Weißrussland

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Staat Weißrussland. Für die Traktorenmarke Belarus, siehe Minsker Traktorenwerke.
Рэспубліка Беларусь (weißruss.)

Respublika Belarus
Республика Белоруссия (russ.)
Respublika Belorussija
Republik Weißrussland

Flagge Weißrusslands
Wappen Weißrusslands
(Details) (Details)
Amtssprache Weißrussisch, Russisch
Hauptstadt Minsk
Staatsform Republik mit starker Stellung des Präsidenten
Staatsoberhaupt Präsident Aljaksandr Lukaschenka
Regierungschef Ministerpräsident Sjarhej Sidorski
Fläche 207.595 km²
Einwohnerzahl 9.849.100 (1. Januar 2004)
Bevölkerungsdichte 47 Einwohner pro km²
Währung Weißrussischer Rubel
Unabhängigkeit Erklärung 25. August 1991, faktisch Dezember 1991
Nationalhymne My Belarusy (Мы, беларусы)
Zeitzone UTC + 2
Kfz-Kennzeichen BY
Internet-TLD .by
Telefonvorwahl +375

Weißrussland (weißrussisch Беларусь/ Belarus; russisch Белоруссия/ Belorussija) – im deutschen Sprachraum und amtlich auch Belarus – ist ein Staat in Osteuropa, der zwischen Polen, der Ukraine, Russland, Lettland und Litauen liegt. Früher wurde das Land auch Weißruthenien und im DDR-Sprachgebrauch Belorußland genannt.

Abseits der Formalia gilt Weißrussland für die EU und die USA als momentan einzige Diktatur Europas, in der auch massive Menschenrechtsverletzungen stattfinden sollen[1] [2]. Wahlen werden, nach Meinung des Westens, massiv manipuliert, Oppositionelle ermordet und Medien zensiert.

Inhaltsverzeichnis

Name

Der Name Belarus ist seit dem Mittelalter überliefert und wurde im 19. Jahrhundert allgemein üblich, ist aber mit „Weiße Rus“ ungenau übersetzt. Rus war der ostslawische Name für skandinavisch-slawische Herrschaftsgebiete wie das der Kiewer Rus, zu dem das Land von der Gründung an gehörte. „Bely“ bedeutete im Mittelalter im geografischen Sinne „westlich“ oder „nördlich“, Belarus demnach „Westliche Rus“. Daneben gibt es in Weißrussland auch Ansichten über andere mögliche Bedeutungen (siehe die beiden englischen Artikel zu Belarus und White Russia). Die Verwendung des Wortes Belarus bietet sich also an, um Unklarheiten zu vermeiden. Jedoch ist im Deutschen die Bezeichnung Weißrussland traditionell verbreitet. Die weißrussischen offiziellen Stellen wie auch die deutsche Diplomatie verwenden in offiziellen deutschsprachigen Texten den Namen Belarus, um die Unterscheidung von Russland zu verdeutlichen. Laut Auswärtigem Amt soll auf Landkarten sowie in nicht-diplomatischen Texten weiterhin die traditionelle Bezeichnung Weißrussland verwendet werden.

Geografie

Die größte Ausdehnung des Landes vom Westen nach Osten beträgt 650 km – von Nord nach Süd sind es 560 km. Unter den europäischen Staaten ist Weißrussland flächenmäßig damit an 13. Stelle.

Die Staatsgrenzen zu Russland und Ukraine machen je etwa 1000 km und insgesamt zwei Drittel aus, während auf Polen, Litauen und Lettland das letzte Drittel entfällt. Der Grenzverlauf ist unregelmäßig und folgt nur nach Polen teilweise den Gewässern (Fluss Bug), vornehmlich aber über Sumpf- und Hügelland.

Die Entfernung von der Hauptstadt Minsk bis zu den Hauptstädten der Nachbarstaaten beträgt:

Sumpfgebiet um Minsk
Sumpfgebiet um Minsk

Weißrussland liegt in der Osteuropäischen Ebene und wird von Hügelketten der eiszeitlichen Endmoränen (Weißrussischer Höhenrücken) und breiten, naturbelassenen Flüssen durchzogen. Etwa 70 % des Landes entwässern nach Süden zum Prypjat und zum Dnjepr, der weiter durch die Ukraine ins Schwarze Meer fließt.

