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Chassidismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Chassidismus kommt vom hebräischen Wort חסידים/ chassidim, „Fromme“ und bezeichnet verschiedene, voneinander unabhängige Bewegungen im Judentum. Gemeinsam ist diesen Bewegungen der hohe Standard religiöser Observanz und Moral sowie eine besondere Gottesnähe, die häufig mystische Ausprägung gefunden hat.

Insbesondere wird unterschieden:

  • der Chassidismus aus der Zeit des Zweiten Tempels,
  • der Chassidismus des deutschen Mittelalters und
  • der osteuropäische Chassidismus des 18. und 19. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Chassidim in der Zeit des Zweiten Tempels

Da jeder Fromme als Chassid bezeichnet werden kann, ist häufig unklar, ob mit den in den Quellen erwähnten Chassidim einfach die Gesamtheit der frommen Juden oder eine konkrete, strukturierte Gruppe gemeint ist.

Fassbar als Gruppe werden Chassidim als eine Vereinigung endzeitlich orientierter Gruppen um 300 bis 175 v. Chr., die nach 1. Makkabäer 2, 29-38 auf der Suche nach Recht und Gerechtigkeit ihre Wohnsitze verließen und in die Wüste zogen, um den religionspolitischen Zwangsmaßnahmen der Seleukiden zu entgehen. Widerstandslos ließen sie sich am Sabbat überfallen, nur um das Sabbatgebot nicht zu entweihen. Nach 2. Makkabäer 5, 24-26 eroberte Apollonius unter Ausnutzung dieser Mentalität Jerusalem am Sabbat. Erst Judas Makkabäus beschloss, sich auch am Sabbat zu verteidigen und erreichte die Unterstützung der Chassidim. Es gelang, die Seleukiden unter Antiochos IV. erfolgreich zu bekämpfen und aus dem Land zu vertreiben.

[Bearbeiten] Der deutsche Chassidismus des Mittelalters

Aus den für das Judentum bedrohlichen Wirren der Kreuzzüge entwickelte sich der Chassidismus in Deutschland parallel zur Entstehung der christlichen Mystik von etwa 1150 bis 1250 vor allem im Rheinland (Speyer, Worms und Mainz). Prägend waren insbesondere die Angehörigen der aus Italien eingewanderten Familie der Kalonymiden:

Der Chassidismus ist keine philosophische oder theologische Lehre, sondern die religiöse Praxis des Chassid (hebräisch "der Fromme", abgeleitet vom Begriff "Gnade", "Güte"), die sich insbesondere im Gebet als spiritueller Übung äußert. Bestimmende Momente sind dabei:

  • die Abwendung von der Welt,
  • vollkommener seelischer Gleichmut.

[Bearbeiten] Der osteuropäische Chassidismus des 18. und 19. Jahrhunderts

Der Chassidismus im osteuropäischen Judentum, den Ostjuden, hat mit dem deutschen Chassidismus des Mittelalters nur wenig mehr als den Namen gemeinsam und übertrifft diesen erheblich an Bedeutung. Er entstand als Reaktion auf die Pogrome unter Führung des Kosaken Bogdan Chmelnizki im Jahre 1648, als in Osteuropa über 700 jüdische Gemeinden vernichtet wurden.

Begründer des osteuropäischen Chassidismus ist Israel ben Elieser (1698-1760), genannt Baal Schem Tow („Meister des guten Namens“). Zu seinen wichtigsten Schülern gehören Rabbi Dow Bär, genannt "Maggid von Mesritsch", und Rabbi Jacob Josef von Polnoe. Innerhalb weniger Jahrzehnte verbreitete sich der Chassidismus in jüdischen Gemeinden in der Ukraine, in Polen, Weißrussland, Russland und Österreich.

Der Baal Schem Tow und seine Nachfolger betonten den Wert des traditionellen Studiums der Thora und der mündlichen Überlieferung, des Talmud und seiner Kommentare. Daneben gewann die mystische Tradition der Kabbala erheblichen Einfluss. Über dieses Studium hinaus steht im Chassidismus das persönliche und gemeinschaftliche religiöse Erlebnis an vorderster Stelle.

Die Chassidim (Mehrzahl von Chassid) versammeln sich besonders am Sabbat und den jüdischen Festtagen um ihren Rabbi (jiddisch "Rebbe"), um in Gebet, Liedern und Tänzen und auch religiöser Ekstase Gott näher zu kommen. Der chassidische Rabbi, genannt "Zaddik" ("Gerechter, Bewährter", von hebräisch "zädäk" = "Gerechtigkeit"), ist ein charismatischer Führer und Mittelpunkt der Gemeinde und gibt die chassidischen Lehren - oftmals in Form von Erzählungen und Gleichnissen - an seine Schüler weiter. Berühmtes Beispiel für einen Zaddik ist Rabbi Nachman von Bratslav, Urenkel des Baal Schem Tow und Gründer einer eigenen chassidischen Richtung, der Bratslaver Chassidim.

Chassidische Gemeinden sind Teil des orthodoxen Judentum.

Zur Zeit des Maggid von Mesritsch und seiner Schüler war der Gaon von Wilna ein entschiedener Gegner des Chassidismus. Er befürchtete aufgrund der Spontaneität und der Lebenslust der Chassidim Nachlässigkeit bei der Erfüllung der Mitzwot („Gebote“); auf Unverständnis stieß auch die Ablehnung von Kasteiung und asketischer Lebensweise seitens der Chassidim; und die Forderung, dass selbst ein Zaddik Teschuva (hebr. „Umkehr“, „Rückkehr“) tun muss, um sich spirituell weiter zu entwickeln[1].

