Merowinger
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Das Geschlecht der Merowinger (oder Merovinger) stellte bis ins Jahr 751 die Herrschaftsdynastie der Franken, wurde aber dann durch die Karolinger verdrängt (siehe auch Fränkisches Reich).
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[Bearbeiten] Geschichte
Die Merowinger waren das älteste fränkische Königsgeschlecht, möglicherweise hervorgegangen aus dem germanischen Stamm der Sugambrer. Der Name ist abgeleitet von Merowech (oder Meroväus). Von ihm und seinen beiden Vorgängern ist außer legendenhaften Überlieferungen nichts bekannt.
In Tournai wurde 1653 die Grabstätte seines Sohnes Childerich I., eines Königs der Salfranken, gefunden. Dem König waren mehrere Kostbarkeiten ins Grab gelegt worden, zudem trug er die Kleidung eines römischen Generals. Childerich hatte tatsächlich als Föderat für Westrom und später für den Heermeister Aegidius gekämpft, der sich nach 461 ein eigenes Reich in Nordgallien aufbaute. Childerichs Sohn Chlodwig I. regierte von 482 bis 511 und erhob das Frankenreich durch Siege über Syagrius, den Sohn des Aegidius, die benachbarten fränkischen Kleinkönigreiche (Sigibert von Köln, Ragnachar), Alamannen und die Westgoten sowie durch die Annahme des Christentums zu weltgeschichtlicher Bedeutung. Dabei machten sich die Merowinger auch die Gallo-römische Kultur zu Nutze und lehnte sich an die spätrömische Verwaltungspraxis an. Chlodwig teilte das Reich unter seinen vier Söhnen, doch starben drei Linien aus, so dass Chlothar I. von 558 bis 561 das ganze Reich durch Thüringen und Burgund erweitern konnte. Mit seinem Tod endet die spätantike Phase des Reiches.
Unter Chlothars Nachfolgern wurde das Reich wieder geteilt und durch Bruderkriege zerrissen (beispielsweise um Brunichild, Zeit der sogenannten „Merowingischen Gräuel“), von Chlothar II. jedoch 613 wieder vereinigt. Chlothar II. und Dagobert I. waren dann die letzten großen Herrscher der Merowinger, und doch fing bereits unter ihnen der Einfluss der Hausmeier (maior domus) an zu wachsen. In dieser Situation erhob sich das mit den Arnulfingern verbündete Geschlecht der Pippiniden zu solcher Macht, dass Grimoald, der Sohn von Pippin dem Älteren, 656 den Versuch unternahm, statt des Merowingers Dagobert II. seinen eigenen Sohn zum König von Austrasien (Hauptstadt Metz) zu erheben. Weil die anderen mächtigen Familien dies (noch) nicht duldeten, hielten die Merowinger ihre Machtstellung noch weitere 100 Jahre.
Seit 687 hatten die aus den Arnulfingern und Pippiniden hervorgegangenen Karolinger offenbar praktisch vollständig die Macht in der Hand. Karl Martell konnte schließlich die karolingischen Hausmeier-Ämter in sich vereinigen. Einer seiner Söhne, Pippin der Jüngere erhob noch einmal einen Merowinger, Childerich III. 743 zum König, ließ ihn aber 752 durch den Papst wieder absetzen und ins Kloster weisen. Damit endete die Herrschaft der Merowinger, die zuletzt nur noch zeremoniell gewesen war.
Ihr Erscheinungsbild war geprägt von langen Haaren. In einem damals bereits altertümlichen Dialekt ließen sie Proklamationen verlesen, die von ihren Hausmeiern verfasst worden waren. - Diese Beschreibung stammt aus der mittelalterlichen Biographie Karls des Großen und ist wahrscheinlich polemisch übertrieben und verzerrt, um dem neuen karolingischen Herrschergeschlecht mehr Legitimität zu verleihen.
[Bearbeiten] Historische Quellen
- früheste Zeit der Merowinger: Gregor von Tours (nicht immer zuverlässig)
- spätere Zeit: Fredegar (und sein Fortsetzer), Metzer Annalen (erst in karolingischer Zeit entstanden)
[Bearbeiten] Kunstgeschichte
Architektur siehe Vorromanik
[Bearbeiten] Herrscher
Die Auflistung der Herrscher stellt aufgrund der ständigen Teilungen des Reiches unter die Söhne ein Problem dar. Teilweise herrschten bis zu vier Brüder oder andere Verwandte gleichzeitig in Teilreichen. Die beiden wichtigsten waren Austrasien im Osten und Neustrien im Westen des Kerngebietes des fränkischen Königreichs.
- Pharamond, (ca. 420 - ca. 428)
- Chlodio, der Langhaarige (ca. 428 - ca. 447)
- Merowech (ca. 447 - ca. 457)
- Childerich I. (457-482)
- Chlodwig I., der Große (482-511)
- Chlothar II. (613-629)
- Charibert II. (629-632) Aquitanien
- Dagobert I., der Gute (629-639)
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- Theuderich III. (679-690)
- Chlodwig III. (690-694)
- Childebert III. (694-711)
- Dagobert III. (711-715)
- Chilperich II. (715-721)
- Theuderich IV. (721-737)
- Childerich III. (742-751)
Zu den verwandtschaftlichen Beziehungen siehe: Stammliste der Merowinger
[Bearbeiten] Forschung
Neben den schriftlichen Quellen zur Epoche der Merowinger ziehen wir heute hauptsächlich Informationen aus archäologischen Quellen. Eine archäologische Quelle ist eine Information, die nur mit Methoden der Archäologie erschlossen werden kann, d. h. erst durch ihre Ausgrabung die Kenntnisse preisgibt. In erster Linie stehen uns hierfür Gräber zur Verfügung, deren genaue Dokumentation bei der Ausgrabung (= Zerstörung) die Voraussetzung ist für eine aussagekräftige Interpretation. Denn durch Ausgraben einer Nekropole wird sie unwiederbringlich zerstört, und daher ist es – besonders für zukünftige Fragestellungen – erforderlich, jede Kleinigkeit zu dokumentieren und auf diese Art als Information zu erhalten.