Im Süden liegen die Palessje-Sümpfe (russisch: Polesje). 30 % des Landes sind bewaldet. In den Wäldern leben Hirsche, Rehe, Elche, Bären, Wölfe, Hermeline, Dachse, Füchse und Eichhörnchen. Die höchste Erhebung ist die Dsjarschynskaja Hara (345 m) im Weißrussischen Höhenrücken, die tiefsten Flussniederungen liegen etwa 50 Meter über dem Meer.

Die größten Flüsse von Belarus sind Dnjepr (weißrussisch Dnjapro), Beresina (weißrussisch Bjaresina), Prypjat (belarussisch Prypjaz) und Memel (weißrussisch Njoman). Nicht groß, aber als Grenze zu Polen und damit zur EU relevant ist der Fluss Bug. Größter See ist der Naratsch im Norden des Landes, nahe der Grenze zu Litauen.

Weißrussland besitzt ein ausgeprägtes kontinentales Klima mit kalten, schneereichen Wintern und trockenen Sommern. Die (zentral gelegene) Hauptstadt Minsk gilt als „Schlechtwetterstadt“ mit häufigem Niederschlag.

Bevölkerung

Weißrussland hat 9,7 Mio. Einwohner (geschätzt, Stand 2005). In dem multiethnischen und multikonfessionellen Land leben Vertreter von mehr als 100 Nationalitäten und vieler Religionen zusammen.

Ethnische Gruppen

Trotz der Einwanderung vieler Russen und der Deportation zehntausender Weißrussen unter Stalin ist der Anteil der Weißrussen in der Bevölkerung 81,2 %. Die größte Minderheit sind die Russen mit 11,4 %, gefolgt von 3,9 % Polen und 2,4 % Ukrainern. Viele weitere ethnische Gruppen teilen sich die restlichen 1,1 %, darunter Letten, Zigeuner (vorwiegend Jerli), Litauer, Slowaken, Selonen, Moldauer, Jenische, Ruthenen und Deutsche.

Konfessionen

Die größte Konfessionsgruppe in Weißrussland ist das orthodoxe Christentum, dem ca. 80 % der Bevölkerung angehören - vor allem Weißrussen, Ukrainer, Moldawier und Russen. Ferner Gruppen orthodoxer Ruthenen, die aus den Karpaten wegen Verfolgungen durch Katholiken hierher kamen. Die restlichen 20 % der Bevölkerung verteilen sich auf mehrere Konfessionen (darunter römisch-katholisch, protestantisch, jüdisch und moslemisch).

Römisch-katholisch sind die meisten Polen und Litauer, sowie die Weißrussen im Westen und Norden des Landes. Insgesamt umfasst die katholische Kirche etwa 7 % der Bevölkerung. Die Letten und Jerli (auch Sinti, Lowara, Manusch, Roma und Calderasch) bekennen sich vorwiegend zur evangelisch-lutherischen Kirche, ebenso eine slowakische Minderheit, deren Vorfahren nach dem Dreißigjährigen Krieg nach Weißrussland flohen. Insgesamt sind 2,6 % der Menschen evangelisch-lutherisch. Die meisten Deutschen sind evangelisch-reformiert und die Selonen hauptsächlich Waldenser.

Weißrussland war eines der schwerpunktmäßig betroffenen Länder des Holocaust. Vorher lebte hier eine große jüdische Bevölkerungsgruppe.

Bevölkerungsstatistik

Bevölkerungsentwicklung Weißrusslands von 1992 bis 2003
Bevölkerungsentwicklung Weißrusslands von 1992 bis 2003

Das Bevölkerungswachstum beträgt zurzeit etwa -0,15 %. Die Lebenserwartung in der Bevölkerung liegt bei 68,14 Jahren, bei Männern 62,06 Jahre und bei Frauen 74,52 Jahre. Die Alphabetisierungsquote ist mit 98 % nahezu europäischer Standard.

Größte Städte

(Einwohner 1. Januar 2004)

Siehe: Liste der Städte in Weißrussland

Umwelt

Weißrussland ist am meisten von der Katastrophe von Tschernobyl (1986) betroffen, die weite Teile des Landes nachhaltig verstrahlten. Etwa ein Viertel der Landesfläche ist heute verstrahlt. Betroffen ist der Osten und Süden des Landes.

