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Vertrag von Nizza

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Vertrag von Nizza ist ein Vertrag zur Änderung des EU-Vertrages (Vertrag von Maastricht), der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakten. Als wichtigste Änderung gilt, dass in vielen Bereichen Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit statt mit Einstimmigkeit zur Regel werden. Der Vertrag wurde am 11. Dezember 2000 beim Europäischen Rat in Nizza von den Staats- und Regierungschefs beschlossen und trat nach der Ratifizierung am 1. Februar 2003 in Kraft.

Stimmverteilung im Rat der EU seit 1. November 2004 bzw. 1. Januar 2007, zum Vergleich Quadratwurzelgesetz
Land Einwohner Stimmen Vergl.-fkt.
---- [Mio.]
Deutschland 82,5 29 33,4
Vereinigtes Königreich 59,4 29 28,3
Frankreich 59,1 29 28,2
Italien 57,7 29 27,9
Spanien 39,4 27 23,0
Polen 38,6 27 22,8
Rumänien 21,7 14
Niederlande 15,8 13 14,6
Griechenland 10,6 12 12,0
Tschechien 10,3 12 11,8
Belgien 10,2 12 11,7
Ungarn 10,0 12 11,6
Portugal 9,9 12 11,6
Schweden 8,9 10 11,0
Österreich 8,1 10 10,4
Bulgarien 7,3 10
Slowakei 5,4 7 8,5
Dänemark 5,3 7 8,5
Finnland 5,2 7 8,4
Litauen 3,7 7 7,1
Republik Irland 3,7 7 7,1
Lettland 2,4 4 5,7
Slowenien 2,0 4 5,2
Estland 1,4 4 4,3
Zypern 0,8 4 3,3
Luxemburg 0,4 4 2,3
Malta 0,4 3 2,3

Der Vertrag von Nizza bestimmt als bisher letzte in Kraft getretene Änderung der Europäischen Verträge die aktuellen Regeln in der EU. Die neue EU-Verfassung hätte die Regelungen von Nizza ab etwa 2006/2007 ersetzen sollen. Wegen der gescheiterten Referenden zur Ratifizierung der Verfassung in Frankreich (am 29. Mai 2005 mit 54,8% abgelehnt) und den Niederlanden (am 1.6.2005 mit 61,54% abgelehnt) ist die Verfassung jedoch vorläufig gescheitert.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte und Details

Die Zusammensetzung und Funktionsweise der europäischen Organe war seit den 50er Jahren wenig verändert worden, obwohl sich die Zahl der Mitgliedstaaten von ursprünglich sechs auf 15 erhöht hatte und die Europäische Union deutlich mehr Aufgaben wahrnahm als zu Beginn der Integration.

Ende der 90er Jahre war wegen der geplanten Osterweiterung der Europäischen Union von einer Zunahme der Zahl der Mitgliedsstaaten von 15 auf 27, also auf annähernd das Doppelte, auszugehen. Dies hätte ohne Reform den institutionellen Rahmen der Union gesprengt und ihre Handlungsfähigkeit gefährdet. In einer Union der 27 hätte die Europäische Kommission nach den bis dahin geltenden Regeln 33 Mitglieder gehabt und die Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments wäre auf mehr als 800 gestiegen. Besonders die Beibehaltung des Prinzips der Einstimmigkeit der Beschlüsse im Rat hätte bei 27 Mitgliedern kaum noch Entscheidungen zugelassen.

Bereits die Regierungskonferenz in Amsterdam 1997 hatte die Europäische Union "fit" für die Erweiterung machen sollen, doch die Mitgliedstaaten konnten sich damals nicht auf die notwendigen institutionellen Reformen einigen. Die dadurch nötig gewordene Regierungskonferenz zur Reform der Europäischen Verträge begann am 14. Februar 2000 und sollte mit der Tagung des Europäischen Rates vom 7. bis 9. Dezember 2000 in Nizza zum Abschluss kommen. Die Frage der zukünftigen Stimmenverteilung im Europäischen Rat blieb bis zu dieser Tagung offen. Nach teilweise zähen Verhandlungen besonders um diese Stimmengewichte konnte sich der Rat unter dem Druck der bevorstehenden Erweiterung schließlich einigen. Unterzeichnet wurde der ausgearbeitete Vertrag am 26. Februar 2001, er trat in Kraft am 1. Februar 2003, die Abstimmungsregeln im Rat gelten seit 1. November 2004.

