Chinon
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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen finden sich unter Chinon (Begriffsklärung). |
Koordinaten: 47° 10′ 05″ N 00° 14′ 20″ O
Chinon | ||
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Region | Centre | |
Département | Indre-et-Loire | |
Arrondissement | Chinon | |
Kanton | Chinon | |
Geografische Lage | 47° 10′ N 00° 14′ O | |
Höhe | 37 m (27 m–112 m) |
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Fläche | 39,02 km² | |
Einwohner – mit Hauptwohnsitz – Bevölkerungsdichte |
(1999) 8169 Einwohner 209 Einw./km² |
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Postleitzahl | 37500 | |
INSEE-Code | 37072 | |
Website | www.ville-chinon.com |
Chinon ist eine Stadt im Département Indre-et-Loire, Frankreich. Chinon liegt zu beiden Seiten des Flusses Vienne, der unweit der Stadt in die Loire mündet. Sie ist Unterpräfektur des Arrondissement Chinon. In Chinon befindet sich das Kernkraftwerk Chinon mit vier aktiven Druckwasserreaktoren und drei stillgelegten Magnoxreaktoren.
Auf dem Hochplateau prangt eine große Burg über der Stadt. Das Chateau de Chinon war auf einer gallorömischen Befestigung errichtet worden. Teile der Burg selbst ließ Theobald I., Graf von Blois ab dem Jahr 954 erbauen. Im 12. Jahrhundert war dieser Teil des heutigen Frankreichs unter der Herrschaft der Engländer. Chinon war Residenzstadt von König Heinrich II. von England. Große Teile des Chateaus wurden durch ihn erbaut; die Burg erstreckt sich über 430 Meter in die Länge und 85 Meter in die Breite mit einem Turm, dessen Höhe etwas weniger als 40 Meter beträgt. König Heinrich II., seine Frau Eleonore von Aquitanien und ihr Sohn König Richard Löwenherz sind alle in der nahen Abtei Fontevrault begraben.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte der Burg
Um die Bedeutung dieser heute ziemlich heruntergekommenen Burg zu verstehen, muss man etwas von den Herrschaftsverhältnissen der jeweiligen Besitzer wissen. Hier wurde bereits im 10. Jh. eine feste Burg errichtet. 1044 fiel die Anlage an die Grafen von Anjou, und damit begann ihre historische Karriere. Denn ein Graf aus dem Haus der Anjou sollte einer der bedeutendsten Herrscher des europäischen Mittelalters werden: Heinrich II., König von England, genannt auch ‚Heinrich der Löwe’ – nicht zu verwechseln mit dem deutschen ‚Heinrich dem Löwen’ -, Ehegatte der Eleonora von Aquitanien, Vater von Richard Löwenherz und Johann Ohneland und großer Freund und späterer Gegenspieler des Erzbischofs Thomas Becket. Hier in Chinon ist Heinrich II. 1189 gestorben, angeblich aus Kummer über den Verrat seines Sohnes Richard. Begraben wurde er in Fontevraud.
[Bearbeiten] Filme
Es gibt zwei sehr interessante, große englische Spielfilme zu diesem Thema, in beiden Fällen wird Heinrich II. von Peter O’Toole gespielt, einmal 1963 zusammen mit Richard Burton als Thomas Becket in dem Film „Becket“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von Jean Anouilh, das andere Mal an der Seite von Katharine Hepburn in dem Spielfilm „Der Löwe im Winter“ von 1968. Dieser Film spielt auch in Chinon, auch wenn er woanders gedreht wurde.
[Bearbeiten] Heinrich II.