Kultur

Weißrussland hat ein reiches kulturelles Erbe aus der Zeit der Zugehörigkeit zum Großfürstentum Litauen zu bieten. Hierzu zählen bedeutende Schlösser im Westen des Landes wie das Schloss Mir und barocke Kirchengebäude. Hinzu kommt eine reiche Volkskultur.

Ein weiterer kulturell prägender Faktor war die jahrhundertelang bestehende große jüdische Bevölkerungsgruppe. Wahrscheinlich einer der bekanntesten Kulturschaffenden aus Weißrussland ist der Maler Marc Chagall, der in Wizebsk geboren wurde und später lange Zeit in Frankreich lebte. Bekannt wurde ferner die Schutzheilige Weißrusslands, Euphrosyne von Polazk.

Bedeutende Schriftsteller sind bzw. waren Franzischak Skaryna, Wassil Bykau, Ales Adamowitsch und Swjatlana Aleksijewitsch.

Geschichte

Hauptartikel: Geschichte Weißrusslands

Das Gebiet des heutigen Weißrussland gehörte im frühen Mittelalter zur Kiewer Rus. Nach und nach wurde das Gebiet jedoch vom Großfürstentum Litauen erobert. Dessen Herrscher führte den Titel magnus dux Littwanie, Samathie et Rusie (siehe auch Goldenes Zeitalter (Weißrussland)). Die beiden Völker nennen sich selber in ihren Sprachen Litauer (lietuvis bzw. litwin). Aufgrund der Bevölkerungsanteile war in dieser Zeit die Amtssprache weitgehend weißrussisch. Nach der Union von 1386 wurde Weißrussland als Teil Litauens Bestandteil des Doppelstaates Polen-Litauen, bei dem es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verblieb.

Mit der ersten und zweiten Teilung Polens gelangte das Gebiet des heutigen Weißrussland bis 1793 vollständig unter russische Herrschaft.

Nach dem Einmarsch des deutschen Heeres in Minsk Anfang 1918 bestand zeitweise eine nominell unabhängige weißrussische Republik. In den Jahren 1919/1920 war Weißrussland zwischen dem wiederentstandenen polnischen Staat und Sowjetrussland umkämpft und wurde 1920 nach dem Sieg der polnischen Truppen über die Rote Armee teilweise an Polen angegliedert. Aus dem sowjetischen Teil wurde die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik gebildet, die 1922 Gründungsmitglied der Sowjetunion wurde. Ebenso wie der sowjetische Teil war auch der polnische Teil mehrheitlich weißrussisch besiedelt.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde 1939 der zuvor zu Polen gehörende Landesteil von sowjetischen Truppen besetzt und in die Weißrussische SSR eingegliedert. Im Sommer 1941 wurde ganz Weißrussland von der deutschen Wehrmacht erobert. Die deutsche Besatzungsherrschaft richtete große materielle Zerstörungen an und führte zum Tod von ca. 25 % der Bevölkerung, darunter fast die gesamte jüdische Bevölkerung von Weißrussland. Weißrussland war von 1941 an mit über 1000 Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Von Ende 1943 an wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. 1945 war Weißrussland Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.

Etwa 8 bis 9 % aller ermordeten europäischen Juden stammten aus Weißrussland. Fast alle Städte des Landes waren völlig zerstört. Die Industriebetriebe waren um 85 %, die Industriekapazität um 95 %, die Saatfläche um 40 bis 50 %, der Viehbestand um 80 % zurückgegangen. Es gab nach Kriegsende 3 Millionen Obdachlose. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Weißrussland 10 Millionen Menschen. Erst gegen Ende der 1980er Jahre war die weißrussische Bevölkerung wieder auf diese Vorkriegszahlen gewachsen.

Stark betroffen war Weißrussland durch die Katastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 im ukrainischen Tschornobyl, in dessen Folge weite Teile des Landes durch radioaktiven Fallout verstrahlt wurden.

