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Vertrauen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Definition für den Begriff Vertrauen ist in den verschiedenen Wissenschaften teilweise sehr unterschiedlich. Umgangssprachlich wird damit meist der individuelle Glaube an die positive Entwicklung von Ereignissen verstanden, meist im zwischenmenschlich-interaktiven Bereich, gebunden an die eigenen Wertvorstellungen und Erfahrungen. Des Weiteren kann der Begriff des Vertrauens im Hinblick auf seine Zielbestimmung aus systemtheoretischer Sicht definiert werden: Vertrauen ist danach (vgl. Niklas Luhmann) ein „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“. Dort wo die rationale Abwägung von Informationen (aufgrund unüberschaubarer Komplexität, wegen Zeitmangels zur Auswertung oder des gänzlichen Fehlens von Informationen überhaupt) nicht möglich ist, befähigt Vertrauen dennoch zu einer auf Intuition gestützten Entscheidung (siehe hierzu auch Verwandte Gebiete, unten).

Umgangssprachlich wird Misstrauen oft als das Gegenteil von Vertrauen angesehen, was wissenschaftlich jedoch umstritten ist.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Etymologie

Vertrauen ist als Wort seit dem 16. Jahrhundert bekannt (althochdeutsch: "fertruen", mittelhochdeutsch: "vertruwen") und geht auf das gotische "trauan" zurück. Das Wort "trauen" gehört zu der Wortgruppe um "treu" = "stark", "fest", "dick".

[Bearbeiten] Charakteristik

Peter R. Scholtes[1] (1998) stellt Vertrauen (Zuneigung, Respekt und Mißtrauen) als subjektive Bewertung von zwei Faktoren in einem zweidimensionalen Modell dar.

Vertrauen, Respekt,
Zuneigung und Misstrauen
Tauglichkeit:

Das Maß, inwieweit ich den anderen für kompetent und fähig halte.

Niedrig Hoch
Wohlwollen

Das Maß,
inwieweit ich
glaube, dass
Du mich magst
und mich in
Zukunft
unterstützt





hoch
(Zuneigung)
Vertrauen
niedrig
Misstrauen
(Respekt)


Die Dimensionen sind Wohlwollen (hoch/niedrig) und Tauglichkeit (hoch/niedrig) und beruhen auf der Bewertung eines Menschen bezüglich eines anderen, einer Situation oder einer Sache. So kann nach dieser Darstellung kein Vertrauen entstehen, wenn der Beurteiler eine andere Person zwar für sachlich kompetent hält, aber dessen Interesse den Beurteiler in Zukunft zu unterstützen als niedrig bewertet wird. Diese Bewertung würde zu Respekt führen.

Über dieses einfache Schema hinaus definiert Warren Bennis[2] in einer Zusammenfassung über seine Arbeit, dass Vertrauen heute die klassischen Arbeitsbeziehungen ablöst. Das bedeutet, dass bei sinkender Jobsicherheit talentierte Menschen nur dann bei ihrem Arbeitgeber bleiben werden, wenn ein beidseitiges Vertrauensverhältnis herrscht; wo dieses Vertrauen zum Klebstoff der Organisation wird. Dieses Vertrauen - ob beruflich, in Partnerschaften, Freundschaften oder Organisationen - basiert seiner Meinung nach auf fünf Faktoren:

Kompetenz competence Fähigkeit, Fertigkeit; vergleichbar mit der Tauglichkeit im Scholtes-Modell (s.o.)
Konstanz constancy wiederholtes und langfristiges Zeigen des gleichen Vertrauen erweckenden Verhaltens
Fürsorge caring Mitgefühl, Empathie, aktives Einsetzen für den anderen
Aufrichtigkeit candor Ehrliches, offenes Auftreten, Kritikfähigkeit einschließlich der damit verbundenen Verhaltensweisen, "ins Auge sehen", "ein offenes Ohr haben", "klare Worte sprechen"
Kongruenz congruity Authentizität, „mit sich selbst im Einklang sein“, im Gegensatz zu „falsch“ oder „hinterrücks“ zu erscheinen

Für Bennis sind dies die Charaktereigenschaften, die ein Mensch gebündelt aufweisen muss, um in anderen Vertrauen erwecken zu können. Somit ist Vertrauen nicht ein Zustand, sondern ein Prozess, der ständiger Erneuerung bedarf, aber eben auch ein erlernbarer Prozess, der sich aus der Entwicklung der o.g. Einzelfaktoren verstärken lässt.

