Joscha Schmierer
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Joscha Schmierer (* 1. April 1942 in Stuttgart als Hans-Gerhart Schmierer) ist seit 1999 Mitarbeiter im Planungsstab des Auswärtigen Amts unter Bundesaußenminister Joschka Fischer sowie dessen Nachfolger Frank-Walter Steinmeier, dort u.a. zuständig für Grundsatzfragen der Europapolitik (Stand August 2006). Zuvor war er von 1973 bis 1983 Chef des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) und von 1983 bis 1999 Chefredakteur der dem Realo-Flügel der Grünen nahestehenden Zeitschrift Kommune. Forum für Politik, Ökonomie und Kultur. Als Publizist - z.B. in der taz, aber auch in bürgerlich-konservativ orientierten Zeitungen wie der Welt und der FAZ - wie auch als Referent der Denkfabrik des Außenministeriums hat er sich in den letzten Jahren mit einer dezidiert realpolitischen Position profiliert. So befürwortete er u.a. die westlichen Militäreinsätze im Irak 1991, Serbien/Kosovo (seit 1999) und Afghanistan (seit 2001), plädierte für eine pragmatische Zusammenarbeit der EU mit den USA aber auch mit Russland und äußerte während des Irakkriegs 2003 Verständnis für George W. Bushs Außenpolitik als "konsequente Weltinnenpolitik" und bezeichnete dessen "extensive Auslegung des Selbstverteidigungsrechts" als Konsequenz aus einem Versagen der Vereinten Nationen [1].
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[Bearbeiten] Schmierers Marsch durch die Institutionen: "Demokratie ist kein Deckchensticken"
Schmierers Werdegang ist - ähnlich wie der seines seinerzeitigen Vorgesetzten Joschka Fischer - beispielhaft für den vieler 68er, der auch als "Marsch durch die Institutionen" bezeichnet wird. Typisch ist dabei auch, dass Schmierers Abkehr von maoistischen Positionen in den 80er Jahren von früheren Mitstreitern als Verrat und Ausdruck von Karrierismus ausgelegt wird, aber zugleich von bürgerlichen Kritikern als Argument verwendet wird.
Schmierer war 1968 Mitglied im Bundesvorstand des SDS und 1973 Mitbegründer der bedeutendsten und größten deutschen K-Gruppe, des maoistischen Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW) und bis zu dessen Selbstauflösung 1985 seine unangefochtene Führungsfigur. Ab Mitte 1976 führte Schmierer wieder seinen eigentlichen Vornamen Hans-Gerhart - angeblich "weil's proletarischer klang" (FAZ vom 7. März 2001).
Der KBW richtete sich nicht nur gegen den westlichen Imperialismus, sondern auch gegen den "Sozialimperialismus" der Sowjetunion und sympathisierte daher mit antisowjetisch ausgerichteten kommunistischen Regimen wie den Roten Khmer in Kambodscha. Schmierer selbst reiste mit einer KBW-Delegation im Dezember 1978 zu einem Solidaritätsbesuch zu Diktator Pol Pot und sandte diesem auch nach Bekanntwerden des dortigen Terrors 1980 noch eine Grußbotschaft (siehe unten).
Schmierer plante eine Promotion bei dem konservativen Historiker Werner Conze, bewarf seinen Doktorvater jedoch 1969 bei einer Diskussionsveranstaltung in der Aula der Universität mit Eiern, weil dieser sich apologetisch zum Vorgehen der Wehrmacht in Osteuropa geäußert hatte, womit Schmierers akademische Laufbahn endete. In der zweiten Jahreshälfte 1975 saß Schmierer wegen schweren Landfriedensbruchs während einer Demonstration 1970 zwei Drittel einer achtmonatigen Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Waldshut ab. In dieser Zeit nahm Martin Fochler die Funktion des Sekretärs des ZKs des KBW wahr.