Seit Ende 1991 ist das Land ein eigenständiger Staat. 1991 bis 1994 wurde es von Stanislau Schuschkewitsch regiert. Seither führt Aljaksandr Lukaschenka die Regierungsgeschäfte autoritär. Lukaschenka trieb durch seine antidemokratischen Tendenzen und die Ablehnung der westlichen Wirtschaftsweise das Land in die internationale Isolation. Zu den wenigen Partnern des Landes gehören heute neben Russland, mit dem eine - in der Realität unwirksame - „Unionsbildung“ versucht wurde, andere Nachfolgestaaten der UdSSR, sowie auch der Iran. Die Parlamentswahlen vom 19. März 2006 werden von westlichen internationalen Beobachtern weitgehend einhellig als undemokratisch bezeichnet. Vertreter der GUS-Staaten führten gegensätzliche Ansichten auf.

Politik

Außenpolitik

Weißrussland ist Mitglied im Rat für kollektive Sicherheit und bildet mit Russland die Russisch-Weißrussische Union, die in letzter Zeit jedoch starken Belastungen ausgesetzt war (siehe unten). Freundschaftliche Verbindungen werden daneben zum Iran, zu Nordkorea, zur Volksrepublik China und zu Kuba gepflegt. Die Beziehungen zu den NATO-Staaten gelten als gespannt, diejenigen zur Ukraine als ambivalent.

Konflikte mit Russland über Energiepolitik 2007

Nach wiederholten Zerwürfnissen zwischen Weißrussland und Russland, welche sich um die Themen Gaspreise und Öltransit drehten, wird die Russisch-Weißrussische Integration von vielen Beobachtern als faktisch tot angesehen.

Innenpolitik

Präsident Lukaschenka ist bereits seit 1994 im Amt. Laut der früheren weißrussischen Verfassung durfte er eigentlich nicht mehr an der Präsidentschaftswahl 2006 teilnehmen, doch per Referendum ließ er im Oktober 2004 die Verfassung so ändern, dass für ihn keine Beschränkungen der Amtszeiten mehr gelten. Das Vertretungs- und Gesetzgebungsorgan der Republik Weißrussland ist das Parlament - die Nationalversammlung. Es setzt sich aus zwei Kammern, der Repräsentantenkammer und dem Rat der Republik zusammen. Die Repräsentantenkammer besteht aus 110 Abgeordneten, die in allgemeiner, freier, gleicher, direkter und geheimer Wahl gewählt werden sollen. Der Rat der Republik ist die Kammer der territorialbezogenen Vertretung. Für jede Woblast und die Stadt Minsk werden je acht Abgeordnete des Rats der Republik in geheimer Abstimmung gewählt. Acht Mitglieder werden vom Präsidenten berufen.

Wahlen 2006

In der Zwischenzeit einigten sich die Oppositionsparteien auf Aljaksandr Milinkewitsch als gemeinsamen Kandidaten für die Wahlen 2006. Manche Beobachter hatten vor den Wahlen die Befürchtung, dass seine (aussichtsreiche) Kandidatur mit juristischen Tricks untersagt werden könnte; durch politische Besuche in Russland und EU-Ländern suchte Milinkewitsch sich im Vorfeld abzusichern. Seinen Mitbewerber Aljaksandr Kasulin und Sjarhej Hajdukewitsch wurden nach Ansicht von Beobachtern von vornherein keine reellen Wahlchancen eingeräumt. Die Wahlen wurden begleitet von der Ankündigung des Geheimdienstes gegen Gegner der Regierung mit lebenslanger Haft und sogar Todesstrafen vorzugehen. [3] Von russischer Seite wurden die Wahlen und deren Verlauf nicht kritisiert. Auch in der Beurteilung der Politik Lukaschenkas steht Russland konträr zu EU und USA. Nachdem Lukaschenka bei den Präsidentschaftswahlen am 19. März 2006 laut dem regierungsnahen Institut EKOOM, dem einzigen von den Behörden zugelassenen Meinungsinstitut 80 % der Stimmen geholt haben soll, haben nach Schließung der Wahllokale bis zu 10.000 Menschen auf dem zentralen Oktoberplatz in Minsk gegen den Präsidenten und die Wahlfälschung demonstriert. [4] [5]. Noch in der Wahlnacht gab die Vorsitzende der Wahlkommission, Lydia Jermoschina, das Ergebnis von 82,6 % für Amtsinhaber Aljaksandr Lukaschenka und sechs Prozent für den Oppositionskandidaten Aljaksandr Milinkewitsch bekannt. Das endgültige Wahlergebnis wurde am 25. März 2006 veröffentlicht [6] Milinkewitsch bezeichnete die Wahl als Farce, sagte, dass die Opposition die Angst besiegt habe und kündigte an, die Wahl nicht anzuerkennen und auch mit internationaler Hilfe eine Annullierung der Wahl anzustreben. [7]