In der Archäologie hat sich die Fragestellung im Laufe der Zeit geändert. Waren frühe Generationen noch besonders interessiert am Fund großer Reichtümer, mit denen sie sich in die Geschichtsbücher eingetragen sahen, fragt der Frühgeschichtler dieser Tage nach den Lebensumständen auch der einfachen Bevölkerung. Zumindest wirtschaftliche Kraft und Jenseits-Vorstellung lassen sich aus dem Inventar und dem Bau (Einbauten wie Grabkammer oder einfache Baumsärge, Ausrichtung der Bestattung etc.) eines Grabes ableiten.
Die Vorstellung, nach der "zivilisierten" Epoche der Spätantike folgte eine dunkle und wenig zivilisierte Zeit der Merowinger, muss heute teilweise revidiert werden. Zwar diskutiert die Frühgeschichte noch immer das Problem von Kontinuität oder Diskontinuität in der Übergangsphase von der spätantiken römischen Besatzung zum Frühmittelalter, doch kann anhand von Bodenfunden schon heute angenommen werden, dass zumindest die frühen Merowinger einen sehr eigenen ästhetischen Anspruch an ihre Ausstattung hatten. Es gibt Gründe, die merowingische Geschichte bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts noch zur Spätantike zu rechnen, da die Kontinuitäten zur römischen Zeit damals noch dominierten, auch wenn natürlich bereits "mittelalterliche" Elemente erkennbar sind.
Neben einer sehr großen Anzahl unterschiedlichster Perlen und unterschiedlicher Trachten wurden auch mit Almandin verzierte Scheibenfibeln als Gewandnadeln getragen. Neben goldenen Schmuckplättchen trugen die Frauen aus wirtschaftlich potenten Familien zu ihrer Bestattung auch eine Vielzahl von Glasperlen unterschiedlicher Formen und Farben. In die Kleidung oder in das Leichentuch kann ein feiner Goldfaden (Goldlahn) eingewebt gewesen sein. Silberner Schmuck wie Ohrringe aber auch Gürtelschnallen oder die typisch merowingischen Beingurte, deren praktischer Charakter im Halten eines den Unterschenkel verdeckenden Tuches gesehen werden muss, sowie Ringe aus Edelmetall gehörten ebenfalls zur Ausstattung.
Sicher kann in der prachtvollen Beisetzung „adliger“, zumindest aber wirtschaftlich besser gestellter Personen ein Gruppendruck der Gemeinschaft gesehen werden. Es kam nur in ein Grab, was sich die Familie leisten konnte aufzugeben, denn es war ja durch die Beisetzung dem Zugriff entzogen. Dass dieser Zustand nicht für alle Zeiten war, wird aus der hohen Anzahl von alt beraubten Gräbern deutlich, in denen sich Mitglieder der Gemeinschaft – in der Regel einige Zeit nach der Beisetzung – die besten Stücke des Inventars stahlen.
Seltener beraubt, weil nicht so reich ausgestattet sind die Gräber der wirtschaftlich nicht so gut gestellten Familien oder der Romanen, die ein anderes Beigabenmuster haben. Hier konnte oder wollte man nicht die wertvollen und noch für das Überleben oder den Status wichtigen Gegenstände durch die Bergung in der Erde aufgeben. So wurde in solchen Fällen früher oft und nicht ganz wertfrei von armer Bevölkerung gesprochen.
Diese Gruppe ist es auch, die Chronologie-Systeme von Archäologen ins Wanken bringen kann. Oftmals wurden Gegenstände erst aufgegeben, wenn sie völlig aus der Mode gekommen waren, und ihr Tragen keinen Wert mehr in der Gesellschaft hatte. So verschiebt sich die Beigabe etwa eines Ohrringpaares, das eine relativ begrenzte chronologische Laufzeit haben sollte, manchmal um einige Jahrzehnte und wirft eine – in der Regel generell sehr empfindliche – Feinchronologie fast um. Die Berücksichtigung auch dieser Tatsache macht die Auswertung einer archäologischen Quelle wie ein merowingerzeitliches Gräberfeld so komplex.
[Bearbeiten] Literatur
- Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich. Stuttgart (Kohlhammer) 2001, Broschiert, ISBN 3170170449.
(Standardwerk) - Patrick J. Geary: Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen. München 2003.
(Standardwerk) - Martina Hartmann: Aufbruch ins Mittelalter. Die Zeit der Merowinger. Darmstadt 2003.
(Aktuelle und reich bebilderte Darstellung.) - Ian N. Wood: The Merovingian Kingdoms, 450–751. London 1994.
(Wichtige Gesamtdarstellung, die stärker systematisch aufgebaut ist als etwa Ewig.)
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Merowinger – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Wiktionary: Merowinger – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |