich in Italien ein hoher Regierungsverschleiß. Je nach dem wie man operationalisiert handelt es sich um 50-60 Regierungen in der so genannten 1.Republik (bis 1992). Erstaunlicher Weise jedoch weist die Politik und die Personalbesetzung eine große Kontinuität auf. Oftmals wurde abgewählte Ministerpräsidenten in der nächsten Wahl unter minimal anderen Koalitionsverhältnissen wieder gewählt. Dies hatte auch zur Folge, dass viele Wähler nicht mehr zur Wahl gingen, was sie auch wählten es kam im Großen und ganzen „immer das selbe dabei heraus“.
[Bearbeiten] Neues Wahlsystem
Nach dem Zerfall der „alten Parteien“ nach der Änderung des Wahlsystems von einem Verhältniswahlrecht ohne Sperrklausel zu einem gemischten Wahlrecht (Mehrheitswahl für 75% der Sitze und Verhältniswahlrecht für 25% der Sitze, sowie eine Sperrklausel bei 4%) gibt es nun eine neu formierte Parteienlandschaft. Die zwei größten Parteien sind die Forza Italia und die Democratici di sinistra. Die Partei Silvio Berlusconis, Forza Italia, ist keine klassische Mitgliederpartei, vielmehr gründete und etablierte Berlusconi seine Partei über die Medien. Der Partei ging also nicht, wie vielen historisch gewachsenen Parteien, eine soziale Bewegung voraus. Mittlerweile haben sich natürlich auch bei der Forza Italia klassische Strukturen (Ortsverbände, etc.) gebildet und auch die Mitgliederzahl ist gestiegen.
Nach der Änderung des Wahlrechts mussten die Parteien ihre Strategien ändern, da das neue Mehrheitswahlrecht (nach dem Vorbild Großbritanniens) eine Polarisierung begünstigt. Um stärkste Partei in den Wahlkreisen zu werden, bildeten sich so genannte Parteienblöcke. Diese Blöcke bestehen aus mehreren Parteien, die sich darauf einigen, in den ausgewählten Wahlbezirken nur einen Kandidaten auf zu stellen. Dominierend sind die Blöcke des Ulivo (Mitte-Links) und der Casa delle Libertà (Mitte-Rechts).
1994 gewann der Mitte-Rechts-Block (Casa delle Libertà|Polo delle libertà und Polo del buongoverno) die Wahl, die Regierung hielt wegen innerer Differenzen nur ein Jahr lang. Es folgte eine Mitte-Links-Regierung des Ulivo-Bündnisses, die 2001 wieder vom Mitte-Rechts-Block abgelöst wurde. Trotz des Wahlsieges ist es schwierig, den Block, sowie die Regierung zusammenzuhalten. Wie sich zeigt, hat sich bereits jetzt die typische Bipolarität bei Mehrheitswahlrecht in der Parteienlandschaft durchgesetzt, auch wenn es sich nicht um zwei Parteien (wie in Großbritannien), sondern um zwei Blöcke handelt.
Auch das 2005/2006 eingeführte neue/alte Wahlrecht, das wieder ein Verhältniswahlrecht mit Mehrheitsbonus vorsieht, fördert die Wahlbündnisse. In diesen ist seit einiger Zeit der Wunsch gewachsen, zu echten Parteien zu werden. In etwa könnte man die Entwicklung mit der von Frankreichs UDF in den 1980ern vergleichen.
Hier ein Überblick über das Wahlrecht 2006, wie gesagt kehrte man wieder zum alten Wahlrecht, der reinen Verhältniswahl, zurück. Doch es ist nicht exakt dasselbe Wahlrecht von 1993, sondern beinhaltet einige Modifikationen:
- Mehrheits-Proporzsystem
- Das neue Gesetz sieht einen "Bonus" für den Wahlsieger vor, um klarere Mehrheiten im Parlament zu bekommen, das bedeutet, dass der Sieger auf jeden Fall über eine Mehrheit von mindestens 340 Sitzen verfügt. Hat eine Partei oder Parteienkoalition aus eigener Kraft mindestens 340 Sitze errungen, was ca. 55% entspricht, wird der Mehrheitsbonus natürlich nicht vergeben. Er greift nur, falls eine Partei oder Koalition nur über eine relative Mehrheit verfügt; denn dann erhält jene siegreiche Partei oder Koalition automatisch die Differenz zwischen den von ihnen tatsächlich errungenen Sitzen und den 340 Sitzen (entspr. 55%) gutgeschrieben. (Die restlichen 277 Sitze werden nach dem System der ganzen Wahlzahl und der höchsten Reste vergeben.) Diese Regelung gilt sowohl für die Abgeordnetenkammer, wie auch für den Senat.