Jeder EU-Mitgliedsstaat stellt in der Kommission nur noch ein Mitglied. Die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments wurde neu geregelt. Seine Befugnisse wurden zur Umsetzung der schon länger geforderten Demokratisierung der Union erweitert. Mit Ausnahme bestimmter Bereiche wie Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Steuer-, Asyl- und Einwanderungspolitik, für die nach wie vor Einstimmigkeit erforderlich ist, werden Ratsentscheidungen nun mit qualifizierter Mehrheit getroffen. Dazu wurden für die einzelnen Staaten Stimmenzahlen festgelegt (siehe Tabelle). Für die qualifizierte Mehrheit sind 232 der 321 Stimmen bzw. nach dem Beitritt von Rumänien und Bulgarien 258 der 345 Stimmen erforderlich, außerdem die Zustimmung von zwei Dritteln der Staaten bzw. bei Beschlüssen, die auf Vorschlag der Kommission zu fassen sind, die Zustimmung einer einfachen Mehrheit der Staaten. Außerdem kann ein Mitglied verlangen, dass geprüft wird, ob diese Mehrheit mindestens 62% der Bevölkerung der EU umfasst, ist das nicht der Fall, kommt die Entscheidung nicht zustande.

Die ausgehandelte z.T. recht willkürlich erscheinende Stimmenverteilung für den Rat war in der Folge größter Kritikpunkt am Vertrag von Nizza. Im Entwurf der EU-Verfassung wurde diese Regelung durch Einführung des Verfahrens der Doppelten Mehrheit revidiert, was nur gegen großen Widerstand der im Vertrag von Nizza besonders begünstigten Staaten Spanien und Polen gelang. Wegen der gescheiterten Ratifizierung der Verfassung ist die Regelung des Vertrages von Nizza jedoch noch immer in Kraft.

Im Rahmen der Konferenz von Nizza wurde außerdem die Charta der Grundrechte der Europäischen Union proklamiert.

[Bearbeiten] Ratifizierung

In allen Mitgliedstaaten außer Irland wurde der Vertrag durch die nationalen Parlamente bestätigt. Da in Irland die Verfassung nur durch ein Referendum geändert werden kann und der Vertrag von Nizza die irische wie auch die meisten anderen Verfassungen berührt, fand dort im Mai 2001 eine Volksabstimmung statt. Der Vertrag wurde bei niedriger Beteiligung überraschend abgelehnt. Die irische Regierung entschied, am 19. Oktober 2002 noch einmal eine Volksabstimmung abzuhalten, die mit einer umfangreichen Medienkampagne (Fernsehinterviews mit Václav Havel und anderen Prominenten) vorbereitet wurde. Im zweiten Versuch stimmte auch das irische Volk zu.

Geschichte, Struktur und Verträge der Europäischen Union
1952 1958 1967   1993 1999 2003    ?  
  Europäische Union (EU)
  Europäische Gemeinschaften (EG)    
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS bzw. Montanunion)  
  Europäische Atomgemeinschaft (EAG bzw. Euratom)
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Europäische Gemeinschaft (EG)    
 
    Justiz und Inneres (JI) Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Vertrag von
Paris
Vertrag von
Rom
Fusions-
vertrag
  Vertrag von
Maastricht
Vertrag von
Amsterdam
Vertrag von
Nizza
  Vertrag über eine
Verfassung für Europa
 

[Bearbeiten] Literatur

  • Thomas Läufer (Hrsg.): Vertrag von Nizza - Die EU der 25. BpB, 2004, ISBN 3-893-31547-0
  • S. Hölscheidt, K.O. Miederer: Der Vertrag von Nizza - Die EU vor der Osterweiterung, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, "Der aktuelle Begriff",2001/2002, 97-101,

[Bearbeiten] Weblinks


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