Potsdamer Straße
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Die Potsdamer Straße in Berlin-Mitte, Tiergarten und Schöneberg verbindet den Potsdamer Platz mit dem Kleistpark und der Schöneberger Hauptstraße als Teil der ehemaligen Alten Reichsstraße Nr. 1, der heutigen Bundesstraße 1. Sie ist nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Straße, die sich in Berlin-Zehlendorf befindet. Ursprünglich als vornehme Ausfallstraße vor dem Potsdamer Tor auf dem Weg nach Lützow-Charlottenburg und Potsdam angelegt, entwickelte sich die Straße zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur verkehrsreichsten Straße Deutschlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg u.a. durch den Mauerbau in seiner Bedeutung zurückgesetzt, durchquert die Straße heute den sozialen Brennpunkt Schöneberg-Nord, bevor sie nördlich des Landwehrkanals das von Hans Scharoun geplante Kulturforum mit Neuer Nationalgalerie, Matthäikirche, Philharmonie und Staatsbibliothek kreuzt.
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[Bearbeiten] Geschichte
Die Potsdamer Straße ist die erste Kunststraße in Preußen gewesen. Aufgrund der Kriegsweisheit von Friedrich II. „Je schlechter die Straße, desto schwieriger kommt der Feind auf ihnen voran“, beauftragte erst dessen Nachfolger Friedrich Wilhelm II. den Architekten Carl Gotthard Langhans, der auch das heutige Brandenburger Tor entworfen hat, die Straße zwischen Berlin und Potsdam zu befestigen, zu schottern und mit einer Baumallee zu säumen.
Seit 1830 hatte der Banko-Assistent Samuel Ewald Leddihn Äcker zwischen dem Botanischen Garten (dem heutigen Kleistpark) und dem Lützower Weg, der heutigen Lützowstraße) aufgekauft und erlangte erfolgreich die Umwandlung in Bauland.
Die Gemeine Alt-Schöneberg stimmte dem Verkauf ihres vorfeudalen Vieh-Gemenges-Recht, der so genannten „Huthbefreiung“ zu: Von nun an konnte sie kein Vieh mehr auf den neuen Baugrundstücken weiden lassen. Mitstimmungsberechtigt war auch der preußische Militärfiskus, der parallel zur Potsdamer Straße die erste preußische Eisenbahnlinie zwischen Potsdam und Berlin mit seinem Potsdamer Bahnhof 1837 eröffnet hatte (Wannseebahn).
Die erste Ampel Deutschlands wurde 1924 an der Potsdamer Straße /Ecke Potsdamer Platz installiert. Sie war seinerzeit umstritten, weil kein Mensch einsah, von einem Lichtsignal Anweisungen entgegen nehmen zu müssen. Eine Nachbildung dieser Ampel steht heute wieder an der historischen Stelle.
Die Hausnummerierung wurde 1936 auf das heutige System umgestellt.
In den Jahren vor und nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Potsdamer Straße zwischen der Lützow- und der Pallas- /Goebenstraße zum Rotlichtviertel in dem die Prostitution in entsprechenden Nachtclubs blühte. Erst Ende der 1980er Jahre streife dieses Teilstück der Straße sein Image ab.
Am 22. September 1981 kam der Demonstrant Klaus-Jürgen Rattay zu Tode. Eine Gedenktafel im Bürgersteig Potsdamer Straße /Ecke Bülowstraße (vor der Commerzbank) erinnert daran.
[Bearbeiten] Personen
- Fleischermeister Cassel räucherte in seinem Geschäft in der Potsdamer Straße gepökeltes Schweinefleisch und machte es unter dem Namen Kasseler bekannt.
- Ernst Dohm, Chefredakteur des Satireblatts Kladderadatsch.
- Hedwig Dohm, prominente Frauenrechtlerin.
- In der Potsdamer Straße 116 (Architekt von Zahn, 1906) wohnte Marlene Dietrich als Kind (Gedenktafel von Rolf Hemmerich, 2005).