Heinrich II. wurde 1133 in Le Mans geboren als Sohn des Grafen Gottfried Plantagenet von Anjou. Seine Mutter Mathilde war die Tochter des englischen Königs Heinrichs I. und diese Beziehung zum englischen Königshaus sollte Schicksal bestimmend werden für ihn und für Frankreich. Die Beziehungen zwischen England und Frankreich sind ja heute noch leicht problematisch trotz der offiziellen Freundschaft. Man konnte das 1994 noch an entsprechenden Reaktionen in der Bevölkerung anlässlich der Eröffnung des neuen Einsenbahntunnels unter dem Ärmelkanal beobachten. England und Frankreich haben im Laufe der vergangenen Jahrhunderte zahlreiche Kriege gegeneinander geführt. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass man eigentlich aus einer Familie kommt.
1066 war England von der Normandie aus erobert worden und mit der normannischen Herrschaft wurde in der englischen Geschichte ein völlig neues Kapitel aufgeschlagen. Bis ins 14. Jh. war Französisch die Sprache des englischen Adels und des Hofes. Die familiären Beziehungen zwischen englischen und französischen Herrscherfamilien spiegeln sich auch in der Abstammung von Heinrichs Eltern.
[Bearbeiten] Eleonora von Aquitanien
Mit 17 Jahren wurde Heinrich im Jahr 1150 Herzog der Normandie, ein Jahr später Graf von Anjou und 1154 englischer König. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er mit 19 Jahren eine der interessantesten und auch reichsten Frauen des europäischen Hochadels geheiratet, die 13 Jahre ältere Eleonora von Aquitanien, der große Teile Frankreichs gehörten und die bereits eine Ehe hinter sich hatte, und zwar mit dem französischen König Ludwig VII. Sie war also schon Königin von Frankreich gewesen. Die Ehe mit Ludwig VII. kam auf Veranlassung ihres Vaters Wilhelm X. zustande. Dieser hatte sich 1137 selber auf den Pilgerweg nach Santiago begeben als Buße dafür, dass er den Antipapst Anaclet unterstützt hatte. Doch bevor er sein Ziel erreichen konnte, starb er. Auf dem Sterbebett ordnete er an, dass seine Tochter und Erbin Eleonora König Ludwig VII. heiraten sollte.
Mit Ludwig hatte Eleonora zwei Kinder, mit Heinrich sollten nochmals acht dazukommen, darunter neben dem legendären Richard Löwenherz auch die älteste Tochter aus dieser Ehe, Mathilde, die später den deutschen Herrscher Heinrich den Löwen heiratete und die Mutter von Otto IV. wurde, dem deutschen Kaiser. Also: Eleonora war auch die Großmutter eines deutschen Kaisers.
Sie war eine sehr gebildete, schöne und leidenschaftliche Frau, Ludwig VII. war aber nicht der Mann, der das zu schätzen wusste. Ihn, der genauso alt war wie sie, hatte sie 1137 mit 17 Jahren nur auf Geheiß ihres todkranken Vaters geheiratet und dadurch waren große Teile des Westens und Südwesten des Landes an das französische Königshaus gelangt, das ja solche Unterstützung dringend brauchte.
Aber diese Ehe wurde nicht glücklich. Eleonora bezeichnete ihren Mann wiederholt als „eine Art Mönch“, und das war nicht das, was sie wollte. 1147 hatte sie Ludwig auf dem II. Kreuzzug begleitet und während dieser Zeit soll sie ein ziemlich zügelloses Leben geführt haben. Schon damals kursierten wilde Gerüchte über ihr ausschweifendes Liebesleben. Jedenfalls ließ Ludwig VII. 1152 seine Ehe mit Eleonora – gegen den dringenden Rat seines Beraters, des Abtes Suger von St-Denis - annullieren, und das hätte er im Sinne Frankreichs besser nicht getan.
