Sozialistischer Deutscher Studentenbund
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Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) – gegründet 1946, aufgelöst 1970 – war ein politischer Studentenverband in der früheren Bundesrepublik und West-Berlin. Anfangs der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) nahestehend, wurde er nach der erzwungenen Trennung von der Mutterpartei zum Sammelbecken der Neuen Linken und spielte eine bedeutende Rolle in der Studentenbewegung der 1960er Jahre.
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[Bearbeiten] Geschichte
Der SDS wurde am 2. September 1946 in Hamburg als parteiunabhängiger, gleichwohl der SPD nahestehender Studentenverband gegründet. Die Nähe zur Partei nahm in den ersten Jahren noch zu, als unter dem damaligen Bundesvorsitzenden Helmut Schmidt sowie auf Druck der Parteiführung unter Kurt Schumacher zahlreiche Kommunisten aus dem Verband ausgeschlossen wurden. Da in den Nachkriegsjahren zudem viele ehemalige Soldaten und auch Offiziere im SDS aktiv waren, hatte er in Teilen der „Facharbeiter-SPD“ alsbald den Ruf eines „linken Offiziersklubs“.
Ab Mitte der 1950er Jahre traten zunehmend Spannungen zwischen SDS und SPD auf, die sich an der Frage der Wiederbewaffnung, der Anti-Atomtod-Bewegung sowie vor allem am Godesberger Programm der SPD entzündeten. Eine aus Mitarbeitern der Zeitschrift „konkret“ bestehende Fraktion um Ulrike Meinhof und den Bundesvorsitzenden Oswald Hüller versuchte, den SDS durch einseitige Kritik an der Aufrüstungspolitik des Westens auf eine DDR-freundliche Linie zu bringen. Am 3. Juni 1959 wurde Oswald Hüller vom SDS-Bundesvorstand abgesetzt und ein Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber Mitarbeitern der Zeitschrift „konkret“ gefasst. Diese wurden vom neuen Bundesvorstand (Günter Kallauch, Jürgen Seifert) rigoros aus dem SDS ausgeschlossen, die „konkret“-Fraktion dadurch entmachtet. Dennoch fasste die SPD-Führung schließlich 1961 einen Unvereinbarkeitsbeschluss, der SDS-Mitglieder und -Sympathisanten aus der Partei ausschloss. Bereits im Jahr zuvor hatte sich der Sozialdemokratische Hochschulbund (SHB) als parteitreue Abspaltung gebildet, der sich jedoch später im Zuge der Studentenbewegung ebenfalls radikalisierte (siehe dort).
Der SDS wurde nach der unfreiwilligen Trennung von der Mutterpartei in den sechziger Jahren zunehmend zum Sammelbecken der Neuen Linken. Anfang 1965 traten Rudi Dutschke, Dieter Kunzelmann und Bernd Rabehl aus dem Umkreis der späteren Kommune 1 in den Berliner SDS ein und gewannen dort alsbald erheblichen Einfluss, vor allem in „Projektgruppen“ über sozialistischen Internationalismus und die Dritte Welt. Bereits am 28. Februar 1965 wurde Rudi Dutschke in den Politischen Beirat des Berliner SDS gewählt. Unter ihrer Führung wandelte sich der SDS zu einer antiautoritären, undogmatisch-linken Organisation mit teilweise anarchistischen Zügen, die mit Kritik am real-existierenden Sozialismus nicht hinterm Berg hielt. Dem Bericht eines Stasi-Spitzels im SDS zufolge soll Dutschke etwa immer nur vom „Scheiß-Sozialismus“ der DDR gesprochen haben. Ein orthodoxer Flügel, der weiterhin für enge Zusammenarbeit mit Ost-Berlin eintrat, blieb zwar erhalten, konnte sich aber gegen die antiautoritäre Fraktion nicht durchsetzen. Deshalb wurde im November 1966 unter anderem von Horst Mahler die aus DDR-nahen Linken bestehende "November-Gesellschaft" gegründet, aus der 1967 die "Republikanischen Clubs" hervorgingen.