[Bearbeiten] Beispiele

[Bearbeiten] Verwandte Gebiete

  • In den Wirtschaftswissenschaften gibt es erst seit der Revidierung des Homo oeconomicus Axioms Platz für ein Konstrukt wie Vertrauen. Besonders die Ökonomie beschäftigt sich seit den 80er Jahren intensiv mit dem Thema (wichtige Autoren: Oliver E. Williamson (1993), Tanja Ripperger (1998), Michael Platzköster (1990)), aber auch die Betriebswirtschaft spart nicht mit Veröffentlichung (besonders im Bereich des Organizational Behaviour, z. B. Bart Noteboom/Frederique Six (2003), Roderick Kramer/Tom Tyler (1996), Roderick Kramer (2005), oder Guido Möllering (2006)). Jedoch gibt es Uneinheitlichkeiten bei den Definitionen, den Begriffsverwendungen, den verwandten Konstrukten und den implizierten Mechanismen, was eine Vertrauenstheorie in den Wirtschaftswissenschaften verhindert. (siehe Vertrauen (Wirtschaft))
  • Besondere Bedeutung kommt dem Konstrukt "Vertrauen" auch im Rahmen des Marketing zu. So spielen bei produktpolitischen Entscheidungen die Vertrauenseigenschaften eine große Rolle, bei der Preisfindung wiederum das Preisvertrauen (Erwartung, dass ein Unternehmen den Preis ausschließlich eigennützig festlegt). In der Distributionspolitik entscheidet das Vertrauen in die Absatzwege über den Erfolg eines Produktes (bspw. Vertrauen in neue Medien oder den Handel von Waren über das Internet (siehe z.B. Peter Ludwig (2005)), und die Kommunikationspolitik muss sich mit einem geringen Vertrauen in die Aussagen der Werbung auseinandersetzen. Entscheidend ist Vertrauen schließlich auch im Markenmanagement: Dort spricht man von Markenvertrauen als einer der wesentlichen Einflussgrößen der Kundenloyalität bzw. Markentreue. Hierzu liegen bereits einschlägige empirische Studien vor (siehe Weblinks).
  • In der Soziologie wird Vertrauen zum einen als „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“ (Niklas Luhmann) bezeichnet. Siehe auch: "International Sociology", Jg. 20, H. 3 (Sonderheft The trust-control nexus in organizational relations), Sept. 2005. Zum anderen wird es als Soziales Vertrauen als Ergebnis von Sozialkapital untersucht (siehe Putnam, Bowling Alone]. Möllering (2006) gibt einen Überblick über die verschiedenen Theorieströmungen und identifiziert - in Anlehnung an Georg Simmel - das Aufheben von Ungewissheit als das Kernproblem des Vertrauens.
  • In der Politikwissenschaft ist vor allem das als Institutionenvertrauen bezeichnete Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeit von Institutionen, Kontrolle über Ressourcen, Handlungen und Ereignisse im Sinne der Bevölkerung auszuüben, wichtig.
  • In der Verwaltungswissenschaft werden Möglichkeiten zum Auf- bzw. Ausbau des Vertrauens nach Ethikeklats und Korruptionsfällen diskutiert (Verwaltungsethik).
  • In der Entwicklungspsychologie spricht man vom Urvertrauen.
  • Im (öffentlichen und privaten) Recht wird „Vertrauen“ als schützenswertes Rechtsgut behandelt.
  • In der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Zuverlässigkeitstheorie spricht man vom Vertrauensbereich, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis in diesen Bereich fällt, größer ist, als die Irrtumswahrscheinlichkeit.
  • In der Biochemie wird das Hormon Oxytocin für die Vertrauensbildung verantwortlich gemacht.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Hans H. Bauer, Marcus M. Neumann, Anja Schüle: Konsumentenvertrauen - Konzepte und Anwendungen für ein nachhaltiges Kundenbindungsmanagement. Vahlen, München 2006, ISBN 3-8006-3317-5 (Online-Information zum Buch)
  • Joachim Dettmann, Michael Holewa: Vertrauen oder das Wunder der Loyalität. transfer-project, Berlin 2006
  • Martin Endress: Vertrauen. Transcript, Bielefeld 2002, ISBN 3933127785
  • Heiner Fuhrmann: Vertrauen im Electronic Commerce. Baden-Baden 2001, ISBN 378907571X
  • Francis Fukuyama: Trust. Human Nature and the Reconstitution of Social Order. Free Press, 1996, ISBN 0684825252
  • Martin Hartmann, Claus Offe: Vertrauen. Die Grundlage des sozialen Zusammenhalts. Campus, 2001, ISBN 3593367351
  • Gertrud Höhler: Warum Vertrauen siegt. München 2003
  • Peter Ludwig: Vertrauen beim Online-Shopping, Pabst: Lengerich u.a., 2005 ISBN 3899672305
  • Niklas Luhmann: Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. UTB, Stuttgart 2000, ISBN 3825221857
  • Hans Maier: Vertrauen als politische Kategorie. (= Augsburger Universitätsreden; 12). Universität Augsburg, Augsburg 1988 (Digitalisat)
  • Bernd H. Keßler: Vertrauen und Misstrauen in der Psychotherapie. Zeitschrift für Sozialmanagement, 2006, 4, 155-168
  • Bernd Markert: Was kostet ein Pfund Ehrlichkeit? (Vertrauen vor Vertrag)
  • Guido Möllering: Trust: Reason, Routine, Reflexivity. Elsevier, Oxford 2006, ISBN 0080448550
  • Stefan Müller, Stefan Wünschmann: Markenvertrauen. Aktueller Stand der Forschung und empirische Untersuchung am Beispiel der Automobilbranche (= Arbeitspapier der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Dresden, Nr. 91/04). Dresden 1991
  • Robert D. Putnam: Bowling Alone. The Collapse and Revival of American Community. Simon and Schuster, New York 2000, ISBN 0-74320304-6

[Bearbeiten] Quellen

  1. Peter Scholtes: The Leader's Handbook. Making Things Happen - Getting Things Done. McGraw Hill, 1998
  2. http://www.pfdf.org/leaderbooks/l2l/spring99/bennis.html

[Bearbeiten] Weblinks

wikt:
Wiktionary
Wiktionary: Vertrauen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen
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