Satz von Picard-Lindelöf
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Der Satz von Picard-Lindelöf ist in der Mathematik, neben dem Satz von Peano, der grundlegende Satz der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen. Er wurde erstmals 1890 von Ernst Leonard Lindelöf in einem Artikel zur Lösbarkeit von Differentialgleichungen aufgestellt. Um die gleiche Zeit beschäftigte sich auch Charles Émile Picard mit der schrittweisen Approximation von Lösungen. Diese Picard-Iteration, eine Fixpunktiteration im Sinne des Banachschen Fixpunktsatzes, ist der Kern moderner Beweise dieses Satzes.
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[Bearbeiten] Problemstellung
Gegeben sei eine Differentialgleichung y'(x) = F(x,y(x)) auf einem Intervall [a,b]. Gesucht sind stetig differenzierbare Funktionen , welche die aus dieser Gleichung folgenden Bedingungen an Funktionswert und Wert der Ableitung in jedem Punkt x aus [a,b] erfüllen. Der Graph einer solchen Lösungsfunktion ist eine Kurve im Streifen
. Die Frage, die von diesem Satz beantwortet wird, lautet: Unter welchen Bedingungen kann zu jedem Punkt des Streifens genau eine Lösungsfunktion angegeben werden, deren Graph diesen Punkt enthält? D.h. füllen die Lösungskurven den Streifen voll aus und kann garantiert werden, dass sich keine zwei dieser Kurven schneiden?
Das Problem lässt sich auf die allgemeine und eindeutige Lösbarkeit des Anfangswertproblems erster Ordnung dieser Differentialgleichung zurückführen. Dazu sind an die die Differentialgleichung bestimmende Funktion F Regularitätsbedingungen zu stellen. Außerdem wird der Satz gleich für Systeme von Differentialgleichungen formuliert, da der einzige formale Unterschied im Ersetzen der einfachen Betragsstriche durch die doppelten Striche einer Norm im mehrdimensionalen Spaltenvektorraum besteht.
[Bearbeiten] Satz
Es sei , eine stetige Funktion, welche eine Lipschitz-Bedingung bzgl. y erfüllt. Diese besagt: Es gibt eine Konstante L > 0, so dass für jedes
gilt:
Wobei unter der L-Lipschitzkonstante die betragsgrößte Steigung auf dem Intervall [a,b] zu verstehen ist.
Dann gibt es zu jedem eine differenzierbare Funktion
, welche das Anfangswertproblem
und
eindeutig löst.
[Bearbeiten] Beweis
[Bearbeiten] Beweisskizze
Zum Beweis wird ein Integraloperator T benutzt, welcher stetige Funktionen über dem Intervall [a,b] in stetige Funktionen über demselben Intervall abbildet. Dieser ist definiert durch
wobei
.
Damit dieser Operator im Sinne des Banachschen Fixpunktsatzes kontraktiv ist, wird eine spezielle Norm auf dem Raum der stetigen Funktionen definiert, eine gewichtete Supremumsnorm
.
Mit dieser sind die Voraussetzungen des Fixpunktsatzes von Banach erfüllt, der somit die Existenz und Eindeutigkeit liefert. Die in letzterem gegebene iterative Vorschrift zur Konstruktion des Fixpunktes wird Picard-Iteration genannt:
.
[Bearbeiten] Eindeutigkeitsbeweis
Es seien Lösungen der Differentialgleichung und
die Menge der Punkte
mit y1(t) = y2(t). Aufgrund der Stetigkeit ist
abgeschlossen. Nun sei
und
eine Umgebung von (t0,y1(t0)), in der f Lipschitz-stetig bezüglich x mit der Konstanten L ist. Durch ψ: = y2 − y1 und ψ(t0) = 0 folgt für alle
, dass
wegen Integraldarstellung der Differentialgleichung. Nach dem Gronwall-Lemma folgt ψ = 0 in , so dass
auch offen sein muss. Dies liefert schließlich
, da
nicht leer ist und I zusammenhängt.
[Bearbeiten] Weblinks
Lindelöf-Biographie und Picard-Biographie im St.-Andrews-Archiv.