- Am 3. Oktober 1872 bezog Theodor Fontane mit seiner Frau Emilie und seiner Tochter Martha seine letzte Wohnung im sogenannten Johanniter-Haus, Potsdamer Straße 134c. Das graue Haus mit Vorgarten lag auf der Ostseite der Straße, zwischen Eichhornstraße und Potsdamer Platz, auf dem Grundstück der Neuen Staatsbibliothek und trug seit 1899 eine Gedenktafel. Es musste 1906 einem Geschäftshaus Platz machen, das im Jahr 1938 die Hausnummer 15 erhielt und im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum Opfer fiel. Seine „mehr als einfachen Wohnräume“ lagen im obersten dritten Stock rechts. Er wohnte dort bis zu seinem Tode am 20. September 1894.
- Joseph Goebbels übernahm 1926 die Leitung des so genannten NSDAP-Gaus Berlin-Brandenburg im Haus Nr. 35 (alte Zählung).
- Philipp Manes, ermordet in Auschwitz, jüdischer Pelzhändler und Tagebuchautor.
[Bearbeiten] Gebäude
- Das Kammergericht, in dessen Räumen der so genannte Volksgerichtshof tagte und u.a. die Attentäter um Claus Schenk von Stauffenberg zum Tode verurteilte. Im gleichen Gebäude saß bis 1949 der Alliierte Kontrollrat der teilweise Regierungsfunktion ausübte. 1972 wurde dort das Vier-Mächte-Abkommen unterzeichnet und bis in die 1980er Jahre wurden einige Amtsstuben für die Flugsicherung der Alliierten benutzt.
- Das Kathreinerhaus des Architekten Bruno Paul, das heute als Verwaltungsgebäude für den Berliner Senat genutzt wird.
- Die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1957 als Kulturforum errichteten Gebäude
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- Neue Nationalgalerie am Landwehrkanal, erbaut von Mies van der Rohe,
- Staatsbibliothek zu Berlin (Haus 2), erbaut von Hans Scharoun,
- Philharmonie,
- Kammermusiksaal,
- Musikinstrumentenmuseum und
- Gemäldegalerie.
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- Das Varieté Wintergarten.
- Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Adelbert von Chamisso der Kustos des damaligen Botanischen Gartens vor dem Kammergericht, dem heutigen Kleistpark.
- Das in den 1970er Jahren erbaute Pallasseum auf dem Gelände des ehemaligen Sportpalastes, in dem Goebbels den totalen Krieg ausrief und die APO Frank Zappa von der Bühne holte, weil er für evolution statt revolution eintrat. Der Sportpalast wurde 1910 in nur einem Jahr erbaut und 1973 abgerissen. In der Sportarena und Versammlungshalle für mehr als 10.000 Personen tobte bei Box- und Radsportveranstaltungen das Publikum. Politiker wie der spätere Reichskanzler Heinrich Brüning von der Zentrum-Partei, der Arbeiterführer Ernst Thälmann von der KPD oder der spätere Propagandaminister Joseph Goebbels von der NSDAP sprachen hier. Auf der obersten Zuschauergalerie, dem „Heuboden“, pfiffen Berliner Institutionen wie das Berliner Original Reinhold Habisch, genannt Krücke, den Sportpalastwalzer, während auf der Bahn Hans Kalupa oder der so genannte „Fliegende Holländer“ Piet van Kempen um Villen und andere Preise Rad fuhren. Die Prominenz aus den ebenerdigen Logen hatte diese Preisgelder gestiftet. Im Innenraum der Radbahn gab es nur Stehplätze. Mit einem 1948 erstellten Notdach fanden nach dem Krieg auch weiterhin Eisrevuen dort statt. Stars wie Bill Haley, Ella Fitzgerald, Lionel Hampton, Jimi Hendrix und viele andere brachten neben Bockbierfesten und Eis-Ballett-Veranstaltungen Publikum ins Haus. Der Sportpalast erhielt keine staatlichen Subventionen.
- Das ehemalige Gebäude der so genannten Deutschen Arbeitsfront, welches heute das Jugendzentrum Drugstore beherbergt.
