Combino
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Als Combino werden Niederflur-Straßenbahn-Triebwagen bezeichnet, die von Siemens-Duewag 1996 erstmals als Prototyp gebaut wurden. Wegen ihres modularen Aufbaus mit standardisierten Bauteilen und des daraus resultierenden geringeren Preises galt der Combino zunächst als einer der erfolgreichsten Straßenbahn-Standardtypen. Rund 500 Fahrzeuge dieses Typs wurden in die Städte Amsterdam, Augsburg, Basel, Bern, Budapest, Düsseldorf, Erfurt, Freiburg im Breisgau, Hiroshima, Kaohsiung, Melbourne, Nordhausen, Potsdam, Poznan, Ulm und Almada verkauft.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Konzept
Der Combino wurde von Siemens Düsseldorf, ehemals Duewag AG, als Antwort auf den ständigen Preisdruck am Markt entwickelt. Die Entwicklung begann 1994. Ziel des innovativen Konzepts war die Umstellung von der oft maßgeschneiderten Kleinserie zu einer wesentlich ökonomischeren industriellen Großserien-Fertigung. Das Fahrzeug wurde als Modulsystem aus standardisierten Baugruppen konzipiert und sollte so alle Einsatzmöglichkeiten abdecken. Das Konzept war weltweit sehr erfolgreich.
Der Combino ist in unterschiedlichen Längen, drei Wagenbreiten (2300, 2400, 2650 mm) und zwei Spurweiten, als Ein- oder Zweirichtungsfahrzeug, und als DuoCombino mit zusätzlichem Dieselantrieb lieferbar. Die aus Aluminium gebauten Fahrzeuge haben eine Länge von 19 Metern (Nordhausen) bis 43 Metern (Basel). Der aus Stahl gebaute Combino-Abkömmling NF12 für Budapest erreicht sogar eine Länge von 54 Metern.
[Bearbeiten] Design
Grundlage des Designs waren sehr enge Zielvorgaben des Unternehmens, wie die Optimierung aller Baugruppen unter funktionalen, wirtschaftlichen und wartungstechnischen Gesichtspunkten. Beispiel sind die senkrechten flächigen Seitenwände. Das Design sollte die Ziele des Unternehmens unterstützen, prägnant sein und einen großen Kundenkreis ansprechen.
Das Design des ersten Combino wurde 1994-96 von dem Industrial Designer Werner Paulussen entwickelt. Zielsetzung war ein freundliches und funktionales Fahrzeugdesign mit hohem Wiedererkennungswert und optimierten ergonomischen Eigenschaften. Dazu gehörte auch eine blendfreie Zielanzeige und eine gute Sicht. Wartung und Lebenszyklus-Kosten waren weitere wichtige Faktoren bei der Gestaltung. Der Innenraum ist großzügig und hell gestaltet.
Insgesamt hat Paulussen-Design das Projekt über zehn Jahre betreut und vier unterschiedliche Fahrzeugköpfe für die Combino-Serie entwickelt. Die erste Serie kam in Potsdam, Augsburg, Freiburg, Basel zum Einsatz. Die zweite Serie wurde für die Amsterdam Verkehrsbetriebe kompakter gestaltet. In Amsterdam werden 155 Fahrzeuge eingesetzt, weitere Fahrzeuge dieser Serie wurden nach Poznan (Posen) und Ulm geliefert. Für die sieben Ulmer Fahrzeuge übernahm der Designer Busse die farbliche Anpassung. Die dritte Serie mit einem sehr geräumigen Fahrerraum fährt in Erfurt, Nordhausen, Freiburg, Melbourne, Budapest und Bern mit geänderter Bughaube. Für Freiburg, wurde eine doppelte Zielanzeige aufgebracht. Die vierte Serie wird in Almada, Portugal eingesetzt. In Dalian, China, fährt ein Plagiat im angenäherten Combino-Design. Hierfür wurde die Auszeichnung Plagarius verliehen, die Produktpiraterie anprangert.
Combino in Erfurt |
Combino in Augsburg |
Combino der Düsseldorfer RBG |
[Bearbeiten] Technik
Der Combino wurde in einer Aluminium-Schraubbauweise in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Alusuisse hergestellt. Die verschraubten Baugruppen aus Aluminium-Strangpress-Profilen erreichen eine gut lackierfähige Oberfläche. Somit konnten gegenüber herkömmlicher Stahlbauweise Richt- und Spachtelarbeiten eingespart werden.
Der Combino besitzt keine Drehgestelle, sondern sogenannte Fahrwerke – die Räder werden in Fahrwerksrahmen gelagert, welche nicht drehbar unter den kurzen Waggonsegmenten angeordnet sind, die dann über Drehgelenke und Faltenbalg mit achslosen, längeren Waggonsegmenten verbunden sind. Die Räder sind nicht durch eine Achse verbunden, sondern einzeln gelagert und paarweise mit Längsmotoren angetrieben. Vorteil dieser Bauart ist der durchgehende Niederflur, der bequemes Einsteigen und Barrierefreiheit (für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen) im gesamten Wagen erlaubt.