Verwaltungsgliederung

Weißrussland gliedert sich in sechs Verwaltungsbezirke (Woblaste) mit 118 Kreisen (Rajone). Die Hauptstadt Minsk hat einen Sonderstatus und gehört keinem der Woblaste an.

Die weißrussischen Verwaltungsbezirke
  1. Stadt Minsk
  2. Woblast Brest
  3. Woblast Homel
  4. Woblast Hrodna
  5. Woblast Mahiljou
  6. Woblast Minsk
  7. Woblast Wizebsk

Verkehr

Allgemeines

Für Russland ist Weißrussland (zusammen mit Litauen) das Haupttransitland zu seiner Exklave, der Oblast Kaliningrad. Die Hauptverkehrsachse von (Westeuropa-Warschau-) Brest über Baranawitschi-Minsk-Baryssau nach Orscha (-Moskau) verläuft von Südwest nach Nordost quer durch das Land. Sie besteht aus einer von der staatlichen belarussischen Eisenbahn Belaruskaja Tschyhunka betriebenen elektrifizierten Eisenbahnlinie mit parallel verlaufender autobahnartig ausgebauter Fernstraße.

Pipelines

Weißrussland ist zwar aufgrund seiner Lage ein wichtiges Transitland zwischen Mitteleuropa und Russland - 50 % des russischen Erdöls und 25 % des Erdgases fließen über weißrussische Trassen. Wegen der politischen Verhältnisse weicht man jedoch zunehmend auf Nordeuropa oder die Ukraine aus. 2005 wurde der Bau einer Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland beschlossen. Dies wird auch Auswirkungen auf den Gastransit durch Weißrussland haben.

Streit um Transitgebühren

Anfang 2007 forderte die weißrussische Regierung von Russland Transitgebühren für die Benutzung der Ölpipelines nach Westeuropa. Mit dem Geld sollten die Verluste kompensiert werden, die durch die Erhöhung der Gaspreise durch Russland entstanden waren. Dieser Konflikt hatte einerseits ein Aussetzen der Russisch-Weißrussischen Integrationspläne zur Folge, andererseits wurde von mehreren Politikern in der EU die Abhängigkeit von russischer Energie beklagt und eine Umorientierung gefordert.

Eisenbahn

Die Hauptverkehrsachse besteht aus einer von der staatlichen belarussischen Eisenbahn Belaruskaja Tschyhunka betriebenen elektrifizierten Eisenbahnlinie. Die Eisenbahnstrecke erreicht aus Polen kommend die weißrussische Grenze bei Brest in Normalspur (1435 mm Spurweite) und führt von dort in russischer Breitspur (1524 mm) weiter. Auch die Kupplungssysteme der Bahnen des westlichen Europa (Schraubenkupplung) und der Bahnen in Nachfolge der sowjetischen Staatsbahn (Mittelpuffer-Klauenkupplung) sind unterschiedlich, was im Bahnhof Brest einen mehrstündigen Aufenthalt zum Auswechseln der Drehgestelle und Kupplungen erforderlich macht.

Straße

Die Hauptverkehrsachse besteht aus einer parallel zur Eisenbahnmagistrale verlaufenden autobahnartig ausgebauten Fernstraße. Rund um Minsk besteht ein Schnellstraßenring mit Ausläufern nach Litauen/Hrodna und nach Babruisk-Homel im Südosten des Landes. Außerdem sind noch Polazk über Wizebsk und Orscha sowie Mahiljou über Babruisk an Minsk angeschlossen.

Schifffahrt

Im Osten des Landes durchquert in Nord-Süd-Richtung der Dnepr Belarus. In Ost-West-Richtung wird das Land im Süden vom Prypjat durchquert.