- Das Sony-Center mit großem futuristischem Dach.
- Das Vox-Haus, von dem aus 1923 die erste deutsche Rundfunksendung produziert wurde. Das Gebäude musste in den 1970er Jahren dem Neubau der Staatsbibliothek weichen.
- Das Weinhaus Huth, das als letztes Gebäude zwischen dem Potsdamer Platz und dem Landwehrkanal den Krieg und den sich anschließenden Abriss der dort befindlichen Gebäude überstand und heute mitten im Großstadttrubel steht. In den 1980er Jahren trainierte auf der Wiesenbrache vor der Mauer der Verein deutscher Schäferhund SV die westlichen Artgenossen der Hundestaffeln von der östlichen Seite.
[Bearbeiten] Ehemalige Institutionen
- Ernst Rowohlt hatte seinem Verlag direkt am Landwehrkanal.
- Der Verleger Samuel Fischer empfing seine Autoren an der Ecke Bülowstraße.
- Herwarth Walden produzierte seine Zeitschrift Der Sturm einige Häuser weiter wie Rowohlt.
- Das traditionsreiche Lebensmittel- und Delikatessengeschäft Scheurich und Patzke an der Ecke Alvenslebenstraße, das in den 1980er Jahren schloss.
- Die traditionsreiche – seit Anfang des 20. Jahrhunderts bestehende – juristische Fachbuchhandlung Struppe und Winckler, dessen Besitzer Bernhard Hildebrand in den zwanziger Jahren Lesungen mit Thomas Mann und Hanns Heinz Ewers organisierte. Nach dem Mauerfall ist die Buchhandlung an den Gendarmenmarkt gezogen.
- Das ehemalige K.O.B., ein vormals besetztes Haus, war beliebter Treffpunkt und Partylocation der Schöneberger Hausbesetzerszene in den 1980er Jahren.
- Der Türkische Basar, ein – auf dem zu Zeiten der Berliner Mauer stillgelegten Hochbahnhof Bülowstraße eingerichter – Flohmarkt, der nach dem Fall der Mauer der nunmehr wieder fahrenden Bahn weichen musste.
[Bearbeiten] Heutige Institutionen
- In der Potsdamer Straße werden die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“, das 14-täglich erscheinende Stadtmagazin „tip“ sowie die dreimal wöchentlich erscheinende Zeitung „Zweite Hand“ herausgegeben.
- Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit Staatsbibliothek, Ibero-Amerikanischen Institut und ISBN-Agentur.
- Die Königskolonnaden am Eingang des Heinrich-von-Kleist-Parks, die ursprünglich am Alexanderplatz standen und trotz vielfacher Restaurierungen noch Einschusslöcher aus dem Revolutionsjahr 1848 aufweisen.
- Das Antiquariat Wolfgang Staschen.
- Sanitärfachgeschäft M. Pech.
- Das seit 1856 existierende Fachgeschäft Osval Werkzeuge.
- Fleischerei Staroske ([1])
- Seit 2003 findet jährlich Anfang September die magistrale – Kulturnacht in der Potsdamer Straße als Präsentation künstlerischer Aktivitäten im gesamten Bereich der Potsdamer Straße statt. ([2])
[Bearbeiten] Literatur
- Benedikt Härlin, Michael Sontheimer: Potsdamer Straße. Sittenbilder und Geschichten, Rotbuch Verlag, Berlin 1983, ISBN 3-88022274-6
- Sibylle Nägele, Joy Markert: Die Potsdamer Straße. Geschichten, Mythen und Metamorphosen. Metropol-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-93641178-6
- Karl Voß: Reiseführer für Literaturfreunde Berlin. Vom Alex bis zum Kudamm. Ullstein-Verl. Frankfurt a.M., Berlin, Wien 1980. ISBN 3-54804069-1
- Birgit Wetzig-Zalkin: Marlene Dietrich in Berlin. Wege und Orte. Edition Gauglitz, Berlin 2005, ISBN 3-933502-22-5
Koordinaten: 52° 30' 2,72" N, 13° 21' 49,11" O