Denn damit ging natürlich nicht nur Eleonoras riesiger Besitz im Westen dem Königshaus verloren, sondern sie hatte auch nichts besseres zu tun, als mit unglaublichem Gespür für hoffnungsvolle junge Männer noch im selben Jahr den damaligen Grafen von Anjou zu heiraten, der nur wenig später als Heinrich II. König von England werden sollte. Und damit kam der Westen Frankreichs in englische Hände - mit ungeheueren historischen Konsequenzen, die im Hundertjährigen Krieg kulminierten. Heinrich II. wurde durch die Erbschaft seiner Frau der an Grund und Boden reichste Herrscher Europas. Also: Der Lebenswandel einer einzigen Frau hat hier die Weltgeschichte maßgeblich beeinflusst.
Aber die Ehe mit Heinrich II. wurde auch nicht glücklich, trotz der acht Kinder. Gerüchten zufolge soll Eleonora ursprünglich Heinrichs Vater Gottfried den Schönen begehrt haben, der aber bereits verheiratet war. Eleonora war so etwas wie eine frühe Feministin. Sie war sich ihrer Bedeutung, ihrer Schönheit und ihres Besitzes wohl bewusst und keineswegs bereit, das alles willenlos einem einzigen Mann zu opfern, auch wenn er König war. Mit ihrem Gatten Heinrich II. hat sie sich viele private Familienfehden geliefert, wiegelte seine Söhne gegen ihn auf usw. - in dem Film „Der Löwe im Winter“ wird das sehr anschaulich geschildert.
Aber Heinrich war klüger als Ludwig VII. Er ließ sich natürlich von einer so reichen Frau nicht scheiden, sondern er sperrte sie ein. 16 Jahre lang ließ er sie streng bewacht von Burg zu Burg schleppen, ohne dass sie wirksam gegen ihn intrigieren konnte. Trotz allem erreichte Eleonora ein biblisches Alter. Sie überlebte Heinrich um 15 Jahre und starb erst 1204 im Alter von 84 Jahren, eine für die damalige Zeit legendäre Lebensspanne.
Auf Grund der beschriebenen familiären Konflikte auf der Herrschaftsebene hatte der französische König also eine mächtige Konkurrenz um die Macht im eigenen Land - den englischen König. Und der residierte hier in Chinon.
[Bearbeiten] Die Burg
Damit sind wir wieder bei der Burganlage. Heinrich II. hatte diese Burg fast vollständig erneuern lassen. Aber sie blieb nicht lange in englischem Besitz. Einer der Söhne Heinrichs war der spätere König Johann Ohneland, John Lackland, und dieser Name deutet schon darauf hin, dass er viel von dem, was sein Vater gewonnen hatte, wieder verlor.
Der erste Gatte Eleonoras Heinrich VII. heiratete ebenfalls wieder und einer seiner Söhne aus dieser Ehe war der spätere berühmte französische König Philipp II. Augustus. Der eroberte 1205 die Burg von Chinon nach einjähriger Belagerung, und sie sollte dem französischen Königshaus nie wieder verloren gehen. In dem bereits erwähnten Spielfilm ‚Der Löwe im Winter’ ist Philipp Augustus eine der Hauptpersonen – übrigens auch in einer zumindest angedeuteten homosexuellen Beziehung zu Richard Löwenherz.
[Bearbeiten] Jeanne d’Arc
Das berühmteste Ereignis in diesem Schloss aus späteren Zeiten, durch das die französische Geschichte eine Wende nahm, hatte wiederum mit den Auseinandersetzungen Frankreichs mit England zu tun. Am 9. März 1429 fand hier während des hundertjährigen Krieges die Begegnung Jeanne d’Arcs mit dem unentschlossenen und mutlosen König Karl VII. statt, der hier die Generalstände versammelt hatte. Hier überzeugte sie ihn, dass er Orléans zu Hilfe kommen müsse. Bekannt ist diese berühmte Szene aus diversen Theaterstücken, beispielsweise von Georg Bernhard Shaw. Bis 1459 blieb der französische Königshof in Chinon.
Man hat hier mittlerweile der heiligen Johanna ein gesondertes Museum eingerichtet und das befindet sich in dem allein stehenden sog. Uhrturm am rechten Rand der Anlage. Er ist der einzige noch vollständig erhaltene Bauteil.
