Teilungen Polens
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
3. Livland, 4. Kurland (Teil Livlands), 5. Preußen
Der militärisch seit dem Ende des 17. Jahrhunderts geschwächte Doppelstaat Polen-Litauen erweckte Expansionsgelüste von Russland, Preußen und Österreich. Ende des 18. Jahrhunderts teilten die Nachbarstaaten in den drei Teilungen Polens den polnisch-litauischen Staat untereinander auf, so dass er schließlich von der politischen Karte Europas verschwand.
Die Neuordnung nach dem Wiener Kongress 1815 ("Kongresspolen"), die im Hitler-Stalin-Pakt von 1939 beschlossene Aufteilung der Zweiten Republik zwischen dem Großdeutschen Reich und der Sowjetunion oder die Aufteilung Polens nach dem Zweiten Weltkrieg wird als "Vierte Teilung" Polens bezeichnet.
Der Begriff „Polnische Teilungen“ wird in der Geschichtswissenschaft heute nicht mehr verwendet, da er missverstanden werden könnte, so als hätten sich die Polen selber geteilt, statt von drei äußeren Mächten in unterschiedliche Staaten aufgeteilt zu werden.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Die Teilungen des 18. Jahrhunderts
[Bearbeiten] Die erste Teilung von 1772
Polen war seit der Herrschaft von August dem Starken immer mehr unter den Einfluss Russlands geraten. 1764 setzte Zarin Katharina II. die Wahl ihres ehemaligen Liebhabers Stanislaus Poniatowski als Stanislaus II. August zum polnischen König durch.
Stanislaus führte zwar Reformen durch, um das Land zu stärken, doch konnte sich Polen vom übermächtigen Einfluss Russlands nicht befreien. Als die polnischen Nicht-Katholiken, Dissidenten genannt, die seit dem Stummen Sejm von 1717 ins Abseits gerieten, ihre volle bürgerliche Gleichberechtigung forderten, zwangen russische Truppen, die einmarschiert waren, den Sejm, dieser Forderung nachzugeben. Dagegen erhob sich 1768 die Konföderation von Bar, die sowohl die Souveränität von Polen als auch die Beschränkung der vollen Bürgerrechte auf die Katholiken bewahren wollte. Sie wurde jedoch in einem Bürgerkrieg mit Hilfe russischer Truppen niedergeschlagen.
Der deutsch-römische Kaiser und österreichische Herrscher Joseph II. machte sich gegen den Willen seiner Mutter, Maria Theresia, die polnischen Wirren zunutze und besetzte im Sommer 1769 die Zips unter dem Vorwand, sie sei 1412 von Ungarn an Polen verpfändet und seitdem nicht eingelöst worden. 1770 wurden auch noch Teile des Karpatenvorlandes mit den Städten Neu Markt und Neu Sandez annektiert. Die Initiative zu einer wirklichen Aufteilung ging vom preußischen König Friedrich II. aus. Er schickte seinen Bruder, den Prinzen Heinrich von Preußen, nach Sankt Petersburg, um der russischen Kaiserin Katharina die preußischen Arrondierungspläne schmackhaft zu machen. Der Vorschlag lautete, alle drei Nachbarländer des militärisch wehrlosen und vom Bürgerkrieg zerrissenen Polen sollten sich doch etwas nehmen, um die gegenseitigen Spannungen und Expansionsgelüste auf Kosten des gemeinsamen Nachbarn zu lösen.
Russland und Preußen einigten sich am 17. Februar 1772 über die Gebietsaufteilungen. Österreich schloss sich am 4. März diesem Plan an. Der formelle Teilungsvertrag wurde am 5. August in Sankt Petersburg unterzeichnet.
König Friedrich II. schrieb in einem Brief über die Beteiligung der (katholischen) Kaiserin Maria Thersia an der Ersten Teilung Polens:„Katharina und Ich sind simple Räuber. Ich würde nur gerne wissen, wie die Kaiserin ihren Beichtvater besänftigt hat? Sie weinte, als sie nahm; je mehr sie weinte, umso mehr nahm sie!“
Unter dem Vorwand, das Kurfürstentum Brandenburg sei der Rechtsnachfolger der 1637 ausgestorbenen Linie der pommerschen Herzöge, ließ der brandenburgische Kurfürst, der in Personalunion auch „König in Preußen (Ostpreußen)“ war, das polnische Preußen königlichen Anteils, auch Ostpommern genannt, und das Netzegebiet besetzen ohne die Stadt Danzig; damit war die lange ersehnte Landverbindung von Brandenburg über Pommern in das eigentliche Preußen hergestellt. Russland annektierte alle Gebiete östlich von Düna und Dnjepr, während Österreich sich widerstandslos Galizien nahm.
[Bearbeiten] Die zweite Teilung von 1793

In Polen wurden nach der ersten Teilung die Bemühungen um Reformen unter Stanislaus II. August verstärkt. Nach dem Ausbruch der Französischen Revolution gab sich Polen als erstes Land Europas eine freiheitliche Verfassung, die Verfassung vom 3. Mai 1791.
Diese wurde mit der Konföderation von Targowica 1792 abgelehnt. Der seiner Macht beraubte konservative Teil des polnischen Adels bat bei der Zarin um russische Intervention, um die alte Ordnung der Goldenen Freiheit wiederherzustellen. Russische Truppen marschierten im Mai 1792 mit der offiziellen Begründung in Polen ein, dort sei eine Jakobinerherrschaft im Entstehen. Der Einmarsch gipfelte im Russisch-Polnischen Krieg von 1792.
Die Niederlage der Polen führte schließlich zur zweiten Teilung. An dieser war Österreich nicht beteiligt. Der Teilungsvertrag wurde am 23. Januar 1793 zwischen Preußen und Russland geschlossen. Am 23. September 1793 musste das von russischen Truppen umstellte polnische Parlament in Grodno sich dem Diktat in einer „stummen Sitzung“ beugen und der abermaligen Verkleinerung des Staates zustimmen. Preußen erhielt die Städte Danzig und Thorn und auch die nach der Annexion „Südpreußen" genannte Landschaft Großpolen, die spätere Provinz Posen.
Russland erhielt Weiß-, Schwarz- und Kleinrussland sowie den Osten Wolhyniens und bekam mit Podolien erstmals eine gemeinsame Grenze zu Österreich in Galizien.
[Bearbeiten] Die dritte Teilung von 1795
Hauptartikel: Dritte Teilung Polens
Der als Reaktion auf die zweite Teilung folgende nationale Aufstand unter General Tadeusz Kościuszko bot den Anlass den Staat Polen vollends zu vernichten. Diesmal war auch Österreich wieder beteiligt: Es erhielt bei der dritten Teilung das später Westgalizien benannte Gebiet bis kurz vor Warschau.
Preußen sicherte sich die polnische Hauptstadt Warschau, Podlachien bis zur Memel sowie das Gebiet um Bialystok und nannte die Erwerbung Neuostpreußen. Russland erhielt mit Kurland nun auch den Rest Livlands. Außerdem kamen Litauen und Podlesien dazu. Der polnische Staat hörte 1795 auf zu existieren, und der polnische König Stanislaus II. August wurde gezwungen abzudanken.
[Bearbeiten] Die Folgen der Teilungen Polens
Die Teilungen brachten Preußen, Russland und Österreich
Vorteile
- mehr Land und mehr Bevölkerung
- wirtschaftlichen Machtgewinn (Bodenschätze)
- politischen und militärischen Machtgewinn (direkte Grenze zum Feind / mehr Bevölkerung = mehr Soldaten)
- strategische Lage
und
Nachteile (Risiken)
- polnische Oppositionsbewegungen, die unterdrückt wurden
- Widerstände in der polnische Bevölkerung, die sich anpassen musste
- nationale Gegensätze zwischen Deutschen und Polen auf der einen Seite und Russen und Polen auf der anderen verschärften sich
- negative Reaktionen anderer europäischer Mächte zur Wiederherstellung Polens
- Polen als ständiger Unruheherd (Aufstände gegen die Okkupationsmächte)
[Bearbeiten] Die polnische Frage im 19. Jahrhundert
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Nach militärischen Niederlagen gegen das Revolutionäre Frankreich, das zum Untergang des HRR und Neuordnung der Staaten Mitteleuropas führte, verloren Preußen und Österreich ihre Gewinne aus der zweiten und dritten Teilung 1807 bzw. 1809 an das von Kaiser Napoléon gebildete Herzogtum Warschau, welches 1815, ohne das Gebiet um die Städte Posen und Krakau, als Kongresspolen („Königreich Polen“) in Personalunion an das Russische Reich ging. Die Ostgrenze lag in etwa an der späteren Curzon-Linie.
Nach dem gescheiterten Novemberaufstand von 1831 wurde das autonome Kongresspolen, unter Bruch der Wiener Kongressakte, als gewöhnliche Provinz dem Russischen Reich direkt einverleibt. Das Kaisertum Österreich folgte dem russischen Beispiel, indem es 1846 die freie Republik Krakau annektierte. Im Rahmen der Donaumonarchie wurde den Polen vom Haus Habsburg-Lothringen in den von Österreich annektierten Gebieten jedoch bereits 1867 die volle Selbstverwaltung gewährt.
Die souveräne Zweite Polnische Republik wurde erst nach der Niederlage der Teilungsmächte im Ersten Weltkrieg 1918 wiedererrichtet.
[Bearbeiten] Die vierte Teilung ab 1939
Nach dem Hitler-Stalin-Pakt und dem Einmarsch reichsdeutscher Wehrmachts- und sowjetischer Truppen wurde das erst 1918 wieder unabhängig gewordene Polen erneut geteilt.
Die weißrussischen und ukrainischen Gebiete fielen größtenteils an die Sowjetunion und wurden als Teil der Belorussischen und Ukrainischen SSR sowjetisiert. Der westliche Teil wurde an die Reichsgaue Wartheland, Danzig-Westpreußen, Ostpreußen und Oberschlesien angeschlossen bzw. als Generalgouvernement verwaltet und in das System des Nationalsozialismus eingebunden. In das Generalgouvernement wurden die vertriebenen Polen und Juden (in Ghettos und KLs) zwangsumgesiedelt.
Auf der Teheran-Konferenz und den Folgekonferenzen in Jalta und Potsdam wurde beschlossen, dass der Staat Polen dauerhaft nach Westen verschoben werden soll.
Die Oder-Neiße-Linie als neue Westgrenze Polens sollte die Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion für die polnische Seite akzeptabler machen.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Kaiser, Friedhelm Berthold (Hrsg.); Stasiewski, Bernhard (Hrsg.); Die erste polnische Teilung 1772, Köln 1974, ISBN 3-412-02074-5.
- Kaplan, Herbert: The first partition of Poland, New York 1962.
- Lukowski, Jerzy: The partitions of Poland 1772, 1793, 1795, London 1999.
- Müller, Michael: Die Teilungen Polens 1772, 1793, 1795, München 1984.
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