Diplomatik
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Die Diplomatik (Urkundenlehre, von altgr. diploma „Gefaltetes“, aus diplóos „doppelt“) ist eine der beiden großen Disziplinen der historischen Hilfswissenschaften, die sich mit der Einteilung, den Merkmalen, der Ausstellung, der Überlieferung, der Echtheit und dem historischen Wert von Urkunden beschäftigt.
Der Begriff Diplomatik geht wohl auf die Schrift De re diplomatica (lat. Über die Urkunden, Paris, 1681) des Benediktiners Dom Jean Mabillon (1632-1707) zurück. Sie stellt die Antwort auf die Zweifel des belgischen Jesuiten Daniel Papebroek an der Echtheit der ältesten merowingischen Urkunden der Abtei Saint-Denis dar. Mit diesem Werk begann auch die Einführung einer wissenschaftlichen Vorgehensweise. Der Nachweis der Authentizität von Schriftstücken war auch der ursprüngliche Hauptzweck der Diplomatik (lat. discrimen veri ac falsi Unterscheidung des Wahren vom Falschen). Die Ganzfälschung oder die Veränderung von Urkunden, letztere durch Überschreiben (z. B. Palimpsest), Ausradieren oder Hinzufügen (negative oder positive Interpolation), diente vor allem im Mittelalter dazu, nicht existierende Rechte zu begründen oder Rechte, die bisher nicht durch Urkunden dokumentiert waren, zu sichern. Die Zuordnung zu den historischen Hilfswissenschaften erfolgte erst im 19. Jahrhundert, da im Zentrum der Diplomatik somit zunächst die Bekämpfung von Fälschungen stand und sie daher als ein Teil der Rechtswissenschaft zu sehen war.
Bei der Untersuchung von Urkunden werden ihre paläografischen, sprachlichen und inhaltlichen Merkmale sowie ihre Überlieferung und Typologie ausgewertet.
Begründer der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Urkunden ist im deutschsprachigen Raum wohl Johann Heumann von Teutschenbrunn (1711-1760). Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Diplomatik in Deutschland sehr intensiv betrieben, weshalb manche deutschen Fachbegriffe auch internationale Bedeutung haben.
Kern der Spezialdiplomatik, wie sie Theodor von Sickel in der Mitte des 19. Jahrhunderts begründet hat, ist die Frage nach der Kanzleimäßigkeit einer einzelnen Urkunde. Der Urkundenforscher versucht, die inneren und äußeren Merkmale der Urkunde in anderen zeitgenössischen Urkunden wiederzufinden, um daraus auf die Praxis der Personengruppe zu schließen, die für einen Fürst, Geistlichen oder eine Institution Urkunden erstellten ("Kanzlei"). Im Zentrum der Untersuchung stehen dabei derjenige, der den Urkundentext entworfen hat (Diktator), und derjenige, der die Urkunde tatsächlich auf das Pergament geschrieben hat (Mundant).
Mit der Diplomatik verbundene Teilgebiete sind die Sphragistik oder Sigillografie (Siegelkunde), die Chronologie und die Heraldik (Wappenkunde).
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Harry Bresslau: Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, 3 Bde., 2. Aufl. Leipzig u. a. 1911 - 1960 (ND Berlin 1968-1969).
- Leo Santifaller: Urkundenforschung. Methoden, Ziele, Ergebnisse, 4. Aufl., Wien u. a. 1986 (Böhlau Studienbücher).
- Thomas Vogtherr: Urkunden und Akten, in: Aufriss der historischen Wissenschaften. Bd. 4: Quellen. Stuttgart 2002, S. 146-167.