Innerhalb der linksradikalen Szene der 70er Jahre standen die straff organisierten und dogmatischen K-Gruppen einschließlich Schmierers KBW in scharfer Opposition zu den eher anarchistischen sog. Sponti-Gruppen, zu denen auch Joschka Fischers und Daniel Cohn-Bendits Gruppe Revolutionärer Kampf gehörte. Schmierers KBW betrachtete diese als "arbeitsscheue Bonvivants" und drohte Cohn-Bendit mit Zwangsarbeit oder Todesstrafe: "Entweder er wird von der Arbeiterklasse eine nützliche Arbeit zugewiesen bekommen, etwa in einer Fischmehlfabrik in Cuxhaven, oder er wird während der Revolution durch die Massen an den nächsten Baum befördert". Dieses häufig J. Schmierer zugeschriebene Zitat stammt allerdings von Jürgen Klocke (damals Mitglied des Ständigen Ausschusses des ZK des KBW). Die "Fischmehlfabrik" wurde zu einem geflügelten Wort für die ideologischen Differenzen zwischen K-Gruppen und Sponti-Gruppen, die endgültig erst in den 80er Jahren verschwanden, als ehemalige Mitglieder beider Strömungen schließlich im Realo-Flügel der Grünen kooperierten.
Trotz seines heutigen Pragmatismus und seiner etablierten Position hat Schmierer dennoch nie radikal mit seinen früheren Positionen gebrochen, sondern vielmehr versucht, diese aus heutiger Perspektive umzudeuten und so in eine gewisse Kontinuität einzuordnen. So erklärte er, es sei ihm im Grunde immer um Demokratie gegangen, und Demokratie - so Schmierer am 17. Februar 2001 im Tagesspiegel im Zusammenhang mit der damaligen Diskussion um die Rolle Joschka Fischers bei gewalttätigen Demonstrationen - sei nun einmal kein "Deckchensticken". Der Polizei wies er eine Mitschuld für die Eskalation der Gewalt bei Demonstrationen zu ("auch einige Oberkommissare sollten über ihre Vergangenheit nachdenken").
[Bearbeiten] Werke
[Bearbeiten] Bücher
- Die Verfassung der BRD und das demokratische Programm der Kommunisten. Mannheim: Verlagsgesellschaft Kommunismus und Klassenkampf 1974
- Sozialfaschismusthese und politische Programmatik der KPD 1928-33. Mannheim: Kühl 1975 (Nachdruck aus Kommunismus und Klassenkampf, 3. Jahrg. 1975, Nr. 1, S. 2-14)
- Die neue Alte Welt oder wo Europas Mitte liegt : Essay. Klagenfurt: Wieser 1993. ISBN 3851290895
- Mein Name sei Europa. Einigung ohne Mythos und Utopie. Frankfurt am Main: Fischer 1996. ISBN 3596132126
[Bearbeiten] Artikel/Beiträge
- "Der Zauber des großen Augenblicks. 1968 und der internationale Traum". In: Lothar Baier u.a. (Hrsg.), Die Früchte der Revolte. Über die Veränderung der politischen Kultur durch die Studentenbewegung, Berlin: Wagenbach 1988. ISBN 3803121620
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Gerd Koenen: Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1977. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2001. ISBN 3462029851.
- Dietrich Hildebrandt: "...und die Studenten freuen sich !" Studentenbewegung in Heidelberg 1967 - 1973. Heidelberg: esprint-Verlag 1991. ISBN 3883261904.
[Bearbeiten] Weblinks
- Seite der von Schmierer herausgegebenen Zeitschrift Kommune. Forum für Politik, Ökonomie und Kultur
- Interview von Jürgen Elsässer mit Schmierer zu dessen Verhältnis zu Pol Pot, erschienen in Jungle World
- Tagesspiegel-Artikel von Schmierer über seine Vergangenheit.
- Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage zu Schmierers Vergangenheit (PDF-Format)
Personendaten | |
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NAME | Schmierer, Hans-Gerhart |
ALTERNATIVNAMEN | Schmierer, Joscha |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker |
GEBURTSDATUM | 1. April 1942 |
GEBURTSORT | Stuttgart |