Die übrige Anlage besteht zumeist nur noch aus einigen Grundmauern, über die man aber mit einem gewissen historischen Erschaudern wandelt, wenn man sich bewusst macht, welche hochbedeutenden Menschen hier schon einhergegangen sind. 1633 ging das Schloss in den Besitz des Kardinals Richelieu über, dessen Erben es bis zur Französischen Revolution hielten. Danach verfiel es und auch einige Sicherungsmaßnahmen des 19. Jhs. konnten nicht mehr viel retten.
Die spätere Burganlage bestand aus drei getrennten Schlössern, die durch Brücken verbunden waren, aber getrennt verteidigt werden konnten.
Von der Burg hat man einen wunderbaren Blick auf die Stadt Chinon, von der besonders das hervorragend erhaltene Stadtbild gelobt wird.
Das Chateau war auch Residenz des Dauphins Karls VII. im frühen 15. Jahrhundert. Hierher kam auch die legendäre Johanna von Orleans am 8. März 1429 um ihn als Dauphin dazuzudrängen, sich zum König Frankreichs zu ernennen und eine Armee zur Befreiung Frankreichs von den Engländern auszuheben.
Chinon ist der Geburtsort von François Rabelais, (* um 1493; † 1553), ein bekannter Schriftsteller der Renaissance, der für seine Bücher Gargantua berühmt wurde.
1562 gelangte das Chateau in den Besitz der Hugenotten und wurde unter Heinrich IV. zu einem Gefängnis. Bald wurde es jedoch verlassen und verblieb bis 1793, bis zur Terrorherrschaft der Jakobiner ungenutzt. Danach verfiel es, bis schließlich Kaiser Napoléon III. eine Rekonstruktion und Sanierung veranlasste. Heute wird das Chateau als Touristenmagnet durch die Stadtverwaltung genutzt.
[Bearbeiten] Weinbaugebiet Chinon
Die hier produzierten Weine gelten derzeit als eine der Besten in ganz Frankreich. Oberhalb der Ufer der Vienne und für Besichtigungen offen, liegen die Weinkeller, in denen Chinons berühmte Cabernet Franc-Rotweine gelagert werden. Diese "Keller" sind eigentlich Höhlen, die in den porösen Kalkstein gehauen wurden, um daraus die Steine für den Bau der Burg zu gewinnen. Vor allem die höher gelegenen Höhlen, deren Vorderfront viel Sonnenlicht erhielt, wurden vielfach auch als Wohnungen genutzt, indem man den Eingang mit einer Wand, Türen und Fenstern versah. In einer dieser Wohnhöhlen wurde das "Musée Ste. Ragegonde" eingerichtet.
Die AOC Chinon verfügt über 2200 Hektar Rebfläche und liegt in der Region Touraine, gegenüber des Weinbaugebiets Bourgueil (siehe auch den Artikel Loire (Weinbaugebiet)). Das Rebland verteilt sich auf:
- Sand- und Kiesböden in der Region Vérnon, dem ehemaligen Überschwemmungsland zwischen Loire und Vienne. Hier wachsen leichte Weine.
- Kalkstein- und Tuffsteinhänge sowie angrenzende Plateaus um Cravant-les Coteaux, Sazilly und Beaumont-en-Véron. Hier entstehen mittelschwere Rotweine von Spitzenklasse mit einem hervorragenden Alterungsvermögen. In guten Jahrgängen kann ein hervorragender Chinon einige Jahrzehnte lagern.
Im Jahr 2002 wurden 108.609 hl Rotwein (bzw. kleine Mengen Roséwein) und 1.100 hl Weißwein aus der Rebsorte Chenin Blanc gekeltert.
[Bearbeiten] Städtepartnerschaften
Chinon, Hofheim und Tiverton bilden ein "Städtedreieck".