Nikolaus I. (Russland)
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Nikolaus I. Pawlowitsch (russisch Николай I Павлович, wiss. Transliteration Nikolaj I Pavlovič; * 25. Juni/6. Juli 1796 in Zarskoje Selo bei Petersburg, † 18. Februar/2. März 1855 in Sankt Petersburg), aus dem Haus Romanow-Holstein-Gottorp war als Nikolaus I. Zar des Russischen Reiches und zwischen 1825 und 1830 letzter gekrönter König von Polen (Kongresspolen), der dritte Sohn des Zaren Paul I. und dessen zweiter Ehefrau, Maria Fjodorowna, geborene Prinzessin Sophia Dorothea von Württemberg.
[Bearbeiten] Leben
Nikolaus blieb während der Regierung des ältesten Bruders, Alexander I. allen Staatsgeschäften fern. 1814/15 machte er seine Grand Tour durch mehrere Länder Europas. Nachdem er am 13. Juli 1817 Charlotte von Preußen, älteste Tochter König Friedrich Wilhelms III. von Preußen, geheiratet hatte, lebte er mit seiner Familie im Anitschkowschen Palast in Petersburg. Seine offiziellen Aufgaben beschränkten sich auf den Militärdienst in einer Garnison, wobei er den Rang eines Oberinspektors des Geniewesens bekleidete. Als Alexander I. am 1. Dezember 1825 ohne eigene Kinder starb, sah sich Nikolaus völlig unerwartet selbst mit der Regierungsübernahme konfrontiert, da sein zweitältester Bruder Konstantin sich weigerte, den Zarenthron zu besteigen. Am 24. Dezember übernahm Nikolaus formell die Regierung und wurde am 3. September 1826 in Moskau gekrönt.
Eine seit Jahren vorbereitete Militärverschwörung der Dekabristen, welche am 26. Dezember 1825 zum Ausbruch kam, unterdrückte er mit großem persönlichen Mut. Dieses Ereignis sowie die Wahrnehmung einer gewissen inneren Zerrüttung, welche das milde, schwankende Regiment Alexanders I. zurückgelassen hatte, übten sicherlich bedeutenden Einfluss auf die Regierungspolitik des neuen Herrschers aus, der, wenn er auch anfangs die Minister seines Bruders beibehielt, allmählich ein autokratisches Regiment errichtete, das sich auf eine zahlreiche unbedingt ergebene Bürokratie, vor allem aber auf ein zahlreiches Heer stützte. Die Bevorzugung des Militärs zeigte sich schon in der massenhaften Vermehrung der militärischen Umgebung seiner Person; die Berechtigung der Generaladjutanten, bei allen Behörden Einsicht in die Akten, Rechenschaft über die Verwaltung, Vorlegung der Rechnungen etc. fordern zu können, stellte alle Zivilverwaltung unter militärische Aufsicht. Die Aufhebung der Leibeigenschaft lehnte Nikolaus 1826 entschieden ab. Zwar befahl ein Ukas den verschiedenen Lokalbehörden, darüber zu wachen, dass die Leibherren „nichts Übermäßiges“ von ihren Bauern fordern sollten; aber aufgrund der Bestechlichkeit der Behörden blieb der Ukas wirkungslos, und selbst die Gesetze, welche später zur Erleichterung der Leibeigenschaft erlassen wurden, verbesserte das Wesen der Eigenhörigkeit nur wenig.
Die Außenpolitik des Kaisers war in den ersten Jahren seiner Regierung vorzugsweise auf Asien und die Eroberung der Türkei gerichtet. Der persische Krieg brachte in dem Frieden von Turkmantschai (28. Februar 1828) Russland einen bedeutenden Gebietszuwachs. 1828 begann er den Krieg gegen die Türkei, an dem er, obwohl er nicht den Oberbefehl führte, selbst teilnahm, und der Russland 1829 im Frieden von Adrianopel die Ostküste des Schwarzen Meers, den freien Verkehr auf der Donau, im Schwarzen Meer und im Mittelmeer und als weitere Folge die Gründung des griechischen Königreichs einbrachte. Die polnische Erhebung, die 1831 nach neunmonatlichem verheerenden Kampf unterdrückt wurde, weckte die leidenschaftliche Rache des Zaren, der sich fortan als Hort der Legitimität und des Rechts gegen die Revolution betrachtete. Russland selbst wurde mehr und mehr von der westlichen Welt abgeschottet, und ein ausgedehntes Polizei- und Spionagenetz verbreitete sich namentlich über die westlichen Provinzen.