Dieses Konstruktionsprinzip hat aber auch besonders unruhige Laufeigenschaften zur Folge, da die Gleisführung auch bei kleinen Richtungskorrekturen auf gerader Strecke unmittelbar auf das gesamte Gefährt einwirkt und nicht nur auf ein Drehgestell wie bei konventioneller Bauform. Das bedeutet einen erhöhten Verschleiß der Radreifen und des Gleises, selbst auf gerader Strecke.
Die Modulbauweise der Combinos ist so ausgelegt, dass die Fahrzeuge theoretisch ohne großen Aufwand verlängert oder verkürzt werden könnten. So sind beispielsweise alle für ein Antriebsmodul nötigen Steuerungselemente direkt über diesem angeordnet, was insbesondere aufwändige Verkabelungsarbeiten vermeidet. In vielen Aspekten bietet das Fahrzeug auch Vorteile bei der regulären Wartung: So kann beispielsweise die Motor-/Getriebeeinheit seitlich entnommen werden, ohne den Wagen anheben zu müssen. Im Innenraum sind in den langen Modulen alle Sitze an der Seitenwand befestigt; der Boden ist dort frei von Stützen und kann leicht gereinigt werden, und die Sitzanordnung lässt sich durch Verschieben der Sitze auf der Befestigungsschiene bei Bedarf ohne große Umbauten anpassen.
Ursprünglich sah das Combinokonzept auch einachsige Endmodule vor - ein solches wurde aber nur am vierteiligen und fünfachsigen Prototypen realisiert und nicht weiterverfolgt.
Bei der Straßenbahn Nordhausen wird auf einer zum Teil nichtelektrifizierten Strecke ein Modell mit Hybridantrieb eingesetzt. Angetrieben werden die Fahrzeuge von einem 8-Zylinder-Pkw-Motor von BMW.
Inzwischen zeigten sich Schwächen des Aluminium-Schraub-Systems: Bei den geschraubten Aluminium-Rahmen der Züge lösen sich Verbindungen, einige der Straßenbahnen zeigen Risse in den Verbindungen zwischen Dächern und Seitenwänden. Anfang 2004 lagen große Teile der Combino-Flotte still, weil Siemens Einstürze der Fahrzeug-Dächer oder fortschreitende Beschädigungen an den Seitenwänden nicht ausschließen konnte. Mittlerweile ist bis auf einige stark beschädigte Wagen der allergrößte Teil der Combinos wieder im Einsatz. Als eine der Ursachen wurde inzwischen erkannt, dass die Entwicklungsingenieure bei der Berechnung der Wagenkastenstabilität einzukalkulieren vergessen hatten, dass durch die überwiegend auf dem Dach montierte Ausrüstung und die fehlende Wankmöglichkeit der Wagenteile gegeneinander erhebliche Kräfte auf die Gesamtkonstruktion einwirken.
Zwar dementiert Siemens, dass 450 der weltweit verkauften "Combino-Straßenbahnen" fast völlig neu aufgebaut werden müssen, dennoch hat der Konzern inzwischen rund 400 Millionen Euro Rückstellungen für diese Risiken gebildet. An einer Sanierung der Wagen arbeitet Siemens; die ersten vollsanierten Bahnen fahren in Amsterdam, Erfurt, Freiburg, Nordhausen und Posen.
[Bearbeiten] Potsdam
Die Verkehrsbetriebe der Stadt Potsdam schafften bereits 1997 – als erste Kommune weltweit – den Siemens Combino an. Bei der Einführung wurde die Barrierefreiheit der neuen Wagen hervorgehoben. Bis 2009 sollten insgesamt 48 Fahrzeuge angeschafft werden. Aufgrund der Combino-Probleme ist die weitere Lieferung jedoch ausgesetzt, derzeit wird nach anderen Straßenbahntypen als Ersatzmodell gesucht.
Die Bestellung aus Potsdam spielte in den folgenden Jahren eine große Rolle bei PR-Aktionen in anderen Städten. Waren dort Neuanschaffungen geplant, wurden Fahrzeuge aus Potsdam dort zu Demonstrationszwecken vorgeführt.
[Bearbeiten] Budapest
Für Budapest entwickelte Siemens den Combino Plus, einen Straßenbahnwagen, der zwar im Design stark den bisherigen Combino-Konstruktionen ähnelt, aber in einigen grundlegenden Punkten abweicht. Zum einen ist die Konstruktion nun aus Edelstahl statt Aluminium, zum anderen gibt es keine fahrwerklosen Module mehr. Das Fahrzeug ist mit 54 Metern Länge der zur Zeit längste Straßenbahnwagen der Welt und besteht aus sechs Elementen mit je einem Fahrwerk, die mit zwei unterschiedlichen Gelenkbauarten verbunden sind, wobei zwei der fünf Gelenke auch einen Querversatz der Wagenkästen zulassen. Im März 2006 wurde das erste Fahrzeug angeliefert. Der Name Combino Supra ist eine Bezeichnung der BKV. Der Einsatzbeginn in Budapest führte zu weiteren Herausforderungen in der Combino-Fahrzeugentwicklung. Selbst von Rückgabe der Trams wurde seitens der zuständigen Stellen gesprochen, was allerdings weniger auf technische als eher auf wahlkampfbedingte Überlegungen zurückzuführen war.
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Combino – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |