Psyche
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Psyche (v. griech.: ψυχή = Seele, Hauch, Atem, Schmetterling, in veraltetem deutschen Gebrauch das Gemüt, mhd. gemüete, gemuot ) bezeichnet das System menschlichen Wahrnehmens und Denkens, also das, worin die affektiven und rationalen Motive des Verhaltens und Handelns gründen.
Das Gefühlsleben wird im altgriechischen Sinn als thymos von der antiken Vorstellung der Seele, psyche, unterschieden.
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[Bearbeiten] Mythologie
Psyche ist in der griechischen Mythologie der Name jenes Seelenvogels mit Schmetterlingsflügeln, der als die Personifikation der menschlichen Seele gilt. Das Märchen Amor und Psyche des römischen Dichters Apuleius beschreibt ihre Liebesbeziehung mit Amor.
[Bearbeiten] Allgemein
Unter Psyche wird ein Wirklichkeitsphänomen bezeichnet, das Lebewesen zu bewusstseinsfähigen Lebewesen macht (nicht zu Lebewesen, wie in der Griechischen Philosophie gedacht). Auch Tiere haben eine Psyche: eine Affekt-, Gefühls- und Wahrnehmungswelt. Bei Menschen kommt in der Psyche eine Wirklichkeitsstufe vor, die Tiere nicht haben, und die der Grund dafür ist, dass man Menschen für ihre Taten verantwortlich macht und Tiere nicht.
In der Psyche als dem Grund unseres Wahrnehmens, Träumens und Denkens gibt es bewusst rationale als auch emotionale Inhalte als Motive von Handlungen. Vegetative Körperfunktionen (Atmung, Herzschlag, Verdauung), also somatische Teile unserer Person, stehen zwar im Zusammenhang mit der Psyche (Psychosomatik), aber theoretisch ist es sinnvoll, diese Personen-Bereiche zu unterscheiden und somit begrifflich zu trennen. Instinktive Reflexe, Triebe und bestimmte Bedürfnisse gehören aber zur Psyche, die man ihrem unbewussten Bereich zuschreibt, der jedoch mehr oder weniger bewusst gemacht und kontrolliert werden kann.
Rein sensorische Funktionen unseres Körpers, wie z. B. Informationswahrnehmung durch die Netzhaut des Auges, sind keine psychischen Prozesse; erst die Auswahl eines bestimmten Sehbereiches ist wieder ein psychischer Akt. Da Signale im Körper über das Nervensystem und über Hormone übertragen werden, ist ein intakter Körper Grundlage einer funktionierenden Psyche. Nach wissenschaftlicher Auffassung sind psychische Aktivitäten nach dem Tod nicht mehr möglich.
Der Begriff Psyche ist eng verwandt mit den Begriffen Seele oder Geist. Er fasst auch all das zusammen, womit sich die Psychologie und die Tiefenpsychologie beschäftigen. Mit den Krankheiten der Psyche und deren Heilung beschäftigen sich die Psychiatrie, die Psychotherapie und die Psychoanalyse. Das Eigenschaftswort psychisch ist mit den deutschen Worten seelisch und geistig fast gleichgesetzt und hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch gegenüber seelisch durchgesetzt. Der Begriff Seele wird oft im theologischen Sinne verwendet. Psychisch heißt hier das seelische Erleben und den seelischen Zustand betreffend. Im Gegensatz dazu stehen die Wörter physisch oder somatisch (körperlich). Beide Ausdrücke (seelisch und körperlich) vereint der Begriff psychosomatisch.
Seit Computer allgegenwärtig sind, wird die Psyche gerne mit dem Betriebssystem verglichen. Diese Vorstellung geht auf die im Zeitalter der Wissenschaft aufgekommene Frage, wie sich denn ein organisch aufgebauter Mensch von einer physikalischen Maschine unterscheide, zurück. Die mechanistische Sichtweise, wie sie etwa von Thomas Hobbes vertreten wurde, degradierte den Menschen nach Ansicht mancher Wissenschaftler zum deterministischen Automaten. René Descartes versuchte, den Freien Willen des Menschen mit Hilfe eines dualistischen Zugangs sicherzustellen: Im Menschen wohne ein vom Körper separater Geist, der auch als "Geist in der Maschine" bezeichnet wird. Nach diesem Verständnis steuert dieser Geist (Seele, Psyche) den Körper und kann das Gehirn nach eigenem Willen gestalten. Die Psyche wird damit Sitz des menschlichen Willens und der menschlichen Verantwortung. Je nach Weltbild ist die Psyche völlig autonom (in vielen Religionen) oder von genetischen Grundlagen und der Umwelt geprägt. (siehe auch: Leib-Seele-Problem)
[Bearbeiten] Psyche nach Freud
Allen unseren Handlungen liegen Motive aus unserer Psyche zu Grunde. "Motive" bezeichnet Antriebsgründe und Beweggründe, die unseren Handlungen psychisch letztlich zugrunde liegen. "Psyche" bezeichnet das System, in dem Wahrnehmen und Denken gründen, also das, worin die affektiven und rationalen Motive unserer Handlungen gründen. "System" (Organismus) bezeichnet ein Gebilde, dessen wesentliche Elemente (Teile) so aufeinander bezogen sind, dass sie eine Einheit (ein Ganzes) abgeben. Systeme organisieren und erhalten sich durch Strukturen. >Struktur< bezeichnet das Muster (Form) der Systemelemente und ihrer Beziehungsgeflechte, durch die ein System funktioniert (entsteht und sich erhält). Die Motive unserer Handlungen können gemäß der freudianischen Theorie in drei prinzipiell unterscheidbaren Strukturen wurzeln: in Es, Über-Ich und Ich.
"Es" bezeichnet jene psychische Struktur, in der die
- Triebe (z.B. Nahrungstrieb, Sexualtrieb),
- Bedürfnisse (z.B. Geltungsbedürfnis, Angenommenseinsbedürfnis)
- und Affekte (Neid, Hass, Vertrauen, Liebe) gründen.
Die Triebe, Bedürfnisse und Affekte sind auch psychische Muster (psychische „Organe“), mittels derer wir weitgehend unwillentlich bzw. unbewusst wahrnehmen und die das menschliche Handeln leiten.
"Über-Ich" bezeichnet jene psychische Struktur, in der die aus der erzieherischen Umwelt verinnerlichten Handlungsnormen, Ich-Ideale, Rollen und Weltbilder gründen.
"Ich" bezeichnet jene psychische Strukturinstanz, die mittels des selbstkritischen Denkens und mittels kritisch-rational gesicherter Normen, Werte und Weltbild-Elementen realitätsgerecht vermittelt "zwischen den Ansprüchen des Es, des Überich und der sozialen Umwelt mit dem Ziel, psychische und soziale Konflikte konstruktiv aufzulösen (= zum Verschwinden zu bringen)." (Rupert Lay, Vom Sinn des Lebens, 212)
Nach den ersten Lebensmonaten erfährt ein Neugeborenes immer deutlicher, dass es von Dingen und anderen Menschen unterschieden ist. Es entwickelt ein erstes Bewusstsein von den eigenen Körpergrenzen und Selbstgefühlen. "In den folgenden vier Lebensjahren lernt ein Kind (vorsprachlich und deshalb auch unbewusst) die Fragen zu beantworten: 'Wer bin ich?' - 'Was kann ich?' und somit sein Selbstbewusstsein auch inhaltlich zu füllen." (Rupert Lay, Ethik für Wirtschaft und Politik, 68) Um das Es herum wird also eine Zone aufgebaut, die man als >frühes Ich< bezeichnen kann. Das frühe Ich, das sich wie eine Hülle um das Es legt, wird somit von den frühen Körperrepräsentanzen und den frühen Selbstrepräsentanzen gebildet. Die frühen Körperrepräsentanzen sind die kindlich grundgelegten Bewusstseins- und Gefühlsinhalte über Körperbereiche. Zu den frühen Selbstrepräsentanzen zählen die kindlich grundgelegten Bewusstseins- und Gefühlsinhalte bezüglich der eigenen Person. Sie bestimmen den Sozialcharakter und all unsere später erworbenen Selbstvorstellungen (wer wir sind, was wir fürchten und erhoffen, was wir uns zutrauen...) auf unterschiedliche Weise mit.
Zum frühen Ich zählte Freud auch den sozialisationsgebildeten Charakter eines Menschen: die bewusstseinsfähigen Emotionen und Bedürfnisse, die in Art und Intensität aus den Grundtrieben des Es durch den Sozialisationsprozess geformt worden sind. Dabei bezeichnete Freud die sozialisationsgeformten Emotionen und Bedürfnisse als >Triebabkömmlinge des Es im Ich<. Das Es mit seinen angeborenen Triebimpulsen wird hier mit einem Baumstamm verglichen, aus dem das frühe Ich als Krone herauswächst. Deswegen nennt Freud diesen Teil des Ichs ein Produkt des Es: er ist aus dem Material des Es (Grundtrieben) entwickelt worden. Man sollte die Emotionen und Bedürfnisse aber unter das Es subsumieren, weil dies begrifflich klarer und weniger verwirrend ist. Man ist vielleicht verführt, die Emotionen und Bedürfnisse zum Ich zu zählen, weil man alles Bewusste mit dem Ich gleichsetzen möchte und die Emotionen und Bedürfnisse ja bewusst werden können. Aber nicht alles Bewusste gehört zum Ich, denn Überichinhalte können bewusst werden. Und nicht alles Unbewusste gehört zum Es, wie die Überichinhalte zeigen. Bei allen drei psychischen Strukturen gibt es Bewusstes, Unbewusstes und Vorbewusstes ( = was bewusst gelernt wurde, aber zu einem unbewussten Habitus wurde wie Autofahren, Fremdsprache...). Zum Beispiel kann ein durch Ich-Einsatz bewusst eingeübtes Handeln automatisiert werden und damit vorbewusst sein. Und was man bewusst erlebt hat, kann im Gedächtnis versinken, es kann vergessen werden und damit unbewusst sein, aber auch wiedererinnert werden.