Mit der Russifizierung der verschiedenen Nationalitäten gingen Versuche systematischer Bekehrung der Protestanten und Katholiken zur orthodoxen Kirche einher; selbst die griechisch-unierte Kirche musste 1840 ihre Vereinigung mit der orthodoxen geschehen lassen. Der wachsende Einfluss Russlands im Orient zeigte sich besonders, als sich Sultan Mahmud II. im Vertrag von Hünkâr Iskelesi 1833 Nikolaus in die Arme warf und von ihm Hilfe gegen den rebellischen Pascha von Ägypten erbat. In den politischen Stürmen von 1848 und 1849 bewahrte Nikolaus eine abwartende Haltung, bis sich die günstige Gelegenheit fand, seinen Einfluss nach allen Seiten hin wieder zu sichern. So knüpfte seine Intervention in Ungarn die österreichische Politik an sein Interesse, und das Scheitern der deutschen Sache befestigte seinen Einfluss in Dänemark (1. Deutsch-Dänischer Krieg), während er sich in dem österreichisch-preußischen Zerwürfnis 1850 zum Schiedsrichter aufwarf.
Sein Einfluss auf Friedrich Wilhelm IV., dem seine schroffe Energie und sein entschlossenes Auftreten gegen alles, was er Revolution nannte, imponierten, war bedeutend, und die reaktionär-pietistische Partei in Preußen verehrte ihn als ihren Vater. Die Herstellung des Napoleonischen Kaisertums in Frankreich förderte das festere Anschließen der nördlichen Mächte an den Zaren und gewährte die Aussicht auf die Isolierung oder gar Bundesgenossenschaft Englands. Dennoch erwiesen sich die gewonnenen Beziehungen als unzureichend, als Nikolaus 1853 zur Ausführung des längst vorbereiteten Plans gegen die Türkei schritt. England und Frankreich traten gegen ihn in den Krimkrieg, und Österreich nahm eine mehr feindliche als freundliche Stellung ein. Nikolaus stand allein den vereinigten Feinden gegenüber. Die Heeresorganisation Russlands erwies sich als ungenügend, der Einfall in die Türkei misslang, die Krim wurde von den Verbündeten angegriffen und die russische Armee in der Schlacht an der Alma und der Schlacht von Inkerman geschlagen. Nikolaus wurde aufs höchste davon erschüttert, und noch war der Kampf nicht beendet, als er am 2. März/18. Februar 1855 starb.
Seine Kinder waren:
- Alexander II. (* 17. April 1818; † 1. März 1881), Zar von Russland,
- Maria (* 6. August 1819; † 9. Februar 1876) - verheiratet mit Maximilian de Beauharnais, 3. Herzog von Leuchtenberg,
- Olga (* 30. August 1822; † 20. Oktober 1892) - verheiratet mit Karl I., König von Württemberg,
- Alexandra (* 12. Juni 1825; † 29. Juli 1844), Prinzessin von Hessen-Kassel,
- Konstantin (* 9. September 1827; † 13. Januar 1892), Großfürst von Russland,
- Nikolai (* 27. Juli 1831; † 13. April 1891), Großfürst von Russland, und
- Michael (* 13. Oktober 1832; † 5. Dezember 1909), Großfürst von Russland.
[Bearbeiten] Weblinks
Vorgänger Alexander I. |
Liste der russischen Herrscher | Nachfolger Alexander II. |
Dieser Artikel basiert auf einem gemeinfreien Text („public domain“) aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage von 1888–1890. Bitte entferne diesen Hinweis nur, wenn Du den Artikel soweit überarbeitet oder neu geschrieben hast, dass der Text den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema widerspiegelt und dies mit Quellen belegt ist, wenn der Artikel heutigen sprachlichen Anforderungen genügt und wenn er keine Wertungen enthält, die den Wikipedia-Grundsatz des neutralen Standpunkts verletzen. |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Pawlowitsch, Nikolaus |
ALTERNATIVNAMEN | Николай I Павлович; Nikolaus I. |
KURZBESCHREIBUNG | Zar von Russland |
GEBURTSDATUM | 6. Juli 1796 |
GEBURTSORT | Schloss Gatschina bei Petersburg |
STERBEDATUM | 2. März 1855 |