Flugverkehr

Bei Minsk befinden sich ein internationaler und ein nationaler Flughafen, daneben bestehen verschiedene Regionalflughäfen. Nationale Fluggesellschaft ist die Belavia. Der internationale Flughafen (IATA Code: MSQ) transportiert jährlich 401.239 Passagiere. Täglich zwischen 7:10 - 22:35 Uhr verbindet ein Shuttle Bus den internationalen Flughafen und die Hauptstadt (Endstation:Hauptbahnhof Minsk) mit stündlichen Abfahrten. Die Bushaltestelle liegt vor dem Terminal 2 (1.Etage, Abfahrthalle). Eine einfache Fahrt kostet 1Euro und dauert 50 Minuten.

Der Taxistand liegt vor dem Terminal 5 und 6. Eine einfache Fahrt dauert 30-35 Minuten

Wirtschaft

Allgemeines

Die weißrussische Wirtschaft wurde nicht in eine Marktwirtschaft umgewandelt, da die Planwirtschaft von der Regierung bevorzugt wird. Aufgrund sehr guter Wirtschaftsbeziehungen zu Russland (starker Export, verbilligter Rohstoffimport), ist die wirtschaftliche Situation stabil. Industrie und Landwirtschaft sind größtenteils in Staatshand. Damit gehört die Wirtschaft Weißrusslands zu den wenigen staatskapitalistischen Volkswirtschaften der Welt.

Die Landwirtschaft, auf die 15 % der Beschäftigung entfällt, wird durch Kollektivierung mit zwei Hauptzweigen beherrscht: den Anbau von Kartoffeln und Viehzucht. Historisch gesehen sind wichtige Industriezweige die Textilindustrie und die Holzverarbeitung. Seit 1965 wurde der Maschinenbau (Traktoren, Kühlschränke) verstärkt ausgebaut. Innerhalb der Sowjetunion gehörte Weißrussland zu den am weitesten entwickelten Teilrepubliken. Wirtschaftlich engagiert sich das Land neben der GUS in der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und in der Russisch-Weißrussischen Union.

Kenndaten

Mit der beginnenden Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen im Jahre 1990 sank die Wirtschaftsproduktion. 1996 begann wieder eine Wachstumsphase, wodurch 2001 sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Industrie die Werte von 1990 wieder erreicht wurden. Das Bruttoinlandsprodukt des Jahres 2005 lag bei 77,77 Milliarden US-Dollar, was ungefähr 7.600 Dollar pro Kopf entsprach. Im Jahr 2005 lag bei einer Inflationsrate von 10 % das reale Wachstum bei etwa 8 bis 9 %. Weißrussland hat laut der UNO den höchsten Lebensstandard in den GUS-Staaten - das durchschnittliche Monatseinkommen wuchs von 20 US-$ auf 225 US-$ innerhalb der letzten 10 Jahre. Die Arbeitslosenrate lag nach Angaben der weißrussischen Regierung 2005 bei etwa 2 %. Experten sagen jedoch, dass die tatsächliche Rate höher ist. Das andere Problem der Wirtschaft ist jedoch die Landeswährung. Diese ist seit der Unabhängigkeit der Weißrussische Rubel. Infolge der Russisch-Weißrussischen Union gab es Verhandlungen über eine Währungsunion. Laut der russischen Nachrichtenagentur ITAR-TASS soll die bisherige Landeswährung abgeschafft und der Russische Rubel zum 1. Januar 2008 eingeführt werden.

Staatsausgaben

Zwischen 1992 und 2000 lag der Anteil der Staatsausgaben für

Wirtschaftsdaten

Die wichtigen Wirtschaftskennzahlen Bruttoinlandsprodukt, Inflation, Haushaltssaldo und Außenhandel entwickelten sich in den letzten Jahren folgendermaßen:

Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP), real
in % gegenüber dem Vorjahr
Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Veränderung in % gg. Vj. 8,4 3,4 5,8 4,7 5,0 7,0 11,4 9,2 ~ 8,5 ~ 4,0
Quelle: bfai [8] ~ = geschätzt
Entwicklung des BIP (nominal)
absolut (in Mrd. US$) je Einwohner (in Tsd. US$)
Jahr 2003 2004 2005 Jahr 2003 2004 2005
BIP in Mrd. US$ 17,8 23,1 29,6 BIP je Einw.
(in Tsd. US$)
1,81 2,36 3,03
Quelle: bfai [8]
Entwicklung der Inflationsrate Entwicklung des Haushaltssaldos
in % gegenüber dem Vorjahr in % des BIP
("minus" = Defizit im Staatshaushalt)
Jahr 2003 2004 2005 2006 Jahr 2003 2004 2005 2006
Inflationsrate 28,4 18,1 10,3 ~ 10,4 Haushaltssaldo -1,2 0,1 -0,2  ??
Quelle: bfai [8] ~ = geschätzt
Haupthandelspartner (2005)
Ausfuhr (in %) nach Einfuhr (in %) von
Russland 35,8 Russland 60,4
Niederlande 15,1 Deutschland 6,4
Großbritannien 7,0 Ukraine 5,4
Ukraine 5,7 Polen 3,5
Polen 5,3 Italien 2,4
Deutschland 4,4
VR China 2,7
sonstige Länder 24,0 sonstige Länder 21,6
alle EU Länder zusammen 44,1 alle EU Länder zusammen 21,4
Quelle: bfai [8]
Hauptprodukte des Außenhandels (2005)
Ausfuhrgüter (Anteil in %) Einfuhrgüter (Anteil in %)
mineralische Rohstoffe und Primärenergieträger 35,4 mineralische Rohstoffe und Primärenergieträger 33,6
Chemie- und Kunststofferzeugnisse 12,9 Maschinen u. Ausrüstungen 15,5
Transportmittel 10,4 Chemie- u. Kunststofferzeugnisse 11,7
Quelle: bfai [8]
Entwicklung des Außenhandels
in Mrd. US$ und seine Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
2003 2004 2005 2006
Mrd. US$ % gg. Vj. Mrd. US$ % gg. Vj. Mrd. US$ % gg. Vj. Mrd. US$
(1.Hj.)
% gg.Vj.
Einfuhr 11,5 26 16,5 43 16,7 1,3  ??  ??
Ausfuhr 10,0 24 13,8 38 16,0 16  ??  ??
Saldo -1,5 -2,7 -0,7  ??
Quelle: bfai [8]

Bildungswesen

Hochschulen

Größte Hochschulen

Die Universitäten und Hochschulen sind großteils in der Hauptstadt:

Hochschulkontakte ins Ausland

Einige tausend junge Weißrussen studieren in Deutschland und eine etwas größere Zahl in Russland oder Ländern des Westens.

Mit den erstgenannten drei Hochschulen hat der Internationale Hilfsfonds von EU und Deutschland Partnerschaften in den Westen eröffnet. Die oft beklagte Isolation war für Weißrussland schon zu Zeiten der Sowjetunion schmerzhaft. Seit der Unabhängigkeit des Landes wuchs die Hoffnung der Universitäten auf Kooperationen, was aber wegen der autoritären Staatspolitik kaum gelang.

Die 1992 gegründete einzige Privatuniversität, die „Europäische Humanistische Universität“ wurde im August 2004 auf staatlichen Druck geschlossen. Sie hatte, größtenteils aus westlichen Mitteln finanziert, Europastudien, Sprach- und Politikwissenschaften angeboten. Auch das Institut für Deutschlandstudien befand sich dort. Die Hochschule wurde im Juni 2005 im Exil in Vilnius (Litauen) wiedereröffnet.

Gesundheitswesen

Verbreitung von HIV-Infektionen und AIDS

Zum ersten April 2004 wurden offiziell 5751 HIV-Infektionen, 107 AIDS-Fälle und 439 AIDS-Tote in der Republik Weißrussland gemeldet. HIV tauchte 1996 zum ersten Mal unter den spritzenden Drogenabhängigen in Swetlahorsk (Woblast Homel) auf. Bis September 1998 waren in der selben Stadt 2173 HIV-Fälle offiziell registriert. Dies macht 81 Prozent aller gemeldeten Fälle im gesamten Land zu dieser Zeit aus. Die Zahl der infizierten Drogenabhängigen stieg auf 74 Prozent. HIV-Tests sind Pflicht für Blutspender, Gefängnisinsassen, Patienten mit sexuell übertragbaren Krankheiten, Drogenabhängige und Prostituierte. Die HIV-Fälle, in welchen die Ansteckungsursache dokumentiert wurde, listen für das Jahr 2003 auf, dass sich 76 % (im Vorjahr: 64 %) durch nicht sterilisierte Spritzen beim Drogenkonsum und 23 % (im Vorjahr: 35 %) durch heterosexuelle Kontakte infiziert haben. 2002 lebten von den 319 dokumentierten Fällen einer heterosexuellen Ansteckung 52 % mit Risikopartnern, hauptsächlich Drogenabhängigen. Wie auch in Russland ist die Krankheit nicht im gesamten Land gleich verteilt, sondern zeigt die höchsten Zahlen im Woblast Homel (3380 Fälle, oder 224,5 auf 100.000 Einwohner) und in Minsk (823 Fälle, oder 47,3 auf 100.000 Einwohner).

