Ausbausprache – Abstandsprache – Dachsprache
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Die Definitionen Ausbausprache – Abstandsprache – Dachsprache wurden von Soziolinguisten, u.a. von Heinz Kloss und Joshua Fishman, zur Analyse und Kategorisierung von Sprachen und Dialekten, sowie zur Unterscheidung dieser Konzepte, entwickelt. Der Begriff "Ausbausprache" wird in der wissenschaftlichen Literatur erstmals von Heinz Kloss erwähnt, in Abstandsprachen und Ausbausprachen (Anthropologische Sprachwissenschaft, 1967, 9).
Eine Abstandsprache (engl. auch abstand language) ist eine Form der Sprache, die sich so sehr von allen anderen Sprachen unterscheidet, dass sie nicht als Dialekt irgendeiner anderen Sprache angesehen werden kann, auch wenn diese selbst eine Ausbausprache ist oder nicht (nahezu identisch mit einer Standardsprache). Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass die Sprache nicht in irgendeiner Weise mit einer anderen Sprache verwandt ist, sondern schlicht, dass keine gegenseitige Verständlichkeit entweder in mündlicher oder in schriftlicher Form gegeben ist.
Eine Ausbausprache (engl. auch ausbau language) ist eine Sprache, die nahezu identisch mit einer übergeordneten Sprache ist, und welche als eigenständige Sprache zu Zwecken der Nationsbildung geschaffen wurde und die eine standardisierte Rechtschreibung, eine standardisierte Grammatik und einen relativ umfangreichen und eindeutigen Wortschatz aufzuweisen hat. Zwei Sprachformen, die gegenseitig verständlich sind, werden von Soziolinguisten als getrennte Sprachen aufgefasst, wenn beide anhand der vorliegenden Definition als Ausbausprachen der übergeordneten Sprache gelten. Gute Beispielpaare dafür sind die Persische Sprache von Afghanistan und des Irans, die Dänische Sprache und das norwegische Bokmål, die Niederländische Sprache und das Afrikaans, die Kroatische und Serbische Sprache, die Luxemburgische Sprache und die Deutsche Sprache und in gewissem Maße Hindi und Urdu.
Als Dachsprache wird die Form einer Sprache bezeichnet, die als Standardsprache für verschiedene Dialekte bezeichnet wird, meist in einem Dialektkontinuum, obwohl diese Dialekte untereinander derart unterschiedlich sind, dass eine Verständigung auf der basilektaler Ebene unter allen Dialekten nicht unbedingt möglich ist, insbesondere bei geographisch weit voneinander entfernten Dialekten. 1982 wurde von Heinrich Schmid das "Rumantsch Grischun" als Dachsprache für eine Vielzahl an verschiedenen Rätoromanischen Sprachen entwickelt, die in unterschiedlichen Teilen der Schweiz gesprochen werden. Die Deutsche Sprache und die Italienische Sprache entwickelten sich zum Teil in ähnlicher Weise. Die vermutlich weitverbreitetste Dachsprache ist die Moderne Arabische Sprache, welche die Sprecher vieler verschiedener arabischer Dialekte untereinander verbindet.