Zu den Elementen des Ichs zählt man zuallererst die Bewusstseinsleistungen des Wahrnehmens, des Denkens und des Gedächtnisses, weil sie dem Ich helfen, seiner spezifischen Aufgabe gerecht zu werden, nämlich realitätsgerecht (konfliktauflösend) zwischen den Ansprüchen aus dem Es, dem Über-Ich und dem Sozial-Außen zu vermitteln, also um psychische und soziale Konflikte konstruktiv zu lösen. Ein Kriterium dafür, ob das Ich realitätsdicht oder realitätsfern an der Entfaltung des Lebens orientiert ist, ist das Freisein von destruktiven Sozial- und Individualkonflikten über längere Zeit und die Fähigkeit des Ich, Konflikte konstruktiv lösen zu können. Weil nur das Ich realitätsgerechtes Handeln zu sichern vermag, heißt das, dass nur das Ich ein wahrhaft menschliches Handeln zu sichern vermag. Diese Teile der Psyche sind keine Produkte des Es wie die Emotionen und Bedürfnisse, weil diese nicht aus dem Es hervorgehen durch den (An)Passungskonflikt zwischen Trieben und sozialisierender Umwelt, sondern weil sie ihre eigene, davon abgehobene spezifische Entwicklung durchlaufen.
[Bearbeiten] Psyche in der Systemtheorie
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Arbeitsvorschlag
Neue Ansätze in der Systemtheorie betrachten Psyche als ein autopoietisches System. Autopoiese heißt ‚selbst-machen’: selbsterzeugend, selbsterhaltend, selbstorganisierend. Angeregt wurde dieser systemische Ansatz durch die Biologen Umberto Maturana und Francisco Varela mit ihrem biologischen Konstruktivismus, der erkenntnistheoretisch in den so genannten "radikalen Konstruktivismus" überführt und dann in ein Modell der Psyche übertragen wurde. Einige Vertreter: Paul Watzlawick, Ernst von Glasersfeld, Heinz von Foerster
Seit Mitte der 80er Jahre erfahren systemische Theorien auch in der Psychologie große Umwandlungen und setzen sich zunehmend erfolgreich durch. Parallelen zu systemischer Betrachtung der Psyche findet man bei: Don Beck, Ken Wilber, Uspenski, Maslow,Depping (Lotrontheorie°) u.v.a.
[Bearbeiten] Literatur
- Aristoteles: Über die Seele. griechisch – deutsch, mit Einleitung, Übersetzung (nach W. Theiler) und Kommentar hrsg. von Horst Seidl, Griech. Text in der Ed. von Wilhelm Biehl und Otto Apelt, Hamburg 1995
- Alfons Lehmen: Lehrbuch der Philosophie auf aristotelisch-scholastischer Grundlage. Band I: Logik, Kritik, Ontologie, sechste verbesserte Auflage, 1923; Band II: Kosmologie (II.1, d.h. erster Teil), fünfte, verbesserte und vermehrte Auflage 1920 und Psychologie (II.2, d.h. zweiter Teil), fünfte, verbesserte und vermehrte Auflage 1921; Band III: Theodizee, fünfte, verbesserte Auflage, 1923; Band IV: Moralphilosophie, dritte, verbesserte und vermehrte Auflage, 1919, Freiburg im Breisgau
- Arno Ros: Materie und Geist. Eine philosophische Untersuchung. Paderborn: Mentis, 2005.
- Amarque, Tom: Die Evolution der Psyche [1], ISBN 393332193X, Phänomen Verlag [2] 2006
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.gpwp.de/ Gesellschaft für Philosophie und Wissenschaften der Psyche
- http://en.wikipedia.org/wiki/Egyptian_soul (wie die "ägyptischen Seelen" schließlich auf "eine Seele" (psyche) reduziert wurden)