Kinderverschickung nach der Tschernobylkatastrophe

Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl haben sich in Deutschland viele private Hilfsorganisationen gegründet, welche den Kindern aus den vom radioaktiven Fallout betroffenen Gebieten Erholungsaufenthalte bieten. Dadurch wird das Immunsystem der Kinder gestärkt und die Völkerverständigung gefördert. Vom Staat Weißrussland und von der Deutschen Botschaft werden diese Erholungsaufenthalte unterstützt. Da man die Bevölkerung vor dem „schädlichen“ Einfluss des Westens schützen möchte, werden Ausreisemöglichkeiten vor allem für jüngere Leute immer mehr erschwert (zum Beispiel Erholungsaufenthalte für Kinder aus radioaktiv belasteten Regionen, Studentenaustausch) - ein Beitrag zur Isolation des Landes, allerdings war die Ausreise der „Tschernobylkinder“ problemlos möglich.

Weitere Artikel

Literatur

Spezialisierte Literatur

  • Olga Abramova: Integration zwischen Realität und Simulation. Die belarussisch-russländischen Beziehungen seit 1991, Untersuchungen des Forschungsschwerpunktes Konflikt- und Kooperationsstrukturen in Osteuropa an der Universität Mannheim (FKKS) 19, Mannheim, 1998
  • Claudia M. Buch: Währungsreformen im Vergleich: monetäre Strategien in Russland, Weißrussland, Estland und der Ukraine, Kieler Studien 270, Tübingen, 1995
  • Irina Bugrova, Svetlana Naumova: Parliamentary elections and foreign policy orientations of Belarus, in: Vector – Belarusian Journal of International Politics, 1/1, S. 2-7, 1996
  • Heinrich Linus Förster: Von der Diktatur zur Demokratie - und zurück? Eine Auseinandersetzung mit der Problematik der Systemtransformation am Beispiel der ehemaligen Sowjetrepublik Belarussland., Hamburg, 1998
  • Rainer Lindner: Historiker und Herrschaft. Nationsbildung und Geschichtspolitik in Weißrussland im 19. und 20. Jahrhundert, Ordnungssysteme 5, München, 1999
  • Rainer Lindner: Präsidialdiktatur in Weißrussland: Wirtschaft, Politik und Gesellschaft unter Lukaschenko, in: Osteuropa 47/10-11, S.1038-1052, 1997
  • Astrid Sahm: Schleichender Staatsstreich in Belarus. Hintergründe und Konsequenzen des Verfassungsreferendums im November 1996, in: Osteuropa, 47/9, 1997, S. 475-487
  • Roland Scharff: Belarus zwischen Europa und Russland, Osnabrück, 2001
  • Eberhard Schneider: Der erste Mann Weißrusslands: Stanislau Schuschkewitsch, in: Osteuropa, 43/12, 1993, S.1147-1151
  • Jan Zaprudnik: Historical dictionary of Belarus, London, 1998

Weblinks

Fußnoten

  1. http://web.amnesty.org/report2005/blr-summary-eng
  2. http://de.rian.ru/world/
  3. http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5333712_REF3,00.html
  4. http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5339922_NAV_REF1,00.html
  5. http://de.rian.ru/world/
  6. http://de.rian.ru/world/
  7. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,406838,00.html
  8. a b c d e f Entwicklung des BIP von Belarus bfai, 2006, siehe: Wirtschaftsdaten kompakt

Koordinaten: 51°-56° N, 23°-33° O