- Prozentklauseln und Bündnissysteme
- Hier muss differenziert werden, wie sich die Parteien zur Wahl aufstellen, ob als „Einzelkämpfer“ oder als Teil eines Bündnisses. Bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer sind dreierlei Hürden zu beachten: Tritt eine Partei alleine und ohne Bündnispartner an, so gilt für sie eine Sperrklausel von 4 Prozent der gesamtstaatlich abgegebenen Stimmen. Ist sie Teil einer Koalition, so gilt für sie eine Hürde von nur 2 Prozent, jedoch muss die Koalition gleichzeitig als Ganzes auf mindestens 10% kommen. Eine Koalition wird also nur bei der Sitzverteilung berücksichtigt, wenn sie diese 10% Hürde überwindet und wenn gleichzeitig mindestens eine in ihr zusammengeschlossene Partei mehr als 2 Prozent erlangt. Innerhalb der Koalition gilt wieder die 2-Prozent-Hürde. Zusätzlich erhält der „Beste Verlierer“, also die Partei, welche mit den meisten Stimmen ausgeschlossen wurde, ebenfalls den ihr zustehen Sitzanteil. Parteien, die einer Koalition angehören, welche die für sie geltenden Prozentklauseln nicht erfüllt, gelten als bündnisfreie Parteien und fallen wieder unter die 4-Prozent-Hürde.
- Bei der Wahl zum Senat gelten dieselben Regeln, mit Unterschieden in den Prozentzahlen: Die Hürden sind doppelt so hoch: Für Parteien ohne Bündnis gelten 8%, für Parteien innerhalb einer Koalition 3% und eine Koalition muss auf mindestens 20% kommen, um berücksichtigt zu werden. Im Gegensatz zu den Wahlen zur Abgeordnetenkammer finden die Wahlen zum Senat nicht auf gesamtstaatlicher, sondern auf regionaler Ebene statt. Wegen der verschiedenen Auszählungsarten kann es in Abgeordnetenhaus und Senat zu unterschiedlichen Mehrheiten kommen. Das könnte das Regieren deutlich erschweren, da Gesetze von beiden Parlamentskammern beschlossen werden müssen, bevor sie vom Staatspräsidenten unterzeichnet werden können.
- Voraussetzung dafür, dass eine Koalition als solche anerkannt wird, ist ein gemeinsames Wahlprogramm und ein gemeinsamer Spitzenkandidat für das Amt des Ministerpräsidenten. In der Praxis ist dieses Bündnis aber immer pragmatischer Natur, so dass beispielsweise das gemeinsame Wahlprogramm eher eine Notwendigkeit als eine ernst gemeinte gemeinsame Linie darstellt.
- Auslandsitaliener
- Bisher war es so, dass im Ausland wohnhafte italienische Staatsbürger (ca. 3,5 Millionen) nur an Wahlen teilnehmen konnten, wenn sie zur Stimmabgabe in jener Gemeinde erschienen, in der sie in die Wählerlisten bzw. in das Auslandsitalienerregister eingetragen sind. Jetzt wurde für sie ein eigener Wahlkreis namens „Ausland“ eingerichtet, in dem nunmehr von den 630 Abgeordneten 12, von den 315 Senatoren 6 gewählt werden („Reservierte Mandate“).
[Bearbeiten] Zukunftsaussichten
Eine immer wieder diskutierte Änderung ist die, den Senat zu einer Länderkammer zu machen. Zwar werden auch heute schon die Senatoren in den Regionen gewählt, doch sind sie nicht deren Vertreter. Der Senat würde nach der Umwandlung eher dem deutschen Bundesrat entsprechen. Die Tendenz der Regionalisierung gibt es seit den 70er Jahren, besonders Verwaltungsaufgaben liegen heute dort. Eine weitere Entwicklung in Richtung föderaler Struktur wurde zwar immer wieder diskutiert jedoch von den Parteien immer nur dann voran getrieben, wenn es der jeweiligen Partei nützte.
Nach dem Wahlsieg der Mitte-Links-Koalition hat auch Romano Prodi eine Änderung des Wahlrechts angekündigt. Die Meinungen (und Interessen) gehen jedoch in dieser Frage wie gehabt auseinander, so dass keine Entscheidung in Sicht ist.
[Bearbeiten] Literatur
- Stefan Köppl: Das politische System Italiens. Eine Einführung, VS-Verlag, Wiesbaden 2007. ISBN 978-3-531-14068-1
- Damian Grasmück: Die Forza Italia Silvio Berlusconis. Geburt, Entwicklung, Regierungstätigkeit und Strukturen einer charismatischen Partei. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, 2005. ISBN 3-631-53839-1
- LEHNER, Franz; WIDMAIER Ulrich (2002): Vergleichende Regierungslehre, 4. überarbeitete Auflage, Opladen.