In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre wurde der SDS als strategisch planende und taktisch operierende Kerntruppe der Außerparlamentarischen Opposition (APO)[1] gegen die Notstandsgesetze wahrgenommen. Er war später unter anderem an der Organisation der Anti-Schah-Demonstration beteiligt, bei der am 2. Juni 1967 der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde, was in der Folge bundesweite Studentenproteste auslöste. Auf deren Höhepunkt 1968 hatte der SDS mit bundesweit rund 2.500 Mitgliedern seine Hochphase, jedoch wurde er zunehmend von inneren Richtungskämpfen zerrissen. Die örtlichen Zentren der marxistischen Traditionalisten waren in Köln, Marburg und München. An der Kölner Universität waren unter den SDS-Mitgliedern die Juristen stark vertreten, in München gab es eine starke Gruppe an der Kunstakademie. Die Mitgliederzahl in Berlin betrug 1968 etwa 500, in Frankfurt 400. In diesen beiden Städten konzentrierte sich die antiautoritäre Fraktion des SDS, die von den Traditionalisten als „Anarcho-Syndikalisten“ und „kleinbürgerliche Abweichler“ beschimpft wurde. Ende 1969 schlossen sich einige SDS-Gruppen des orthodoxen Flügels zur Assoziation Marxistischer Studenten zusammen, aus der später der Marxistische Studentenbund Spartakus hervorging. Andere SDSler vornehmlich aus dem vormals antiautoritären Flügel schlossen sich später den entstehenden K-Gruppen an oder engagierten sich in den verschiedensten neuen sozialen Bewegungen.
Am 21. März 1970 wurde der SDS-Bundesverband schließlich auf einer „mehr oder weniger zufällig zusammengewürfelte(n) Versammlung im Frankfurter Studentenhaus“ per Akklamation aufgelöst. Nur vereinzelt arbeiteten danach noch örtliche SDS-Gruppen weiter, so zum Beispiel in Heidelberg bis zum Verbot der dortigen Gruppe am 24. Juni 1970, oder in Köln, wo noch im Sommersemester 1971 eine SDS-Liste zur Studentenparlamentswahl antrat.
Von 1960 bis 1970 gab der Bundesvorstand des SDS die „Neue Kritik - Zeitschrift für sozialistische Theorie und Politik“ heraus. 1968 waren es Wolfgang Abendroth, Hans-Jürgen Krahl, Herbert Lederer, Klaus Meschkat, Oskar Negt, Bernd Rabehl, Helmut Schauer, Klaus Vack, Frank Wolff, Karl Dietrich Wolff. Die Neue Kritik erschien im Abstand von zwei Monaten[2]. Die Zeitschrift befasste sich vornehmlich mit sozialistischer Theorie. Ihre Artikel spiegeln die unterschiedlichen Fraktionen und Strömungen des Studentenverbandes.
[Bearbeiten] Bekannte SDS-Mitglieder
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[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Claus Gennrich: Deutschlands Revolutionäre. Der SDS, Kerntruppe der Außerparlamentarischen Revolution, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. März 1968
- ↑ Neue Kritik Nr.48/49, August 1968, 9.Jahrgang
[Bearbeiten] Literatur
- Willy Albrecht: Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS): vom parteikonformen Studentenverband zum Repräsentanten der Neuen Linken, Bonn, Dietz Nachf. 1994
- Tilman Fichter, Siegward Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, Berlin, Rotbuch Verlag, 1977 (Neuauflage unter dem Titel „Macht und Ohnmacht der Studenten“, Rotbuch 1998)
- Hubertus Knabe, Die unterwanderte Republik. Stasi im Westen, Berlin Propyläen 1999 ISBN 3-549-05589-7
- Siegward Lönnendonker; Bernd Rabehl; Jochen Staadt, Die antiautoritäre Revolte : der Sozialistische Deutsche Studentenbund nach der Trennung von der SPD, Bd. 1: 1960 - 1967, Opladen : Westdeutscher Verlag, 2002
- Uwe Rohwedder: Helmut Schmidt und der SDS. Die Anfänge des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes nach dem Zweiten Weltkrieg, Bremen : Edition Temmen 2006, ISBN 3-86108-880-0
[Bearbeiten] Weblinks
- Tilman Fichter, Siegward Lönnendonker: Macht und Ohnmacht der Studenten. Kleine Geschichte des SDS. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund von 1946 bis zur Selbstauflösung. Rotbuch Verlag Berlin (Teilabdruck)
- Nationalisten waren wir nie!! Ehemalige 68er SDS-Mitglieder distanzieren sich von Horst Mahler und Bernd Rabehl
- SDS-Website: Gewalt und Antisemitismus. Dutschke, SDS, RAF und Tupamaros (zur Gewaltdebatte seit Veröffentlichungen über den SDS von Wolfgang Kraushaar)