Die bekanntesten charismatischen chassidischen Rabbiner im 18. und 19. Jahrhundert, deren Leben auch von Chajim Bloch in seiner Sammlung "Chassidische Geschichten" nacherzählt werden, sind folgende:

  • Rabbi Israel Baal-Schem-Tow (1700 - 1760)
  • Rabbi Lewi Jizchak von Berdytschew (1740 - 1809)
  • Rabbi Dow-Ber, der große Maggid von Meseritsch (1710 - 1772)
  • Rabbi Naftali von Ropschütz (+ 1827)
  • Rabbi Michal von Zlotschow (+1742)
  • Rabbi Jakob Josef von Pollenoje (+1769)
  • Rabbi Nachum von Tschernobil (1730 - 1798)
  • Rabbi Pinchas von Koretz (+1791)
  • Rabbi Sussja von Annipole (+1800)
  • Rabbi Elimelech von Lezaisk (+1778)
  • Rabbi Schmelke von Nikolsburg (+1778)
  • Rabbi Mosche Chajim Efraim von Sedilkow (+1800)
  • Rabbi Baruch von Medziborz (1757 - 1810)
  • Rabbi Schneor Salman von Ljadi (1745-1812)
  • Rabbi Jakob Jizchak, der Seher von Lublin (+1815)
  • Rabbi Israel, der Koziencer Maggid (+1815)
  • Rabbi Abraham Jehoschua von Apta (+1822)
  • Rabbi Mosche von Ujhely (+1839)
  • Rabbi Wolf von Zbaraz (+1800)
  • Rabbi Nachman von Bratzlaw (1772 - 1810)
  • Rabbi Mosche Leib von Sassow (+1807)
  • Rabbi Mendel von Kassow (+1825)
  • Rabbi Uri von Strelisk (+1825)
  • Rabbi Eisick von Kalew (+1821)
  • Rabbi Mendel von Rymanow (+1815)
  • Rabbi Hirsch von Zydatschow (+1831)
  • Rabbi Simcha Bunem von Przysucha (+1827)
  • Rabbi Mosche von Sawrany (+1844)
  • Rabbi Meir von Przemyschlany (1787 - 1858)
  • Rabbi Chajim von Sandez (+1876)
  • Rabbi Jakob Samson von Kossow (+1880)

[Bearbeiten] Moderne chassidische Persönlichkeiten und Bewegungen

Chassidische Traditionen konnten in Europa nur in Ausnahmefällen die fast vollständige Vernichtung der osteuropäischen Juden durch den deutschen Nationalsozialismus überstehen. In Israel und Amerika finden sich dagegen bis heute Fortläufer dieser Richtung.

Martin Buber (1878-1965) hat Anfang des 20. Jahrhunderts den Chassidismus über viele Jahre untersucht und mehrere Bücher darüber geschrieben. Ein zentrales Werk sind seine „Erzählungen der Chassidim“, worin er überlieferte Weisheitsgeschichten sammelte und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machte.

Im deutschen Sprachraum hat daneben vor allem Friedrich Weinreb (1910-1988) die mystische Tradition des Ostjudentums weitergetragen und fortentwickelt.

Die bekannteste chassidische Gemeinschaft der Gegenwart ist die Chabad-Bewegung, auch bekannt als „Lubawitscher Gemeinde“, mit Sitz in New York City. Daneben gibt es Satmar, Belz, Ger sowie Wischnitz und viele weitere kleine Gruppen.

[Bearbeiten] Die aufklärerische Gegenbewegung

Die Maskilim, die Aufklärer um den deutschen Moses Mendelssohn, empfanden den naiven Chassidismus der Ostjuden als rückständig. Der Berliner Historiker Josef Meisl beschrieb die jüdische Aufklärung mit den Worten: „Die Haskala war jene Bewegung im Judentum des 18. und 19. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa, die durch Sprengung der traditionellen Formen die Synthese zwischen jüdischem Wesen und den Schöpfungen der Umwelt herstellen und damit einen neuen Typus des in der jüdischen und allgemeinen Kultur wurzelnden Juden schaffen wollte.“ Zwischen westlich geprägter Aufklärung und östlich verwurzeltem Chassidismus entstand eine schwer überwindbare, tiefe Kluft. Die jüdische Aufklärung breitete sich ab 1750 als Gegenbewegung von West nach Ost aus. Zugleich kämpften Mendelssohn, Gotthold Ephraim Lessing und Christian Wilhelm Dohm im Westen um Emanzipation der jüdischen Gemeinde in Europa.

[Bearbeiten] Siehe auch

Juden in Osteuropa

[Bearbeiten] Quellen

  1. Yosef Yitzchak Schneerson von Lubawitsch: Kuntres Bikur Chicago, New York 1955, S. 22-24; keine ISBN

[Bearbeiten] Literatur

  • Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim. Zürich 1949. ISBN 3717510622
  • Simon Dubnow: Geschichte des Chassidismus - in zwei Bänden. Jüdischer Verlag, Berlin 1931.
  • Georg Langer: Der Rabbi, über den der Himmel lachte. Die schönsten Geschichten der Chassidim. Frankfurt a.M. 1986. ISBN 3596254574
  • Karl E. Grözinger: Jüdisches Denken. Theologie-Philosophie-Mystik. Bd. 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus. Frankfurt a.M. 2005. ISBN 3593375133
  • Karl E. Grözinger: Die Geschichten vom Ba'al Schem Tov - Schivche ha-Bescht. (hebr.-jidd.- deutsch) Wiesbaden 2002. ISBN 3447038675

[Bearbeiten] Weblinks

wikt:
Wiktionary
Wiktionary: chassidismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen
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