Existenzsatz von Peano
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Der Existenzsatz von Peano ist eine mathematische Aussage aus der Theorie der gewöhnlichen Differenzialgleichungen. Er gibt eine einfache Voraussetzung an, unter der das Anfangswertproblem lösbar ist. Der Satz wurde 1886 vom Mathematiker Giuseppe Peano veröffentlicht.
Gegenüber dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz von Picard-Lindelöf besitzt der Existenzsatz von Peano den Vorteil, dass er schwächere Voraussetzungen besitzt.
[Bearbeiten] Satz
Ist f(x,y) eine, auf einem Gebiet stetige Funktion, dann existiert für das Anfangswertproblem
- y'(x) = f(x,y)
- y(x0) = y0
mit mindestens eine lokale Lösung
und die Lösung lässt sich bis zum Rand von G fortsetzen. Dabei sind unter „Rand“ auch im Unendlichen liegende Bestandteile der Grenze von G zu verstehen, z.B. lautet die Aussage für
: Entweder lässt sich die Lösung bis b fortsetzen, oder die Lösung wächst innerhalb des Intervalls über alle Schranken.
[Bearbeiten] Beweisskizze
Dieser Satz wird in zwei Teilen bewiesen. Zuerst wird die lokale Lösbarkeit gezeigt, d.h. die Existenz einer Lösung auf einem Intervall [x0,x0 + d] mit beschränkten Werten. Dann werden die lokalen Aussagen zu einer globalen Aussage zusammengefasst, indem der Endpunkt des einen Intervalls zum Anfangspunkt des nächsten Intervalls gemacht wird. Gibt es eine gemeinsame Schranke für die Norm der Werte der Lösung, die für alle Intervalle gültig ist, so kann die Lösung bis zum „seitlichen“ Rand von G fortgesetzt werden. Ist dies nicht der Fall, so gibt es für jede Schranke N ein Intervall, auf welchem diese überschritten wird. Die Reihe der Intervalllängen konvergiert, am Grenzwert verlässt die Lösung die Menge G im Unendlichen.
Der Beweis verwendet den Satz von Arzelà-Ascoli, um aus einer Folge von Approximationen eine Teilfolge auszuwählen, welche gegen eine Lösung des Anfangswertproblems konvergiert. Um die Voraussetzungen des verwendeten Satzes zu erfüllen, muss die konstruierte Folge in einer gleichgradig stetigen Funktionenfamilie enthalten sein. Jede Menge von Funktionen, die lipschitz-stetig mit einer endlichen Schranke der Lipschitz-Konstanten ist, erfüllt dieses Kriterium.
Seien zwei positive reelle Zahlen D und R beliebig vorgegeben und sei die zylindrische Menge, welche das kartesische Produkt aus einem den Anfangspunkt enthaltenden Intervall und einer Kugel um den Anfangswert ist. Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß existiert für die stetige Funktion f auf der kompakten Menge Z eine Schranke M.
Wir betrachten nun die Familie F derjenigen Funktionen , die Lipschitz-stetig mit Lipschitz-Kontante kleiner M sind und die durch den Anfangspunkt verlaufen, d.h. f(x0) = y0. Diese erfüllt die Bedingung der gleichgradigen Stetigkeit, jedoch kann der Graph solcher Funktionen die Umgebung Z verlassen, wenn MD>R gilt. Sei also d:=min(D,R/M) und seien die Funktionen aus F auf das kleinere Intervall eingeschränkt.
Zur Existenz: Wir können nun mittels des Eulerschen Polygonzugverfahrens für jede natürliche Zahl n und Schrittweiten hn: = d / n eine stückweise lineare Funktion gn konstruieren, welche die Punkte mit
- yn,0: = y0 und yn,k + 1: = yn,k + hnf(khn,yn,k)
zu einem Funktionsgraphen verbindet. Jede dieser Funktionen ist in der Familie F enthalten, es gibt also eine konvergente Teilfolge der so gebildeten Funktionenfolge. Da f stetig ist, konvergieren auch die Ableitungen, die Grenzfunktion ist differenzierbar und erfüllt die Differentialgleichung.
Zur Eindeutigkeit: Es kann verschiedene Teilfolgen geben, die verschiedene Lösungen der Differenzialgleichung als Grenzwert haben. Des Weiteren kann man im Eulerschen Polygonzugverfahren in jedem Schritt eine Störung anbringen, welche proportional zum Quadrat der Schrittweite ist. Auch in diesem Fall ergeben sich konvergente Teilfolgen, die eine Lösung der Differentialgleichung zum Grenzwert haben, die aber von den ursprünglich konstruierten Lösungen abweichen können. Ist wie im Satz von Picard-Lindelöf eine Lipschitz-Bedingung erfüllt, so folgt nach dem Gronwall-Lemma, dass alle Konstruktionen dieselbe Lösung ergeben.
Die andere Richtung: Man kann die Richtung der Differentialgleichung und damit der Polygonzugkonstruktion umkehren und erhält Lösungen auf einem Intervall . Die Lösungen links und rechts vom Anfangspunkt können beliebig kombiniert werden, jede Kombination ergibt eine Lösung des Anfangswertproblems auf dem Intervall
.