Ansiedlungsrayon
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Der Ansiedlungsrayon (russ. Tscherta osedlosti/Черта оседлости) beschränkte im Russischen Reich den Hauptwohnsitz von Juden auf einige Regionen an der westlichen Peripherie des Reichs. Diese Gebiete waren überwiegend zuvor Bestandteil Polen-Litauens gewesen und mit den Polnischen Teilungen samt ihrer jüdischen Bevölkerung unter russische Herrschaft gelangt.
1786 wurde durch einen Erlass (Ukas) der Zarin Katharina II. landesweit festgelegt, dass Juden nur innerhalb so genannter Ansiedlungsrayons (auch "Tschum" genannt) leben und arbeiten durften. Durch diesen Erlass wurden auch schon zuvor bestehende jüdische Ghettos verwaltungstechnisch festgeschrieben. 1835 änderte Nikolaus I. diesen Erlass ab und erließ für weitere spezielle Bezirke Genehmigungen, die die Ansiedelung für Juden regelten.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts lebten bis zu 90 Prozent der russischen und polnischen Juden (ein größerer Teil Polens gehörte damals zum Russischen Reich - siehe auch Teilungen Polens) in segregierten Siedlungen. Alexander II. lockerte einige dieser Bestimmungen ein wenig. Besonders wohlhabendere Juden konnten sich danach von den Niederlassungs- und Arbeitsbestimmungen freikaufen.
Die Beurteilung der Ansiedlungsrayons ist zwiespältig. Einerseits ist unumstritten, dass es sich dabei um eine antisemitische Politik handelte, die auch zahlreiche Pogrome begünstigte. Andererseits trug diese Segregation und die damit verbundenen Ghettoisierung der Juden zu einem nicht geringen Teil dazu bei, dass sich die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert blühende, jiddische Schtetl-Kultur entwickelte.
Während des Zweiten Weltkriegs geriet der gesamte ehemalige Ansiedlungsrayon unter deutsche Besatzung, was zur vollkommenen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und Kultur dieser Gebiete führte.
[Bearbeiten] Literatur
- Heiko Haumann, Geschichte der Ostjuden, dtv, München 1999 (5. Auflg.) ISBN 3-423-30663-7